Politik

Russland verschärft Gangart gegen US-Koalition in Syrien

Russland hat eine Sicherheitsvereinbarung mit den USA für den syrischen Luftraum ausgesetzt und droht mit dem Abschuss von Flugzeugen und Drohnen der US-Koalition.
20.06.2017 00:29
Lesezeit: 4 min

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Der Abschuss eines syrischen Kampfjets durch die US-Luftwaffe hat die Spannungen zwischen Washington und Moskau erheblich verschärft. Das russische Verteidigungsministerium setzte eine Sicherheitsvereinbarung mit den USA aus, die Kollisionen im syrischen Luftraum vermeiden soll. Das Pentagon signalisierte, dass es sich rasch um Deeskalation bemühen wolle.

Der Kommunikationskanal mit dem russischen Militär habe "in den vergangenen acht Monaten sehr gut funktioniert", sagte der Generalstabschef der US-Streitkräfte, Joe Dunford laut AFP. Deshalb solle in den kommenden Stunden auf diplomatischer und militärischer Ebene darauf hingewirkt werden, diesen Kanal wieder zu eröffnen.

Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte zuvor angekündigt, dass nun "alle Flugobjekte, einschließlich Flugzeuge und Drohnen der internationalen Koalition", die westlich des Euphrat-Flusses entdeckt würden, von der russischen Flugabwehr und Luftwaffe verfolgt und als "Ziele" betrachtet würden.

In der Nacht vom 18. zum 19. Juni 2017 kam es im Süden von Tabkah in der Provinz Rakka zu Gefechten zwischen der syrischen Armee und den Kurden-Milizen der SDF, die von den USA unterstützt werden. Wenige Stunden vor Ausbruch der Kämpfe zwischen Kurden und syrischen Truppen hatte die US-Luftwaffe erstmals einen syrischen Kampfjet des Typs Su-22 abgeschossen, berichtet die New York Times. Der Abschuss erfolgte unter Einsatz einer F/A-18 Super Hornet in Rasafah südwestlich von Rakka. Der syrische Kampfjet war im Einsatz gegen die Terror-Miliz ISIS. Nach dem Abschuss waren syrische Truppen nach Rasafah vorgedrungen, um den Piloten des abgeschossenen Jets zu bergen, als die von den SDF-Einheiten angegriffen wurden.

Die Pressestelle der kurdischen PYD-Partei bestätigte die Gefechte. Das syrische Verteidigungsministerium meldete am Sonntag in einer Mitteilung: „Dieser Angriff kommt zu einer Zeit, in der die syrische arabische Armee und ihre Verbündeten im Kampf gegen die ISIS-Terroristen vorankommen und sie in der syrischen Wüste in mehr als einer Hinsicht besiegen“. Ein Sprecher des Pentagons sagte der Washington Post, dass das russische Verteidigungsministerium vor der Aktion gegen die syrische Luftwaffe im Rahmen des Syrien-Memorandums informiert wurde, um eine Eskalation zu verhindern.

Doch das russische Verteidigungsministerium setzte am Montag seine Kooperation mit dem Pentagon in Syrien aus, berichtet die Tass. Das Ministerium meldet in einer Mitteilung: „Das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation setzt ab dem 19. Juni die Kooperation mit der amerikanischen Seite im Rahmen des Memorandums über die Vorbeugung von Vorfällen und die Gewährleistung der Flugsicherheit im Laufe der Operationen in Syrien aus und fordert eine gründliche Ermittlung durch die amerikanische Führung.“

Wiederholte Kampfhandlungen der US-Luftwaffe im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes gegen die legitimen Streitkräfte eines UN-Mitgliedstaates seien eine scharfe Verletzung des internationalen Rechts, so das russische Verteidigungsministerium.

Einem Bericht des Washington Institute for Near East Policy (WINEP) zufolge ist eine direkte Konfrontation zwischen der US-Koalition und syrischen Truppen nicht mehr auszuschließen und sogar sehr wahrscheinlich.

Im Dezember 2015 veröffentlichte der US-Informationsdienst Geopolitical Futures (GPF) eine detaillierte Studie der Terror-Miliz ISIS als territoriale Einheit, nicht als terroristische Gruppe oder ideologische Bewegung. Der geografische Kern von ISIS wurde als ein dünner, aber stark bevölkerter Bereich auf beiden Seiten des Euphrat-Flusses identifiziert, der sich von Rakka bis zur Stadt Deir El Zour erstreckte. Die Verteidigung dieses Kerns war das primäre geopolitische Prinzip von ISIS.

