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Neuer Chef der Vatikan-Bank hat Wurzeln in der deutschen Rüstungsindustrie

Lesezeit: 4 min
16.02.2013 01:37
Der neue Chef der Vatikan-Bank, Ernst von Freyberg, bleibt neben seinem neuen Job weiter Aufsichtsratsvorsitzender von Blohm + Voss. Die Firma baut im Auftrag des Verteidigungsministeriums vier Fregatten. Seine Mutter ist Erbin der Familie Blohm. Das Familienvermögen hat von den deutschen Rüstungsgeschäften profitiert. Bisher war es für den Vatikan ein Tabu, sich offiziell zu nahe an die Rüstungsindustrie zu wagen.
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Es war ein unangenehmer Moment für den Vatikan-Sprecher Pater Lombardi: Als er am Freitag bei der Bekanntgabe der Ernennung des deutschen Private Equity-Managers Ernst von Freyberg zum obersten Vatikan-Banker gefragt wurde, wie es sich denn vertrage, dass ein Mann der Rüstungsindustrie nun die Vatikan-Bank IOR leiten solle, stutzte der Pressesprecher. Erst als ihm hastig ein Zettel gereicht wurde, konnte er aufatmen: Von Freyberg sei zwar Aufsichtsrats-Vorsitzender bei der Hamburger Schiffswerft Blohm + Voss. Aber der militärische Teil sei schon längst verkauft, die Blohm + Voss Gruppe sei reiner Hersteller von zivilen Schiffen.

Das ist nur die halbe Wahrheit: Wie ein Sprecher von Blohm + Voss später einräumen musste, baut der fragliche Teil von Blohm + Voss noch vier Fregatten im Auftrag des Bundesverteidigungs-Ministeriums. Dies sei ein Erbe der Konzern-Zugehörigkeit zu ThyssenKrupp, wo heute die Waffenproduktion angesiedelt ist. Im Übrigen seien die Fregatten ja quasi zivile Schiffe – man brauche sie nur für „asymetrische“ Kriege gegen Terroristen und Piraten. Blohm + Voss erstellt für ThyssenKrupp Komponenten, vor allem Wellendichtungen, für die Fregatten. Der italienische Blog Il Sismografo berichtet, dass Blohm + Voss nach der Fertigstellung zu 100 Prozent der zivilen Schifffahrt dienen werde.

Ein Thema, das der Vatikan geflissentlich verschwieg: Die Familie Freyberg dürfte in den vergangenen Jahrzehnten massiv von den deutsche Rüstungsgeschäften profitiert haben, die von Blohm + Voss ausgeführt wurden. Von Freybergs Mutter ist nämlich eine der Erbinnen der Blohm Familie. Als Brita Gertrud Blohm geboren, hielt sie noch 1995 Gesellschaftsanteile an Blohm + Voss. Dies geht aus dem Buch „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“ aus dem Jahr1998 hervor. Dort steht unter dem Kapitel „Die alte und neue Unternehmensstruktur“: „Aussenstehende Aktionäre: Hierbei handelt es sich hauptsächlich um die Erben der Familie Blohm. Die höchsten Anteile halten Freifrau von Werthern (Hamburg) und Brita Freifrau von Freyberg (Allmendingen).“

Brita Gertrud Blohm hatte Ulrich von Freyberg-Eisenberg-Allmendingen geheiratet. Ernst, der neue Banker Gottes, ist der älteste von drei Söhnen der Adelsfamilie. Einer der Vorfahren der Freybergs war im Zweiten Weltkrieg an Bord eines U-Boots der Firma Blohm + Voss gefallen, welches 1943 von den Alliierten im Nordatlantik versenkt wurde. Blohm + Voss hatte von den Aufträgen der Nationalsozialisten massiv profitiert, das Unternehmen beschäftigte auch Zwangsarbeiter, wie Andreas Meyhoff in seinem Buch „Blohm & Voss im Dritten Reich“ erläutert. Nach dem Krieg hat sich das Unternehmen offensiv mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt und zahlt mittlerweile auch jährliche Entschädigungen in den Fonds für Zwangsarbeiter.

Wann und ob die Familie ihre Blohm + Voss-Anteile an ThyssenKrupp verkauft hat, ist unklar. In einem britischen M&A-Bericht steht ThyssenKrupp als „Eigentümer“ von Blohm + Voss. Reuters dagegen berichtete bei der Übernahme, dass Star Capital „einen Mehrheits-Anteil“ am Unternehmen erwerben werde. Es ist denkbar, dass die Familie von Freyberg weiter als Minderheitsgesellschafter vertreten ist – und daher in erheblichem Maß von allen weiteren Transaktionen profitieren könnte. Eine Bestätigung dafür war am Freitag von Star Capital nicht zu erhalten.

