Politik

Flüchtlinge aus Italien: Österreich verlegt Soldaten an Brenner-Grenze

Wegen steigender Flüchtlingszahlen in Italien verlegt Österreich Soldaten an die Brenner-Grenze.
04.07.2017 11:43
Lesezeit: 2 min

Nach Monaten relativer Ruhe ist die Flüchtlingskrise in der EU zurück: Österreich bereitete am Dienstag wegen der hohen Ankunftszahlen in Italien die Sperrung des Brenners vor, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will dabei auch Soldaten einsetzen, um Flüchtlinge an der Weiterreise nach Norden zu hindern. Die italienische Regierung bestellte wegen der Ankündigung den österreichischen Botschafter in Rom ein.

Er erwarte „sehr zeitnah“ Grenzkontrollen am Brenner-Pass, sagte Doskozil der Kronen-Zeitung. Er halte dabei einen „Assistenzeinsatz“ des österreichischen Bundesheeres „für unabdingbar, wenn der Zustrom nach Italien nicht geringer wird“. Für den Einsatz zur Grenzsicherung sind dem Bericht zufolge 750 Soldaten verfügbar. Bereits am Wochenende hatte das österreichische Verteidigungsministerium vier gepanzerte Fahrzeuge in das Grenzgebiet verlegen lassen.

Österreich wolle im Fall eines Flüchtlingszustroms die Brenner-Grenze „schützen“, sagte auch der konservative Außenminister Sebastian Kurz am Dienstag laut österreichischer Nachrichtenagentur APA. Die nun laufenden Vorbereitungen seien notwendig. Kurz sah Handlungsbedarf seitens der EU und Italiens. Ziel müsse die Schließung der Mittelmeer-Route sein.

Wiens Botschafter sei „nach den Erklärungen der österreichischen Regierung zur Stationierung von Truppen am Brenner-Pass“ eingestellt worden, teilte das italienische Außenministerium mit. Österreich hat Italien schon mehrfach gedroht, Grenzkontrollen am Brenner wegen der Flüchtlingskrise einzuführen. Das Land war vergangenes Jahr auch treibende Kraft bei der Schließung der Westbalkanroute, um über Griechenland eingereiste Flüchtlinge an der Weiterreise zu hindern.

In diesem Jahr sind bereits mehr als 100.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa geflohen, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte. Demnach waren es im Vorjahreszeitraum, als die meisten Migranten über Griechenland kamen, aber mehr als doppelt so viele gewesen.

Doch die Lage in Italien hat sich zuletzt so stark verschärft, dass sich das Land an der Kapazitätsgrenze sieht. Binnen einer Woche kamen dort mehr als 12.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer an. Seit Jahresbeginn sind es mittlerweile 83.650, fast ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum. Das italienische Rote Kreuz bezeichnet die Lage in Aufnahmezentren im Süden des Landes inzwischen als kritisch. Bisher gibt es allerdings keine Anzeichen für eine massive Weiterreise von Flüchtlingen Richtung Nordeuropa.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller warnte kürzlich vor einer erheblichen Fluchtbewegung aus Afrika. „Wenn wir es nicht schaffen, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, werden in Zukunft bis zu 100 Millionen Menschen Richtung Norden wandern“, sagte der CSU-Politiker. Vor allem in Afrika entscheide sich demnach die Zukunft der Welt. Müllers Plan sieht deswegen umfangreiche Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent vor - eine Strategie, die von erfahrenen Entwicklungshelfern abgelehnt wird.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos sprach mit Blick auf Italien von einer „unhaltbaren Situation“. „Wir können Italien nicht alleine lassen“, sagte er der französischen Zeitung Le Figaro. Beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in der estnischen Hauptstadt Tallinn müsse es „konkrete Antworten“ geben. Deutschland und Frankreich hatten Italien nach der Drohung, seine Häfen für Flüchtlingsboote zu schließen, Unterstützung zugesagt. Zusammen mit Avramopoulos erarbeiteten die drei Länder am Sonntag einen Sechs-Punkte-Plan, über den am Donnerstag in Tallinn beraten werden soll.

Darin tauchte allerdings die Forderung des italienischen Innenministers Marco Minniti, Flüchtlingsboote in andere EU-Staaten umzuleiten, nicht auf. Wirklich neu ist nur ein „Verhaltenskodex“ für Hilfsorganisationen, die mit eigenen Booten Flüchtlinge vor der Küste Libyens retten. Einzelne EU-Regierungen werfen ihnen vor, damit das Geschäft von Schlepperbanden zumindest zu erleichtern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...