Die Schweiz steigt aus der Atomenergie aus. Beim Volksentscheid am Sonntag sprach sich eine klare Mehrheit der Stimmberechtigen für die "Energiestrategie 2050" aus. Nach dem vorläufigen Endergebnis stimmten 58,2 Prozent für die Pläne der Regierung. Das Ergebnis zeige, dass die Bevölkerung eine neue Energiepolitik wünsche und keine neuen Atomkraftwerke, sagte Energieministerin Doris Leuthard. Der Bau neuer Atomkraftwerke wird nun verboten, und der Verbrauch fossiler Brennstoffe soll einschränkt werden. Strom soll vermehrt aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden. Insgesamt soll der Energieverbrauch bis 2035 im Vergleich zum Jahr 2000 fast halbiert werden. Finanzielle Anreize erleichtern dabei den Umstieg.
Die NZZ erwartet nun eine Welle an Subventionen. Zunächst werden die Erneuerbaren Energie-Träger gefördert. Danach werden die Schweizer Steuerzahler für die Entsorgung des Atommülls aufkommen müssen. Wir man aus Deutschland weiß, ist das ein teures Unterfangen. Die NZZ: "Sobald die zusätzliche Förderung der Wasserkraft und damit der konkursgefährdeten Stromkonzerne unter Dach und Fach ist, dürfte die Stützung der Atomenergie aufs Tapet kommen. Obwohl dies für sie unappetitlich ist, sind hier selbst linke Politiker bereit, staatliche Mittel zu sprechen, wenn sich im Gegenzug die Besitzer der Kernkraftwerke zu einem verbindlichen Fahrplan zur Ausserbetriebnahme verpflichten."
Leuthard sagte, durch das Gesetz würden die heimischen erneuerbaren Energien gestärkt und der Verbrauch fossiler Brennstoffe reduziert. Die Abhängigkeit vom Ausland werde verringert. Das Gesetz führe die Schweiz in eine moderne Energiezukunft. Einige seiner Teile würden bereits Anfang 2018 in Kraft treten.
Die Schweizer folgen mit ihrer Entscheidung Deutschland, das den Umstieg auf erneuerbare Energien vor Jahren auf den Weg gebracht hat. Die Vorlage war von weiten Teilen der bürgerlichen und linksgrünen Parteien unterstützt worden. Die Konservativen wie die Schweizerische Volkspartei (SVP) lehnten die Pläne dagegen ab.
Die Wirtschaft war gespalten. Gegner der Strategie hatten eine Gefährdung der Energieversorgung und ausufernde Kosten befürchtet und zudem kritisiert, dass die Energiewende vor allem von Kleinkunden gestemmt und Großabnehmer finanziell entlastet würden. Die Umstellung kostet nach Schätzungen der Regierung jährlich rund eine Milliarde Franken. Ein vierköpfiger Haushalt müsste demnach pro Jahr mit einer zusätzlichen Belastung von etwa 40 Franken rechnen.
Derzeit erzeugt die Schweiz mehr als ein Drittel ihrer Elektrizität mit Atomkraft. Der überwiegende Teil stammt mit rund 60 Prozent aus Wasserkraft. Lediglich vier Prozent kommen aus anderen erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind. Den Ausfall durch den Abschied von der Atomkraft will die Regierung durch den Ausbau erneuerbaren Energien und über einen geringeren Stromverbrauch kompensieren. Deutschland ist der Schweiz voraus: Dort stammen bereits ein Drittel aus erneuerbaren Quellen.
Der Tagesanzeiger analysiert, dass der Staat künftig eine größere Rolle beim Strom spielen werde: "Voraussetzung für jedes Modell ist ein Gesetzesartikel, der die ,Versorgungssicherheit' zur Staatsaufgabe machen würde. Der Bund hätte dann die Grundversorgung mit Elektrizität zu gewährleisten." Die Zeitung erwartet, dass sich die Schweiz vom internationalen Strommarkt abkoppeln will: "Je höher die Eigenversorgung, desto stärker würde die inländische Produktion vor billiger ausländischer Konkurrenz geschützt. Es wäre faktisch eine Abschottung des Schweizer Markts vor ausländischer Konkurrenz, was dem Wunsch von Schweizer Stromproduzenten entgegenkäme. Entsprechend höher wäre aber wohl auch der Strompreis."