Deutschland

Französischer Ökonom: Deutschland ist der kranke Mann Europas

Die „katastrophale Bevölkerungsstruktur“ werde das Land vor schwerwiegende Probleme stellen, so der ehemalige Mitterrand-Berater Attali. Außerdem verdanke Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit nicht etwa umfangreichen Reformen, sondern vielmehr der Mehrwertsteuerpolitik und der Nähe zu Billiglohnarbeitern aus Osteuropa.
04.02.2013 09:14
Lesezeit: 1 min

Aktuell:

Fußball: Europol deckt größten Wettskandal der Geschichte auf

Angesichts steigender Arbeitslosigkeit und den zunehmenden Schwierigkeiten der französischen Auto- und Stahlindustrie steht Frankreichs Regierung derzeit in der Kritik. Zu hohe Staatsausgaben und geringer Reformwillen werden dem Land vorgeworfen. Dennoch stünde Frankreich nicht am Abgrund, sagte der Ökonom und ehemalige Berater des französischen Präsidenten Francois Mitterrand, Jaques Attali, in einem Gespräch mit dem österreichischen Standard. „In Europa kommt die falsche Idee auf, Frankreich sei Europas ‚kranker Mann‘. Wenn, dann ist es Deutschland“, so Attali.

Konjunkturell sei Deutschland derzeit „vielleicht“ noch ein Vorbild für Frankreich, erläutert Attali. Und auch die deutsche Konkurrenzfähigkeit sei verglichen mit der Frankreichs „sicher beeindruckend“. Aber diese deutsche Konkurrenzfähigkeit beruhe lediglich auf „zwei künstlichen Faktoren“, der Nähe Deutschlands zu Osteuropa und somit beispielsweise zu Billiglohnarbeitern aus Polen sowie der deutschen Mehrwertsteuerpolitik, erklärte der Ökonom.

Ein noch viel schwerwiegenderes Problem sieht Attali jedoch langfristig in der „katastrophalen Bevölkerungsstruktur“ Deutschlands. „Die Deutschen machen keine Kinder mehr“, so Attali. In 30 Jahren werde Frankreich Deutschland hinsichtlich der Zahl der Einwohner überholt haben. Das führe dazu, dass das Rentensystem nicht mehr finanziert werden könne. „Und ich wünsche mir nicht, dass die Franzosen dann für die Renten der Deutschen aufkommen müssen“, sagte Attali.

Die bisherige Regierungszeit Hollandes betrachtet der ehemalige Mitterrand-Berater positiv. „Auf europäischer Ebene hat er es geschafft, die Tendenz zur Wachstumspolitik umzukehren“, nachdem die Regierungen in Berlin und London nur auf Sparpolitik gesetzt hätten. Innenpolitisch halte sich der französische Präsident zudem „eisern“ Haushaltsdisziplin, versuche die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und Schulreformen durchzuführen. „Ich bleibe optimistisch für Frankreich, weil Europa trotz allem Form annimmt, Frankreich bevölkerungsmäßig stark wächst und seine Exportkraft wieder finden wird“, ergänzt Attali.

Weitere Themen

EU-Präsident Schulz: „EU ist tödlich bedroht”

Arbeitslosigkeit und Korruptionsverdacht treiben Zinsen für spanische Anleihen in die Höhe

Griechische Rechtsradikale Chrysi Avgi gründet deutsche Schwesterpartei in Nürnberg

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...