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Monsanto nahm Einfluss auf EU-Studien zu Glyphosat

Monsanto hat massiven Einfluss auf EU-Studien zu Glyphosat genommen. (Dieser Artikel ist nur für Abonnenten zugänglich)
08.05.2017 01:44
Lesezeit: 4 min

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Der US-amerikanische Agrarchemie-Konzern Monsanto hat angeblich massiven Einfluss auf mehrere Studien genommen, um sein auf der Chemikalie Glyphosat basierendes Pestizid „Roundup“ in der Öffentlichkeit als unbedenklich darzustellen. Dies berichtet der EUObserver unter Berufung auf interne E-Mails von Monsanto, die eine direkte Einflussnahme in mindestens zwei Fällen belegen. „Die Einschätzung der EU, dass ein potentiell gefährliches Pestizid unbedenklich sei, basiert teilweise auf wissenschaftlichen Studien, die von Monsanto geschrieben oder beeinflusst wurden“, fasst das Magazin die Erkenntnisse von Nachforschungen zusammen, welche es zusammen mit dem niederländischen Magazin OneWorld angestellt hatte.

Von einem Gericht in den USA kürzlich freigegebene E-Mails beweisen, dass Monsanto mindestens eine Studie zum Wirkstopp Glyphosat selbst geschrieben und nachträglich als das Werk unabhängiger Wissenschaftler dargestellt hat. Eine andere Studie zu möglichen Gefahren des Pestizids sei mithilfe von Wissenschaftlern des Konzerns „nachträglich angepasst“ worden, um ein besseres Ergebnis für Monsanto zu erreichen. Dem EUObserver zufolge stützte sich die europäische Lebensmittelbehörde European Food Safety Authority (EFSA) im Jahr 2015 auf beide fraglichen Studien, um die Risiken von Glyphosat einzuschätzen.

In einer E-Mail vom 19. Februar 2015 schlägt Monsantos Beauftragter für Produktsicherheit, William Heydens, seinen Kollegen vor, dass Wissenschaftler der Firma eine Studie schreiben, die dann von unabhängigen Akademikern „herausgegeben und unterzeichnet wird“ um die Urheberschaft Monsantos zu verstecken. Heydens spricht dabei explizit von „Ghostwriting.“ Ob dies im Folgenden so geschah ist nicht bekannt. Sicher ist aber, dass Heydens in der E-Mail an eine frühere Anwendung dieser Taktik erinnert: „Erinnert euch, so haben wir das auch schon bei Williams, Kroes & Munro gemacht“.

Die Studie von Williams, Kroes & Munro ist eine Auswertung zahlreicher anderer Studien zu Glyphosat und Roundup aus dem Jahr 2000. Auf ihre Erkenntnisse stützte sich unter anderem auch das Bundesinstitut für Risikobewertung bei der Einschätzung von Glyphosat.

Eine Studie zu Glyphosat aus dem Jahr 2013 wurde vom Wissenschaftler Larry Kier geschrieben, welcher zu jener Zeit auch Berater von Monsanto war. Andere wichtige Studien, die von einer krebserregenden Wirkung des Pestizids ausgingen, wurden dabei nicht berücksichtigt.  Um die Glaubwürdigkeit noch weiter zu steigern, wurde Professor David Kirkland als Co-Autor hinzugefügt – dieser war zu jener Zeit ebenfalls Berater von Monsanto.

Aus den veröffentlichten E-Mails geht auch hervor, dass Mitarbeiter von Monsanto von den möglichen Risiken schon vor vielen Jahren gewusst haben. „Wir können nicht behaupten, dass Roundup keinen Krebs verursacht“, schreibt die Monsanto-Toxikologin Donna Farmer in einer E-Mail vom September 2009 an australische Kollegen, welche sich mit einem kritischen Artikel in der Presse beschäftigen mussten. Monsanto habe nicht die notwendigen Studien durchgeführt, um eine Unbedenklichkeit zu beweisen.

Glyphosat ist der wichtigste Wirkstoff des Schädlingsbekämpfungsmittels „Roundup“ von Monsanto. Roundup ist das weltweit am meisten verkaufte Mittel dieser Art und sichert dem Konzern Einnahmen in Milliardenhöhe. „Der Goldesel unter den Pflanzenschutzmitteln soll 2019 neun Milliarden Euro ausspucken – 2012 belief sich die weltweite Nachfrage noch auf fünf Milliarden Euro“, berichtet das Magazin Telepolis.

Seit Jahren steht Glyphosat allerdings im Verdacht, krebserregend zu sein. Im Juni vergangenen Jahres entschied die Europäische Kommission, das Mittel für weitere 18 Monate in der EU zuzulassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel macht sich für eine weitere Verwendung des umstrittenen Pestizids in der Landwirtschaft stark. Sie werde sich dafür einsetzen, dass das Mittel auf wissensbasierter Grundlage weiterhin eingesetzt werden kann, sagte Merkel im vergangenen August auf einem CDU-Agrarforum in Boldekow (Mecklenburg-Vorpommern). Studien belegten, dass die Risiken nicht sehr groß seien. Welche Studien das sind, sagte Merkel damals nicht.

