Keine weitere Stromsteuersenkung für Verbraucher
Stromsteuer, Rente, Bürgergeld – um hohe Summen sollte es gehen beim zweiten Koalitionsausschuss. Nach rund fünf Stunden lag das Ergebnis vor. Harte Kritik ließ nicht lange auf sich warten.
Die Stromsteuer soll vorerst für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht so deutlich gesenkt werden wie ursprünglich zugesagt. Eine entsprechende Einigung erzielten die Spitzen von Union und SPD bei ihrem zweiten Treffen im Koalitionsausschuss nicht.
Im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Rot zugesagt: "Für schnelle Entlastungen um mindestens fünf Cent pro kWh (Kilowattstunde) werden wir in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle so schnell wie möglich auf das europäische Mindestmaß senken und die Übertragungsnetzentgelte reduzieren." Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sprach nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt von einem "fatalen Signal".
Harsche Kritik von Wirtschaftsverbänden an Stromsteuer-Entscheidung
Wirtschaftsverbände haben die unterbliebene Stromsteuersenkung für alle Unternehmen scharf kritisiert. "Wenn zentrale, mehrfach zugesagte Entlastungen nicht kommen, während gleichzeitig teure politische Projekte umgesetzt werden, gerät bei den Betrieben das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischen Handelns insgesamt ins Wanken", sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).
Der Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE), Alexander von Preen, monierte, auf das Wort der Bundesregierung sei offenbar kein Verlass. "Wenn nicht einmal ein zentrales Entlastungsversprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst wird, sehe ich schwarz für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland."
DIHK-Präsident Peter Adrian bezeichnete die Entscheidung als "fatales Signal an die Wirtschaft zur falschen Zeit". "In kaum einem anderen Land müssen Unternehmen so viel für Strom zahlen wie in Deutschland. Wir brauchen deshalb dringend eine Entlastung bei den Energiekosten für die ganze Breite der deutschen Wirtschaft", sagte er.
Entlastung nur für bestimmte Branchen
Die Spitzen von Union und SPD hatten bei ihrem Treffen am Mittwochabend vorerst keine Einigung über eine weitergehende Senkung der Stromsteuer erzielt. Wie es in einem Ergebnispapier des Koalitionsausschusses heißt, sollen Entlastungsschritte – vor allem für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die gesamte Wirtschaft – folgen, sobald "hierfür finanzielle Spielräume bestehen".
Bisher ist lediglich eine Entlastung bei der Stromsteuer für die Industrie sowie die Land- und Forstwirtschaft vorgesehen. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD angekündigt: "Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten." Allerdings stehen sämtliche Vorhaben im Vertrag unter Finanzierungsvorbehalt.
Steuerzahlerbund: "Glasklarer Wortbruch"
Der Verbraucherzentrale Bundesverband mahnte, auch Verbraucher benötigten spürbare Entlastungen. "Doch auch nach tagelangem Streit konnte sich die Koalition nicht durchringen, die Stromsteuer für alle zu senken und damit die privaten Haushalte zu entlasten", sagte Vorständin Ramona Pop.
Der Steuerzahlerbund sprach von einem "glasklaren Wortbruch". "Wenn es aber um die Entlastung aller Bürger geht, erinnert sich die Koalition plötzlich an den klammen Bundeshaushalt und verwehrt diese", sagte Präsident Reiner Holznagel der "Rheinischen Post".
Mütterrente kommt früher
Eine Entscheidung gab es hingegen zur Ausweitung der Mütterrente. Diese soll zum 1. Januar 2027 umgesetzt werden und somit ein Jahr früher als zunächst vorgesehen. Bei dem von der CSU geforderten Projekt soll die anerkannte Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung künftig auch für vor 1992 geborene Kinder verlängert werden.
Exportverband: "Überflüssige Rentengeschenke"
Harsche Kritik an den Beschlüssen kam ebenfalls vom Exportverband BGA. "Für überflüssige Rentengeschenke gibt es genug Geld. Für die signifikante Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleibt zu wenig übrig", sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Alle nicht-industriellen Branchen, darunter der Großhandel, gingen bei den Entlastungen weitgehend leer aus.
Mütterrente wird vorgezogen
Früher als zunächst geplant soll hingegen die ausgeweitete Mütterrente kommen – und bei technischen Verzögerungen rückwirkend gezahlt werden. Dieser Fahrplan ist neu.