Ernst von Freyberg hat mit der Rüstungsindustrie direkt nichts mehr zu tun – außer, dass er als Erbe seiner Mutter von den über die Jahrzehnte  angefallenen Gewinnen ebenfalls profitieren dürfte.

Ironischerweise hat Freyberg jedoch vor allem am Niedergang der Firma Blohm + Voss gutes Geld verdient. Er war mit seiner Firma DC Advisory der Berater für den britischen Finanzinvestor Star Capital Partners. Star Capital kaufte 2011 von ThyssenKrupp die zivile Sparte der ThyssenKrupp Marine Systems: Die Blohm + Voss Industries, bei dem die Fregatten gefertigt werden; die Blohm + Voss Repair, die Blohm + Voss Oil Tools und die Blohm + Voss Shipyards. Als der Finanzinvestor das Unternehmen übernahm, arbeiteten hauptsächlich in Hamburg 1.500 Mitarbeiter und erwirtschafteten einen Umsatz von etwa 400 Millionen Euro.

Von Freyberg wurde zum Aufsichtsratsvorsitzenden bestellt und durfte sich neben seinem Gehalt auch über einen Anteil am Unternehmen freuen. Schon zuvor hatte von Freyberg als stellvertretender Aufsichtsrat der Blohm + Voss Holdings AG gewirkt. Er hat also das Unternehmen in die Hände der Briten gelotst.

Wie bei Finanzinvestoren üblich, versprach Star Capital-Chef Tony Mallin: „Wir freuen uns, dass wir ein Weltklasse-Unternehmen der deutschen Ingenieur-Branche gekauft zu haben. Es ist eines, bei dem wir zu investieren gedenken, indem wir eine Verpflichtung übernehmen, Kapital in das Unternehmen zu stecken, das Wachstum voranzutreiben und Jobs zu schaffen.“

Was nach einem langfristigen Engagement aussah, war schon ein Jahr später hinfällig: Just am Tag (ein Zufall?), an dem von Freyberg zum obersten Papst-Banker ernannt wurde, gab Star Capital bekannt, dass die Maschinenbau-Sparte von Blohm + Voss an die schwedische SKF-Gruppe verkauft wird. 400 Mitarbeiter und ein Umsatz von 80 Millionen Euro wandern in das Portfolio eines Konkurrenten. Der Hamburger Bürgermeister akklamierte dem Verkauf, auch der Management begrüßte den abermaligen Eigentümerwechsel, wenngleich mit etwas Pfeifen im Walde: Die Schweden hätten den Deutschen versichert, dass es keinen Abbau von Arbeitsplätzen geben werde. Eine Zusage, die wegen der sehr schwierigen Lage im weltweiten Schiffsbau vermutlich keine allzu lange Halbwertszeit haben dürfte.

Die Tätigkeit von Ernst von Freyberg bei Blohm + Voss besteht also darin, dass er in guter Finanzinvestoren-Manier ein Unternehmen gekauft hat, um es anschließend zu filetieren. Daher ist zu erwarten, dass auch die weiteren Teile von Blohm + Voss demnächst über den Ladentisch gehen.

Ernst von Freyberg wird neben seiner Tätigkeit als Gottes oberster Banker dafür genug Zeit haben, um die Transaktionen zu begleiten: In der Vatikan-Bank wird er nämlich nur als „Teilzeit-Chef“ agieren, wie die Zeitung La Stampa ironisch anmerkt. Nur drei Tage will von Freyberg in Rom dienen, den Rest der Woche kümmert er sich um seine bisherigen Geschäfte.

Außerdem wird sich der 55-Jährige auch weiter um seine junge Familie kümmern: Er hatte erst 2011 die Französin Elisabeth Montagne geheiratet, was wiederum seiner Gemeinde Allmendingen zum Vorteil gereichte: Er spendete der Gemeinde, für die Bürgermeister Robert Rewitz höchstpersönlich als Standesbeamter fungierte, 5.000 Euro für den deutsch-französischen Jugendaustausch.

Von Freyberg bringt also für den Job im Vatikan die idealen Voraussetzungen mit: Er ist geschäftstüchtig und ein wohltätig. Die für von Skandalen erschütterte Vatikanbank dringend notwendige Transparenz sollte er allerdings bald seinem Portfolio hinzufügen, wenn er den hohen Erwartungen von Papst Benedikt XVI. auf eine grundlegende Reform der Vatikan-Finanzen gerecht werden will. Es wird nicht immer ein erhellender Zettel zur Hand sein, wenn unangenehme Fragen gestellt werden.


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