Die Umstrittenheit von Glyphosat könnte sich für den deutschen Chemiekonzern Bayer noch als schwere Bürde erweisen. Bayer wird Monsanto für etwa 66 Milliarden Dollar übernehmen – eine umstrittene Entscheidung, die für Bayer zahlreiche Fallstricke bereithält.

Nicht zuletzt sind derzeit 225 Klagen von Farmern und deren Angehörigen gegen den Konzern in San Franzisco anhängig, die in Roundup einen Grund für den Ausbruch einer seltenen Krebsart erkennen. Im Fall einer Verurteilung kämen auf Bayer möglicherweise erhebliche Schadenersatzforderungen zu.

Die Hauptversammlung Bayers Ende April wurde von zahlreichen Protestaktionen überschattet. Keine fünf Minuten sprach Vorstandschef Werner Baumann vor den rund 2500 Aktionären, als er das erste Mal von lautstarken Protestrufen unterbrochen wurde. „Stopp Bayer/Monsanto“, schnitten Gegner der geplanten Übernahme Baumann das Wort ab. Aufsichtsratschef Werner Wenning rief sie höflich zur Räson und bat um einen Austausch, „wie es auf einer deutschen Hauptversammlung üblich ist“. Keine zehn Minuten später kam es zum nächsten Zwischenfall: „Ihr vergiftet unsere Äcker“, riefen die Übernahmegegner. Wenning drohte mit Saalverweis. Das Aktionärstreffen in Bonn verlief so turbulent wie erwartet, doch Baumann will seinen Aktionären den umstrittenen Deal unbeirrt schmackhaft machen.

„Durch die vereinbarte Übernahme von Monsanto wollen wir Bayer weiter stärken“, verteidigte Baumann die Zukaufspläne. Der Zukauf passe „perfekt“ zur Strategie von Bayer. Baumann gestand aber auch ein, dass das schlechte Image von Monsanto eine „große Herausforderung“ für den Konzern bedeutet. „Das möchte ich nicht kleinreden.“ Bayer wolle deshalb den Dialog auch mit kritischen Interessensgruppen verstärken und das Agrarchemiegeschäft nach dem Deal „nach unseren Maßstäben führen, wie in allen übrigen Geschäftsfeldern auch.“ Bis Ende des Jahres soll der Zukauf, der der bislang teuerste eines deutschen Unternehmens wäre, unter Dach und Fach sein.

Die Übernahmegegner fürchten eine Erhöhung der Abhängigkeit der Landwirte von wenigen Großkonzernen sowie einen vermehrten Einsatz von Chemikalien wie dem umstrittenen Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Die Amerikaner stehen seit Jahren wegen gentechnisch veränderter Produkte und aggressiver Geschäftspraktiken in der Kritik. Der schlechte Ruf macht Bayer-Investoren Sorgen: „Die Reputationsrisiken für den Konzern steigen durch Monsanto enorm“, sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment. „Durch kosmetische Eingriffe wie eine Streichung des Namens Monsanto wird sich das nicht ändern lassen.“

Aktionäre wie die Fondsgesellschaft Deutsche Asset Management äußerten zudem Unmut über den Übernahmepreis. Bei diesem sei eine „Verhältnismäßigkeit kaum noch erkennbar“, kritisierte Henrik Schmidt vom Vermögensverwalter der Deutschen Bank. Winfried Mathes vom Fondsanbieter Deka Investment sprach von einem „schwindelerregenden“ Preis. Bitter stieß ihm wie auch anderen Aktionären auf, dass Bayer-Investoren nicht über den Zukauf abstimmen können. Monsanto hatte sich dagegen im Dezember grünes Licht von seinen Aktionären geholt.

Tatsächlich könnte der Übernahmepreis für Bayer zum Problem werden, weil der Konzern aus Leverkusen dafür Schulden in Milliardenhöhe aufnehmen muss. Ende November verkaufte der Konzern Pflichtwandelanleihen in Höhe von vier Milliarden Euro an institutionelle Investoren.

Auch zahlreiche Arbeitsplätze dürften der Übernahme zum Opfer fallen. Auf die Beschäftigten hätte die MONSANTO-Übernahme ebenfalls Auswirkungen. So sind die bei Transaktionen dieser Art immer viel beschworenen Synergie-Effekte mit Arbeitsplatz-Vernichtungen verbunden.  Überdies drohen zusätzliche Stellen-Streichungen durch die Auflagen der Kartell-Behörden, sich von bestimmten Produkt-Linien zu trennen. BAYER rechnete da zunächst mit Geschäften im Umfang von 1,6 Milliarden Dollar Umsatz, erhöhte die Zahl dann aber auf 2,5 Milliarden. Dazu eine Frage: Was bedeutet die Zahl von 2,5 Milliarden Dollar auf Arbeitsplätze umgerechnet?“, schreibt eine Gegnerin des Vorhabens in der Neuen Rheinischen Zeitung.

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