Im Dieselskandal muss Volkswagen laut Reuters eine weitere milliardenschwere Last für einen Vergleich mit der US-Regierung schultern. Das Unternehmen sei in "fortgeschrittenen Gesprächen" mit dem amerikanischen Justizministerium, teilte VW am Dienstagabend per Pflichtveröffentlichung mit. Es gehe um eine Einigung auf Bußgelder und Strafzahlungen von insgesamt 4,3 Milliarden Dollar. Der Konzern und sein Hauptaktionär Porsche SE warnten zugleich, dies übersteige die bisherigen Rückstellungen und könne die Ergebnisse 2016 belasten. Volkswagen bestätigte damit einen Bericht von Reuters, wonach die am Mittwoch bevorstehende Vereinbarung ferner ein Schuldanerkenntnis sowie Auflagen beinhaltet. Endgültig abgeschlossen werden könne der Vergleich aber erst, wenn die obersten Gremien des Konzerns zugestimmt und die US-Gerichte ihn genehmigt hätten.
Vorstand und Aufsichtsrat des Konzerns sollten womöglich noch am Dienstag und am Mittwoch in Wolfsburg tagen, um der mit den Amerikanern ausgehandelten Vereinbarung zuzustimmen. Mit der Milliardenstrafe muss der Konzern dafür büßen, dass er mit der Manipulation von rund einer halben Million Dieselautos die Behörden in den USA getäuscht und gegen das Luftreinhaltegesetz verstoßen hat. Die VW-Führung hatte Insidern zufolge gehofft, die langwierigen Verhandlungen noch vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Donald Trump am 20. Januar abschließen zu können.
Auch der Aktienmarkt hatte in dieser Woche auf einen Befreiungsschlag gesetzt, VW-Aktien waren gefragt. "Es ist eine große Erleichterung, dass sich das nicht bis zur nächsten US-Administration hinzieht", erklärte Arndt Ellinghorst, Autoanalyst vom Investmentberater Evercore ISI. Jetzt könne Volkswagen einen Strich unter die Rechtsrisiken in den USA ziehen. Vermutlich müssten zusätzlich zu den bisherigen 18,2 Milliarden Euro noch zwei bis drei Milliarden Euro zurückgelegt werden. Die bisherigen Rücklagen deckten die beiden zivilrechtlichen Vergleiche mit geschädigten Autokäufern, Händlern und US-Bundesstaaten ab, die sich auf mehr als 16 Milliarden Euro belaufen.
Das US-Justizministerium hatte den Wolfsburger Konzern vor fast genau einem Jahr verklagt. Volkswagen hatte im September 2015 die Manipulation von elf Millionen Autos weltweit zugegeben. Eine Software sorgte dafür, dass Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickoxid nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Im normalen Straßenverkehr liegen sie um ein Vielfaches höher. Mit dem bevorstehenden Vergleich muss Volkswagen seine Schuld nach US-Strafrecht anerkennen, wie das Unternehmen weiter erklärte. Dazu wird es eine Beschreibung der Fakten geben. VW muss außerdem sein internes Kontrollsystem zur Einhaltung von Vorschriften verbessern und sich einer unabhängigen Aufsicht unterwerfen.
In den USA zieht die Affäre wegen der strengeren Rechtslage härtere Konsequenzen nach sich als in Europa, wo gut acht der insgesamt elf Millionen manipulierten Dieselautos der Marken VW, Skoda, Seat, Audi und Porsche auf die Straße kamen. Die rund acht Millionen betroffenen Kunden in Europa erhalten keine finanzielle Entschädigung. Vielmehr sollen ihre Fahrzeuge durch eine Rückrufaktion in Ordnung gebracht werden. Da sich viele VW-Kunden damit nicht begnügen wollen, sind in Deutschland Schadenersatzklagen beim Landgericht Braunschweig anhängig.
In den USA steht inzwischen außerdem ein erster VW-Manager nach seiner Festnahme in Miami vor Gericht. Er wurde am Montag des Betrugs angeklagt, weil er die Softwaremanipulation nicht offengelegt habe. Richter William C. Turnoff setzte für Donnerstag eine Anhörung an. Bis dahin bleibt der frühere Leiter einer Abteilung, die bei VW in den USA für die Einhaltung von Umweltvorschriften verantwortlich war, in Haft. In ihrer Anklage warf die US-Bundespolizei auch der Führungsebene eine Beteiligung an dem Betrug vor, nannte aber keine Namen. Nach früherer Darstellung von VW wussten die Vorstandsmitglieder erst kurz vor dem Eingeständnis im September 2015 Bescheid.
Die deutsche Strafjustiz braucht unterdessen noch mehr Zeit für ihre Ermittlungen im Fall Volkswagen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen inzwischen 21 Beschuldigte wegen des Verdachts auf Betrug, darunter befindet sich kein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied. Angesichts des großen Aufwandes, riesige Datenmengen auszuwerten und viele Zeugen zu vernehmen, sei es offen, ob die Ermittlungen 2017 zum Abschluss kämen, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Klaus Ziehe. "Für das Diesel-Verfahren wage ich keine Prognose", ergänzte er. "Die Amerikaner sind uns hier im Grunde ein Jahr voraus."