Finanzen

Sanktionen helfen Russland im globalen Währungskrieg

Lesezeit: 4 min
02.02.2017 01:18
Russland könnte paradoxerweise davon profitieren, wenn die Sanktionen nicht aufgehoben werden: Der Rubel bleibt auf diese Weise schwach, was Russland bei den Exporten hilft.
Sanktionen helfen Russland im globalen Währungskrieg

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der russische Präsident Wladimir Putin hätte keine großen Probleme damit, wenn US-Präsident Donald Trump mit der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland noch etwas wartet, so Bloomberg. Wenn die USA die Sanktionen lockern würden, könnte der Rubel nach Einschätzung von Bloomberg-Ökonomen fünf bis zehn Prozent an Wert gewinnen. Doch eine Aufwertung des Rubels führt zwangsläufig dazu, dass die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Exportfirmen erodiert. „Die russischen Beamten werden sich nicht über die Aufwertung des Rubels freuen und sie werden sicherlich intervenieren“, sagt Vadim Bit-Avragim, Geldmanager bei Kapital Asset Management in Moskau. „Schauen sie sich ihre Reaktion auf die aktuelle Entwicklung des Rubels an. Natürlich werden sie eine weitere Aufwertung nicht zulassen“, so Bit-Avragim.

Die Entwicklung ist vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden Währungskriegs bemerkenswert: Ein Berater von US-Präsident Donald Trump hat den Euro als zu weich kritisiert. Die Financial Times spricht bereits von einem globalen Währungskrieg, der auch Japan und China erfassen dürfte. Weltweit dürften sich alle Staaten auf diese Entwicklung vorbereiten. Die Briten haben mit dem EU-Austritt einen ersten Schritt gesetzt und den Sterling massiv geschwächt.

Nun begann die russische Notenbank damit, Devisen einzukaufen, um damit die Menge an Fremdwährungen auf dem Markt zu mindern. Damit wollte die Notenbank einer Aufwertung des Rubels entgegentreten. Eine baldige Aufhebung der Sanktionen ist offenbar ohnehin nicht in Sicht. Nach Angaben des Sprechers des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, waren die Russland-Sanktionen kein Thema beim Telefongespräch zwischen Trump und Putin. Während sich ein Teil der Sanktionen auf Reisebeschränkungen und die Vermögen von Personen beziehen, von denen die US-Amerikaner glauben, dass sie an der Ukraine-Krise beteiligt gewesen sind, entstanden größere finanzielle Schäden für die russischen Konzerne, die einen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt brauchen. Dazu gehören auch der russische Energie-Riese Rosneft und die größte russische Bank Sberbank.

Wenn die Sanktionen aufgehoben werden sollten, würde die russische Währung zum Dollar auf 55 bis 57 Rubel aufgewertet werden. Davon geht jedenfalls die Bank of America aus. Aktuell kostet ein Dollar etwa 60 Rubel. Seit Beginn des Jahres hat der Rubel zum Dollar etwa zwei Prozent an Wert gewonnen. Im vergangenen Jahr erhöhte sich der Wert des Rubels zum Dollar um 20 Prozent. Nach einer Einschätzung von Societe Generale könnte der Rubel zum Dollar sogar unter die 50-Rubel-Marke fallen, falls die Sanktionen aufgehoben werden sollten.

„Dieser Fall würde die Notenbank dazu veranlassen, diese Aufwertungstendenz abzuwenden, was über eine Devisenmarktintervention in Form einer Dollar-Akkumulierung stattfinden würde, um die Finanzstabilitätsrisiken zu kontrollieren“, so Juri Tulinow und Evgeni Koschelew in einem Forschungsbericht von Societe Generale.

Die russische Notenbank hat bereits beschlossen, ab Februar aktiv Dollar-Käufe tätigen zu wollen, um die Rubel-Aufwertung zu stoppen. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil sich die russischen Exportunternehmen vor allem aus Firmen der Öl- und Gasbranche zusammensetzen. Der Ölpreis befindet sich auf dem Weg der Erholung und die Einnahmen können nur erhöht werden, wenn der Rubel nicht aufgewertet wird und es damit nicht zu zusätzlichen Produktionskosten kommt. „Eine weitere Stärkung des Rubels wird auf zunehmenden Widerstand von Exporteuren und der Regierung führen“, sagt Sergej Narkewitsch, Analyst von der Promsvyazbank PJSC, zur aktuellen Entwicklung des Rubels.

Die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Exporteure muss vor allem deshalb aufrechterhalten werden, weil das Land unter einem Handelsbilanzdefizit leidet und somit mehr importiert als es exportiert. Das russische Ural-Öl wird aktuell bei 53 Dollar pro Barrel gehandelt. Nach Angaben des russischen Finanzministers Anton Siluanov könnte das Haushaltsdefizit im aktuellen Jahr zwei Prozent des BIPs betragen, falls der Ölpreis bei durchschnittlich 50 Dollar bleibt. Im vergangenen Jahr lag das Haushaltsdefizit bei 3,5 Prozent am BIP.

