Politik

Juncker kündigt Abgang an, fürchtet Auseinanderbrechen der EU

Der Präsident der EU-Kommission fürchtet, dass die EU auseinander bricht und kündigt in der schwierigsten Phase der EU seinen Abgang an. Soviel Defätismus und Führungslosigkeit sind in Europa ohne Beispiel.
11.02.2017 22:54
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fürchtet ein Auseinanderbrechen der Europäischen Union. Er habe Zweifel, ob die Mitgliedsstaaten angesichts des Brexit eine Geschlossenheit finden würden, sagte Juncker in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. "Weil die Briten, die werden es schaffen, ohne große Anstrengung die anderen 27 Mitgliedsstaaten auseinanderzudividieren", sagte Juncker. Er kündigte an, nicht noch einmal für den Vorsitz der EU-Kommission zu kandidieren.

"Die Briten wissen schon sehr genau, wie sie das in Angriff nehmen können", sagte er mit Blick auf die Spaltung des Staatenbundes. "Man verspricht dem Land A dieses und man verspricht dem Land B jenes und man verspricht dem Land C etwas anderes." Dabei sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem die EU sich vor dem Hintergrund des Brexit und des US-Präsidenten Donald Trump eigentlich einig zeigen müsste. "Ob dem aber so sein wird. Da habe ich einige begründete Zweifel."

In der Haltung der US-Regierung, mit Handelshemmnissen die eigene Wirtschaft zu schützen, sieht Juncker eine große Chance für die EU. "Wenn die Amerikaner sich aus internationalen, globalen Handelsverflechtungen zurückziehen, dann entsteht ein offener Raum." Er habe viele Staats- und Regierungschefs empfangen, die nun Interesse an weitreichenden und ambitiöseren Handelsverträgen mit der EU hätten. "Diese Chance sollten wir nutzen." Dabei sollte es den Briten nicht erlaubt werden, so zu tun, als ob sie jetzt schon eigenmächtig Handelsverträge mit anderen abschließen könnten. "So lange Großbritannien Mitglied der Europäischen Union ist, liegt die Außenhandelspolitik im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union - und ergo der Kommission."

Allerdings werden die Briten nichts dergleichen tun: Sie haben bereits mit mehreren Staaten Gespräche über Handelsverträge begonnen, unter anderem mit den USA. Die EU ist machtlos, weil die Briten immer sagen können, dass es sich um keine Verhandlungen handelt. Außerdem hat Premierministerin Theresa May angekündigt, es im Zweifel zu einem Crash mit der EU kommen zu lassen. Bis die EU dagegen einen Handelsvertrag abgeschlossen hat, können Jahre vergehen. Daher wollen die Briten auch aus der EU-Gerichtsbarkeit aussteigen.

Juncker kann der Idee von Angela Merkel, eine EU mit "zwei Geschwindigkeiten" zu schaffen, nur bedingt etwas abgewinnen. Die Fortschreibung dieser unterschiedlich schnellen Integration müsse präzisiert werden, forderte Juncker. "Wo ist es zulässig, ohne dass dies auf Kosten derer passiert, die nicht mitmachen wollen, wo wir dann differenzierter vorgehen sollten?" Als einen Bereich der Integration führte er eine gemeinsame EU-Verteidigungspolitik auf.

Juncker sagte, er strebe keine zweite Amtszeit an. "Ich werde nicht noch einmal antreten." Er rief zudem zum Kampf gegen die Gegner der EU auf. "Man muss sich diesen Europavereinfachern resolut in den Weg stellen und nicht den Populisten nachlaufen." Wer dies doch tue, werde irgendwann selbst zum Populisten. Juncker ist seit 2014 Chef der EU-Kommission, deren Amtszeit fünf Jahre beträgt.

Was Juncker nicht erklärte: Ob es nicht der Gipfel des Populismus ist, wenn der Präsident der EU-Kommission schon vor Beginn der Verhandlungen mit den Briten durch defätistische Sprüche den Eindruck erweckt, die Flinte ins Korn zu werfen. Kombiniert mit der Ankündigung, in dieser kritischen Phase der EU gewissermaßen als "lame duck" zu operieren, schaden solche Sprüche der EU mehr als die wildesten Verwünschungen der EU-Gegner. Sie demoralisieren nämlich die vielen hervorragenden Mitarbeiter in der EU, die durch Junckers resignativen Ton nicht gerade motiviert in die kommenden Schachten ziehen dürften.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...