Die Terror-Miliz läuft nun Gefahr, die Kontrolle über dieses Gebiet zu verlieren. Der Bericht von GPF identifizierte vier Hauptzugänge für das Kerngebiet von ISIS. Die von den USA unterstützen Kurden-Milizen der SDF wählten den vierten Hauptzugang, wonach sie sich südlich von Tal Abyad in die ISIS-Hauptstadt Rakka bewegten, um einen Frontalangriff auszuführen. Die SDF-Einheiten versammelten sich im Norden, Osten und Westen von Rakka, wobei die Autobahn M4, die geografisch vom Südosten von Rakka direkt nach Deir El Zour führt, den ISIS-Einheiten offenstand. ISIS könnte diese Autobahn nutzen, um sich in den Südosten Syriens bis an die irakische Grenze zurückzuziehen.

Zuvor hatten waren Kurden-Milizen nach Angaben des Pentagons mit ISIS in Kontakt getreten, um die Einheiten der Terror-Miliz vom Rückzug aus Rakka zu überzeugen. Auf Nachfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten, ob das Pentagon tatsächlich Verhandlungen mit ISIS in Syrien führe, sagte US-Major Adrian Rankine-Galloway: „Das Verteidigungsministerium engagiert sich bei der Vernichtung von ISIS. Koalitionskräfte verhandeln nicht mit ISIS. Unter bestimmten Umständen haben unsere partnerschaftlichen syrischen Kräfte am Boden mit ISIS Verhandlungen geführt, um den Abzug von ISIS zu ermöglichen und den Verlust zivilen Lebens und die Zerstörung der lokalen Infrastruktur zu verringern. Die Koalitionskräfte haben in diesen Gesprächen keine Rolle gespielt.“

Nach Angaben von GPF kann die SDF Rakka nicht alleine einnehmen – zumindest nicht ohne unermessliche Schwierigkeiten. Doch die von Russland unterstützen syrischen Verbände rückten von Nordwesten, Westen und Südwesten auf die Stadt vor. Die Kombination der beiden Kräfte kann die Umzingelung von Rakka vervollständigen, um die ISIS-Einheiten in Rakka vom Rest des ISIS-Territoriums abzuschneiden.

Die syrische Armee nahm am 4. Juni 2017 Maskanah ein und blieb in der Offensive, um hinterher zwei weitere Dörfer in der Provinz Rakka einzunehmen. Am 6. Juni 2017 zwang die syrische Armee ISIS, sich von den Gebieten im östlichen Teil der Provinz Hama zurückzuziehen. Und in den vergangenen Wochen haben sich syrische Armeeverbände langsam auf die Autobahn M20 zubewegt, die östlich von Palmyra nach Deir El Zour führt. Diese Verbände haben sich im Mai 2017 im Umfang einer Strecke von 32,2 Kilometer auf die M20 bewegt. Doch derzeit sind sie immer noch etwa 161 Kilometer von Deir El Zour entfernt.

Der Iran hat nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim Raketen auf Stellungen von ISIS-Kämpfern in Syrien abgefeuert, die verantwortlich für die Anschläge in Teheran sein sollen.

Die Revolutionsgarden Pasdaran hätten am Sonntagabend militante Gruppen in der Region Deir El Zour in Ost-Syrien angegriffen. Dabei sei „eine große Zahl“ ISIS-Kämpfer ums Leben bekommen und deren Waffen und Ausrüstung zerstört worden. Bei Anschlägen auf das iranische Parlament und das Grabmal von Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini waren in der vergangenen Woche 18 Menschen getötet worden. Die Terror-Miliz ISIS reklamierte die Attentate für sich. Es war der erste große Anschlag der sunnitischen Extremisten im schiitisch geprägten Iran. Der Iran plant, einen Landkorridor über den Iran und Syrien ans Mittelmeer zu schaffen. Die USA, Israel und Saudi-Arabien sind gegen diesen Plan.

Das entstandene Chaos in Syrien und die unübersichtliche Gefechtslage macht es zunehmend schwierig für den Iran, einen sicheren Korridor bis ans Mittelmeer zu ziehen. Für die Regierungen Teherans und des Iraks steht fest, dass das Truppenaufgebot der USA in Syrien und ihre Kooperation mit den Kurden dazu dient, die Iraner abzuschrecken und ihre Ambitionen zu vereiteln.

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