Der Chefökonom der Europäischen Entwicklungsbank EBRD, Sergej Guriew, sagt in einem Interview mit dem englischsprachigen Dienst von Reuters: „Russlands Finanzen sind jetzt besser geworden. Wenn die Ölpreise bei 50 bis 55 Dollar bleiben, wird die russische Regierung in den nächsten Jahren recht gut dastehen. Es besteht kein Risiko eines souveränen Ausfalls bei den aktuellen Ölpreisen (…). Wenn der Ölpreis auf 30 Dollar pro Barrel sinkt, müsste die russische Regierung eine weitere Runde von Sparmaßnahmen durchführen.“

Der private US-Informationsdienst Stratfor akzeptiert zwar, dass Russland eine positive wirtschaftliche Wende genommen hat, doch die Lage in den einzelnen Regionen sei nach wie vor sehr kritisch. Russland hat 85 offizielle Regionen, von denen zwei – die Krim und Sewastopol – international nicht anerkannt sind. Nach Angaben des russischen Finanzministeriums sind nur zehn von den 85 Regionen wirtschaftlich stabil. Ihre Stabilität stützt sich hauptsächlich auf die Produktion von Energieträgern. Allerdings habe sich auch deren Lage seit dem Jahr 2015 verschlechtert. Weitere 30 Regionen sind direkt von den Subventionen aus dem Bundeshaushalt abhängig. 33 Prozent ihrer Einnahmen gehen auf Subventionen zurück. Etwa die Hälfte der jährlichen Subventionen von 3,5 Milliarden Dollar fließt in nur zehn Regionen, nämlich nach Dagestan, Tschetschenien, Jakutien, Kamschatka, die Krim, Altai Tuwa, Burjatien, Stawropol und Baschkurdistan. Mehr als die Hälfte der gesamten russischen Regionen können ihren sozialen und wirtschaftlichen Pflichten nicht nachkommen. 70 der russischen Regionen senden 63 Prozent des Einkommens, die sie generieren, an den Bundeshaushalt, wobei nur die restlichen 37 Prozent einbehalten werden. Die Bundesregierung in Moskau gibt nur 20 Prozent der eingenommenen Gelder in Form von Subventionen zurück. Der Kreml hat in den vergangenen vier Jahren die Einnahmen aus diesen Regionen um zwölf Prozent erhöht und soll sie in diesem Jahr nochmals um weitere zwei Prozent erhöhen. Seit der Finanzkrise 2008/09 hat Moskau große Einschnitte bei den Sozialausgaben der Regionen vorgenommen, so Stratfor.

Die Kombination aus Rezession und wachsenden finanziellen Verpflichtungen zwang die meisten russischen Regionen zu einem höheren Haushaltsdefizit. In 17 Regionen liegt das Haushaltsdefizit bei über zehn Prozent des regionalen BIPs. Die Republik Khakassia hat beispielsweise ein Defizit von 43 Prozent. Ende 2016 hatten mehr als 25 russische Regionen Schulden-Umsatz-Verhältnisse von über 85 Prozent. In der Region Mordavia liegt dieses Verhältnis bei 200 Prozent. Standard & Poor’s schätzt, dass regionale Regierungen weitere 20 Milliarden Dollar an Krediten aufnehmen müssten, nur um die Schuldenzahlungen zu decken, die im aktuellen Jahr fällig werden.

Nach Angaben von Stratfor birgt diese Entwicklung auch eine ernste politische Gefahr in sich. Einige Regionen könnten sich aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage weigern, weiterhin einen Großteil ihrer Einnahmen an den Bundeshaushalt abzuführen. Dies könnte zu Forderungen nach mehr Autonomie oder territoriale Unabhängigkeit führen.

Deshalb ist es aus russischer Sicht wichtig, einen schwachen Rubel bei gleichzeitig steigenden Ölpreisen zu haben, um dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Ölexportwirtschaft zu sichern und die Gewinnspanne aus den Exporten zu erhöhen. Höhere Einnahmen im Bundeshaushalt geben der russischen Regierung die Möglichkeit, die Steuertransfers aus den schwachen Regionen zu mindern und optional zusätzliche Subventionen in die Regionen zu senden.


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft EU-Austritt Deutschlands: Ist „Dexit“ der Weg in die Katastrophe?
23.05.2024

Seit dem Brexit-Referendum wird in Deutschland immer wieder über einen möglichen EU-Austritt, den „Dexit“, diskutiert. Eine aktuelle...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Grenzziehung: Russlands Planspiele sorgen für Besorgnis bei Nachbarn
22.05.2024

Ein russisches Gesetzesprojekt zur Neubestimmung der Ostsee-Grenzen sorgt für Aufregung bei Nachbarländern. Litauen spricht von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Handelskonflikt mit USA und EU heizt sich auf: China erwägt höhere Import-Zölle auf Verbrenner
22.05.2024

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China eskaliert weiter und erfasst nun auch europäische Autobauer, die gar keine E-Autos...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturaussichten hellen sich langsam auf
22.05.2024

Die deutsche Wirtschaft scheint das Gröbste überstanden zu haben. Nach einem leichten Wachstum zu Jahresbeginn dürfte die Konjunktur...

DWN
Politik
Politik Lehrerverband will Islamunterricht: Lösung für bessere Integration oder Anbiederung?
22.05.2024

Gut 1,6 Millionen Schüler moslemischen Glaubens besuchen mittlerweile Deutschlands Schulen. Für sie wünscht sich der Präsident des...

DWN
Immobilien
Immobilien Bessere Laune im Bausektor, aber Auftragsmangel immer noch zentrales Problem
22.05.2024

Auf dem ZIA-Finance Day letzte Woche ging es - unter anderen Schlüsselthemen - um die sich stabilisierende makroökonomische Lage in...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Börsen im Rally-Modus – Aktienmärkte erreichen Allzeithochs, Metalle glänzen
22.05.2024

Die vergangene Woche konnte sich sehen lassen: Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte warteten mit beeindruckenden Preisbewegungen...

DWN
Politik
Politik Erleichterungen für Hausarztpraxen im Fokus
22.05.2024

Das Bundeskabinett befasst sich mit einer stärkeren Absicherung der Gesundheitsversorgung für Patientinnen und Patienten - besonders in...