Politik

Martin Kušej wird neuer Burgtheater-Direktor in Wien

Lesezeit: 2 min
01.07.2017 00:50
Überraschend mutige Ernennung in Wien: Martin Kušej wird neuer Burgtheater-Direktor.

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Der Österreicher Martin Kušej will als künftiger Intendant das Wiener Burgtheater deutlicher auf das aktuelle Weltgeschehen ausrichten. «Es ist in der Tat Zeit, wieder politisch zu werden», sagte der 56-Jährige am Freitag in Wien nach seiner offiziellen Ernennung. «Wir erleben gerade einen weltweiten Siegeszug von Dummheit und Ignoranz», meinte Kušej. Das Theater könne als Ort des Nachdenkens und der Seelenbildung ein Gegenpol dazu sein, meinte der Österreicher, der aktuell Intendant des Münchner Residenztheaters ist. Kušej wird in der Spielzeit 2019/2020 die Nachfolge der scheidenden Direktorin Karin Bergmann antreten.

Mit Kušej holt das Burgtheater einen Regisseur und Intendanten, der in seiner gesamten Karriere stets unbequem und unangepasst agiert hat. Schon zu Beginn seiner Karriere hatte der Kärntner Slowene bei der Aufführung einer Collage zur Kärntner Geschichte fast einen Landesverweis kassiert, weil er sich schonungslos gegen die damals vorherrschenden, dumpf-nationalistischen Töne im Land positioniert hatte. Auch bei den Salzburger Festspielen verhalf er einem intelligenten Regie-Theater zum Durchbruch. Als Opernregisseur führte er die Oper in Stuttgart zu überregionaler Bedeutung. Mit seinen Inszenierungen war er unter anderem zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Kušej steht für eine selten gewordene Mischung aus Werktreue, Innovation und Perfektion.

Er dürfte allerdings in der nach einem Finanzskandal in die Krise geratenen Burg zwar auch auf Widerstände stoßen. Allerdings ist Kušej ein penibler Rechner bei seinen Inszenierungen, weshalb das Theater in wirtschaftlicher Hinsicht auf eine Phase der Konsolidierung trotz des hohen künstlerischen Anspruchs hoffen kann. Kušej bezog sich bei seiner Vorstellung auf die Kalamitäten der Vergangenheit und sagte, er könne Bilanzen lesen und wisse immer, wieviel Geld da sei. Und: «Sie können davon ausgehen, dass ich nicht so bekloppt bin, mich hier zu bereichern nach dem, was hier passiert ist. Trotzdem können wir auch einmal – ich sage es provokant – sinnlos blöd Geld ausgeben, weil wir es einfach wollen. Wir müssen es halt nur woanders wieder einnehmen.» Das Burgtheater sei in eine gewisse Stagnation verfallen, aus der er das Theater wieder holen wolle.

«Ich freue mich, dass der wichtigste Regisseur des Landes das wichtigste Theater des Landes übernehmen wird», sagte Österreichs Kulturminister Thomas Drozda. «Es fühlt sich richtig an, es fühlt sich gut an.» Bergmann, die auf eigenen Wunsch ausscheidet, habe das Haus mit sehr guter, ruhiger und professioneller Hand geführt. Bergmann war 2014 in einer schlimmen Finanzkrise des Burgtheaters Direktorin geworden. Mit einem Spar- und Aktionsplan war es ihr gelungen, das Haus wieder solider aufzustellen.

«Ich stehe für Veränderung, Irritation und Aufregung», kündigte Kušej gleich zu Beginn einen Kurs an, der möglicherweise nicht bei jedem Burgtheater-Besucher auf Gegenliebe stoßen wird. Angesichts eines multikulturellen Umfelds sei es auch nicht mehr zeitgemäß, wenn Deutsch die einzige Sprache auf der Bühne speziell im vielsprachigen Wien sei. Hier sei eine Öffnung des Hauses angezeigt, meinte Kušej.

Grundsätzlich glaube er, dass auch für junge Menschen die analoge Welt des Theaters, wo echte Schauspieler noch richtig schwitzten, ihren Reiz habe. Jedenfalls wolle er ähnlich wie in München mit einem Familienstück Tausende von Kindern und Jugendlichen ins Haus locken. Im Zentrum müsse der Schauspieler stehen. Er lege «ein klares Bekenntnis zum Schauspieler- und Ensembletheater ab.»

Der Abschied aus München, wo Kušej seit 2011 wirkt, falle ihm nicht leicht. «So einfach ist es nicht, dort wegzugehen.» Es sei vielleicht sogar eine blöde Entscheidung. «Es ist sehr paradiesisch in München.» Aber man müsse sich vor allem dann neuen Herausforderungen stellen, wenn es richtig gut laufe.


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