Kritik wegen hoher Lebenshaltungskosten
Engelmeier beanstandete, dass die Koalition die Stromsteuer vorerst nur für die Industrie senken will, aber nicht auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. "Gerade in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten brauchen sie spürbare Entlastungen", sagte Engelmeier.
Wie es in einem Ergebnispapier nach rund fünfstündigen Beratungen bei Kanzler Friedrich Merz (CDU) heißt, sollen weitere Entlastungsschritte zwar folgen – vor allem für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die gesamte Wirtschaft. Aber eine entscheidende Einschränkung nennen die Koalitionäre: Finanzielle Spielräume müssten dafür bestehen.
Mütterrente bereits 2027
Die ausgeweitete Mütterrente soll bereits zum 1. Januar 2027 starten – und damit ein Jahr früher als zunächst geplant. "Sofern eine technische Umsetzung erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist, wird die Mütterrente rückwirkend gezahlt", heißt es im Ergebnispapier von Union und SPD.
Die Rentenversicherung hatte den Mitgliedern des Gremiums zuletzt schriftlich mitgeteilt, dass eine Umsetzung wegen umfassender individueller Anspruchsprüfungen erst Anfang 2028 möglich sei. Bei der ausgeweiteten Mütterrente – einem von der CSU geforderten Projekt – soll die anerkannte Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung künftig auch für vor 1992 geborene Kinder verlängert werden.
Umfassendes Rentenpaket
"Die Komponenten Verlängerung der Haltelinie für das Rentenniveau sowie Mütterrente werden mit dem vorliegenden Rentenpaket 2025 als erster Schritt umgesetzt", bekräftigen die Koalitionäre. Bundessozialministerin Bärbel Bas, die als SPD-Chefin zum ersten Mal beim Koalitionsausschuss dabei war, hatte bereits einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Das Absicherungsniveau der Rente soll bis 2031 bei 48 Prozent stabilisiert werden. Die Renten sollen dadurch nicht hinter der Lohnentwicklung in Deutschland zurückfallen. Bas rechnet mit steigenden Kosten für das gesamte erste Rentenpaket auf 11,2 Milliarden Euro bis 2031.
Zudem bekräftigen die Koalitionäre ihre weiteren Rentenpläne: "Der zweite Teil des Rentenpakets bestehend aus Aktivrente, Frühstartrente sowie Betriebsrentenstärkungsgesetz wird im Herbst im Kabinett beschlossen und soll (mit Ausnahme der Frühstartrente) zum 01. Januar 2026 umgesetzt werden."
Energie-Beschlüsse bekräftigt
Beim Thema Energie verweisen Union und SPD insgesamt auf die Beschlüsse des Kabinetts von vergangener Woche. Das Kabinett hatte Entlastungen zum 1. Januar bei den Netzentgelten sowie die Abschaffung der Gasspeicherumlage für Gaskunden auf den Weg gebracht. Bei der Stromsteuer soll die Senkung für die Industrie, Land- und Forstwirtschaft "verstetigt" werden. Offen geblieben war bis zuletzt, wie eine Senkung der Stromsteuer für alle Betriebe und Verbraucher finanziert werden kann – das würde laut Finanzministerium 2026 rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Merz hatte vor dem Treffen in einem Interview gesagt: "Wenn wir mehr tun können für die privaten Haushalte, dann werden wir das tun."
Beschlossene Entlastungen
Im Ergebnispapier rechnen Union und SPD vor, was der bestehende Kabinettsbeschluss an Entlastungen bringt: In der Jahreswirkung kommen sie auf eine Entlastung von rund 10 Milliarden Euro für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wirtschaft. Alle Verbraucher würden um bis zu drei Cent pro kWh entlastet. Für eine vierköpfige Familie seien das bis zu 100 Euro pro Jahr. Laut Koalitionsvertrag sollen es fünf Cent pro kWh sein.
Verband erinnert Merz an Subventionen
SoVD-Chefin Engelmeier sagte: "Wenn Bundeskanzler Merz sagt, es gehe nicht mehr, weil das Geld fehle, sei daran erinnert: Klimaschädliche Subventionen wie Diesel- und Dienstwagenprivilegien kosten den Staat jedes Jahr rund 23,5 Milliarden Euro." Sie forderte: "Hier könnte man ansetzen, statt erneut die Menschen mit kleinen Einkommen im Stich zu lassen."