Politik

Bundesregierung schickt deutliche Warnungen an Türkei

Die Bundesregierung schickt deutliche Warnungen an die Türkei. Ihr Strategie gegenüber dem Land will sie ändern.
20.07.2017 12:03
Lesezeit: 3 min

Die Bundesregierung warnt die türkische Regierung mit deutlichen Botschaften. Nach den Worten von Außenminister Sigmar Gabriel sieht sie beispielsweise nicht mehr, wie sie deutsche Unternehmensinvestitionen in der Türkei garantieren kann, berichtet Reuters. Die Hermes-Bürgschaften für Türkei-Geschäfte müssten überprüft werden, sagte Gabriel am Donnerstag in Berlin an. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass die EU-Verhandlungen mit der Türkei über eine Zollunion ausgeweitet werden könnten.

Die Bundesregierung hat zudem ihre Sicherheitshinweise für Reisen in die Türkei deutlich verschärft. Jedermann könne wie der verhaftete Menschenrechtler Peter Steudtner unter den Verdacht der Unterstützung von Terrororganisationen geraten, sagte Außenminister Gabriel. „Völlig unbescholtene deutsche Staatsbürger können davon erfasst werden.“ Deswegen seien die Reisehinweise für die Türkei von einzelnen Personengruppen auf alle Deutschen ausgeweitet worden. Türkeireisenden werde zudem empfohlen, sich bei der Botschaft oder Konsulaten registrieren zu lassen. Gabriel bekräftigte, die gegen Steudtner erhobenen Vorwürfe seien an den Haaren herbeigezogen.

Reuters zitiert aus den neuen Reisebestimmungen:

„Personen, die aus privaten oder geschäftlichen Gründen in die Türkei reisen, wird zu erhöhter Vorsicht geraten und empfohlen, sich auch bei kurzzeitigen Aufenthalten in die Listen für Deutsche im Ausland bei Konsulaten und der Botschaft einzutragen. Die Auslandsvertretungen werden bei Festnahmen deutscher Staatsangehöriger nicht immer rechtzeitig unterrichtet, der Zugang für die konsularische Betreuung wird nicht in allen Fällen gewährt.

... In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass ungeachtet des gesetzlichen Anspruchs deutscher Staatsangehöriger auf konsularischen Rat und Beistand, konsularischer Schutz gegenüber hoheitlichen Maßnahmen der türkischen Regierung und ihrer Behörden nicht in jedem Fall gewährt werden kann, wenn der oder die Betroffene auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt.“

Angesicht der seit Monaten zunehmenden Spannungen kündigte er eine Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik an. Dies sei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgesprochen, sagte Gabriel. „Wir erwarten eine Rückkehr zu europäischen Werten“, forderte Gabriel.

Gestern war bereits der türkische Botschafter einbestellt worden. Dem Botschafter seien „ohne diplomatische Floskeln“ die Empörung der Bundesregierung „und die damit verbundenen glasklaren Erwartungen“ übermittelt worden, sagte Außenamts-Sprecher Martin Schäfer lauf AFP. „Die Bundesregierung fordert die unverzügliche Freilassung von Peter Steudtner und sofortigen ungehinderten konsularischen Zugang“, fügte er hinzu. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan wisse nun, „dass es uns ernst ist“. Die Terrorismusvorwürfe gegen die Inhaftierten seien „an den Haaren herbeigezogen“.

"Die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin persönlich verurteilt die Inhaftierung unseres Landsmanns Peter Steudtner scharf", sagte auch Regierungssprecher Steffen Seibert. Die gegen Steudtner und die anderen Menschenrechtsaktivisten erhobenen Vorwürfe seien „ein durchschaubarer Versuch, Andersdenkende zu diskreditieren“. Merkel werde mit Gabriel „alle weiteren Maßnahmen“ absprechen.

Zu Forderungen aus deutschen Parteien, EU-Gelder für die Türkei zu kürzen, sagte Seibert, es werde hier „im zweiten Halbjahr 2017 eine Überprüfung geben“. Ziel der Mittel sei unter anderem die Stärkung der Demokratie in der Türkei. Daher müsse man sich nun „fragen, ob diese Hilfen ihr Ziel auch erreichen können“. Insgesamt sollte die Türkei im Rahmen des noch laufenden EU-Beitrittsverfahrens bis 2020 knapp 4,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt erhalten, von denen aber bisher nur ein kleiner Teil gezahlt wurde.

Seibert sagte aber auch: „Eine Abwendung der Türkei von Europa liegt weder im deutschen noch im europäischen Interesse.“ Auch das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei stellte er nicht in Frage, denn dieses liege im beiderseitigen Interesse.

Schäfer wies darauf hin, dass die Inhaftierung Steudtners nur der letzte einer ganzen Reihe von Fällen sei, die „einer gedeihlichen Entwicklung der deutsch-türkischen Beziehungen im Wege stehen“. Mit Blick auf die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel warf Schäfer der türkischen Justiz vor, „offenbar auf politische Anweisung aus der türkischen Regierung“ hin zu handeln.

Die Bundesregierung habe „immer wieder darauf gesetzt, dass die Türkei ein Partner Europas und Deutschlands bleiben will“, sagte der Außenamts-Sprecher weiter. "Darum haben wir sehr viel Geduld gehabt". Wenn jedoch die Türkei „fest entschlossen ist, den Weg nach Osten zu gehen und alle Brücken abzubrechen, dann werden wir das nicht verhindern können“.

Für eine härtere Gangart von Bundesregierung und EU gegenüber der Türkei sprach sich auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz aus. „Deutsche Staatsbürger laufen in der Türkei Gefahr, zu Geiseln der Politik von Präsident Erdogan zu werden“, sagte er der Bild-Zeitung.

Die Wochenzeitung Die Zeit berichtete, die türkische Regierung habe deutschen Behörden eine Liste mit angeblichen Terrorunterstützern übergeben, auf der sich neben Einzelpersonen auch Unternehmen wie Daimler und BASF befinden sollen. Das Bundesinnenministerium wies darauf hin, von türkischer Seite kämen häufiger

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...