Nach Volkswagen bekommt nun auch Fiat Chrysler mächtig Ärger mit den US-Umweltbehörden. Diese werfen dem italienisch-amerikanischen Autobauer ebenfalls bei Dieselfahrzeugen einen massiven Verstoß gegen das Luftreinhaltegesetz vor. Nach Darstellung der Bundesbehörde EPA hat der Konzern illegal eine Software zur Manipulation von Schadstoffemissionen eingesetzt. Das Management wehrt sich vehement gegen diesen Vorwurf und setzt seine Hoffnungen auf die künftige Regierung unter Präsident Donald Trump. Dem Konzern droht eine Strafe von maximal 4,6 Milliarden Dollar. An der Börse gerieten die Aktionäre am Donnerstag in Panik. Der Kurs des Unternehmens stürzte in Mailand um 16 Prozent ab. Die Anschuldigungen gegen Fiat Chrysler kommen nur einen Tag, nachdem sich VW mit den amerikanischen Behörden im Dieselskandal auf einen milliardenschweren Vergleich geeinigt hatte.
Der Fall Volkswagen hatte die EPA 2015 zu einer großangelegten Untersuchung von Diesel-Fahrzeugen in den USA veranlasst. Ein Ergebnis davon sind nun die Vorwürfe gegen Fiat Chrysler. Es geht um 104.000 Lastwagen und SUVs von Chrysler, die seit 2014 verkauft wurden. Darin soll eine Software eingesetzt worden sein, die eine Überschreitung der erlaubten Schadstoffemissionen ermöglichte. Nach Darstellung der Behörden hat der Autobauer diese Technologie nicht angemeldet. "Wenn eine Software, die Emissionen in einem Fahrzeugmotor beeinflusst, nicht offengelegt wird, ist dies ein ernsthafter Gesetzesverstoß, der zu einer schädlichen Verschmutzung der Luft führen kann, die wir atmen", erklärte EPA-Vertreterin Cynthia Giles. Die Chefin der kalifornischen Umweltbehörde Carb, Mary Nichols, betonte: "Erneut hat ein großer Autohersteller beschlossen, die Regeln zu umgehen, und ist erwischt worden."
Fiat Chrysler wies den Vorwurf eines Fehlverhaltens entschieden zurück. "Wir haben nichts getan, was illegal ist", sagte Konzernchef Sergio Marchionne auf einer Pressekonferenz. Unter dem Eindruck der heftigen Börsenreaktion verwahrte er sich mit drastischen Worten gegen jeden Vergleich mit dem VW-Skandal. Wer dies tue, "raucht etwas Illegales", ereiferte sich der Manager.
Volkswagen hatte mit einer illegalen Software dafür gesorgt, dass Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickoxid nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, während sie im normalen Straßenverkehr um ein Vielfaches höher lagen. Eine derartige Schummelei hat sich Fiat Chrysler nach Angaben Marchionnes nicht zuschulden kommen lassen. "Es gab niemals die Absicht, Bedingungen zu schaffen, die dazu dienten, den Prüfprozess zu vereiteln", sagte er.
Die entscheidende Frage ist, ob Fiat Chryslers Software zur Emissionskontrolle als illegale Abschalteinrichtung zu werten ist. Die US-Konzerntochter FCA unterstrich dazu, nach den geltenden behördlichen Vorgaben sei dies nicht der Fall. Vielmehr sei das eingesetzte Verfahren rechtens. Die EPA erklärte, sie prüfe noch, ob die Technologie eine Abschalteinrichtung darstelle.
Das Bundesverkehrsministerium hatte im Herbst in einem Schreiben an die EU-Kommission den Vorwurf erhoben, dass sich Fiat Chrysler in Dieselmotoren eines solchen Instruments bediene. Grundlage waren Messergebnisse des Kraftfahrtbundesamts (KBA). Demnach schaltet in bestimmten Fahrzeugen des Konzerns die Abgasreinigung jeweils nach 22 Minuten vollständig ab. Abgastests dauern in der Regel nur 20 Minuten. Im vergangenen Sommer hatte das italienische Verkehrsministerium erklärt, keine Abgas-Schummeleien bei Fiat Chrysler entdeckt zu haben.
Marchionne hofft nun darauf, dass unter Trump, der am 20. Januar das US-Präsidentenamt antritt, die Karten neu gemischt werden. "Wir werden mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, um dies zu klären", sagte er. Wie andere Autobauer stellt derzeit auch Fiat Chrysler seine Investitionspläne für die USA in den Vordergrund, um gute Stimmung bei Trump zu machen. Die Unternehmen fürchten Einfuhrzölle auf Autos, die in Mexiko produziert werden.
Angestoßen wurden die Diesel-Ermittlungen der US-Behörden vom Volkswagen-Skandal, der im September 2015 zutage trat. Nach langwierigen Verhandlungen konnte der Wolfsburger Konzern am Mittwoch einen Vergleich präsentieren. Er sieht Strafzahlungen von umgerechnet rund vier Milliarden Euro vor.