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Türkei zieht Schwarze Liste deutscher Unternehmen zurück

Lesezeit: 2 min
24.07.2017 14:27
Die türkische Regierung hat die Schwarze Liste hunderter deutscher Unternehmen, die der Terror-Unterstützung verdächtigt werden, zurückgezogen.
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Die Türkei macht im Streit mit Deutschland über Demokratie und Menschenrechte einen Rückzieher, berichtet Reuters. Vier Tage nach dem von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel angekündigten Kurswechsel in der Türkeipolitik teilte die Regierung in Ankara am Montag mit, Ermittlungen gegen rund 700 deutsche Firmen wegen angeblichen Terrorverdachts fallenzulassen.

Keine Bewegung zeichnete sich allerdings in den Auseinandersetzungen über inhaftierte Deutsche ab, die in der Türkei ebenfalls unter Terrorverdacht einsitzen. In Istanbul begann unterdessen begleitet von Protesten Hunderter Menschen der Prozess gegen 17 Mitarbeiter der oppositionellen Zeitung Cumhuriyet. Kritiker sehen darin einen weiteren Beleg für einen von Präsident Recep Tayyip Erdogan betriebenen Abbau demokratischer Grundrechte.

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu habe am Montag bei einem Telefonat mit seinem deutschen Kollegen Thomas de Maiziere erklärt, die Liste mit deutschen Firmen sei zurückgezogen worden, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. „Er versicherte, türkische Behörden ermittelten weder in der Türkei noch in Deutschland gegen auf der Liste aufgeführte Unternehmen.“ Die Übermittlung der Liste von rund 700 Firmen mit der Bitte um Ermittlungshilfe sei auf ein „Kommunikationsproblem“ zurückzuführen. Die deutschen Unternehmen seien aufgefallen, weil sie Geschäftsbeziehungen mit türkischen Firmen unterhielten, gegen die in der Türkei wegen des Verdachts der Terrorismusfinanzierung ermittelt werde.

Auch der stellvertretende Ministerpräsident Mehmet Simsek bemühte sich um eine Deeskalation. Er versicherte im Handelsblatt, deutsche Mitarbeiter von Firmen könnten unbesorgt in die Türkei reisen. „Die Türkei ist nach wie vor verpflichtet, das Investitionsklima zu verbessern, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, die Standards der Demokratie zu verbessern und sich an die EU-Standards anzupassen.“

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte zwar das Zurückziehen der Liste als „Signal“, betonte jedoch, ein hohes Maß an Unsicherheit bleibe bestehen. „Ich höre es von etlichen Seiten: Wenn sich das politische Umfeld nicht verbessert, wenn Rechtssicherheit in Frage steht, dann wird sich bei Neuinvestitionen deutscher Unternehmen kaum eine Belebung entwickeln“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier Reuters.

Auch die Bundesregierung steht einem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen skeptisch gegenüber. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte, eine Zustimmung zur Modernisierung der Zollunion zwischen der EU und der Türkei sei für Deutschland derzeit nicht vorstellbar. Damit bleiben zunächst Handelsbeschränkungen bestehen. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums bekräftigte, es werde weiterhin geprüft, ob Geschäfte deutscher Firmen mit der Türkei mit sogenannten Hermes-Bürgschaften abgesichert werden sollten.

Kaum Bewegung gab es im Fall des in der Türkei vergangene Woche festgenommenen Menschenrechtlers Peter Steudtner, der Auslöser der härteren Gangart der Bundesregierung war. Die türkischen Behörden hätten einen Besuch eines Mitarbeiters des Konsulates gestattet, ein weiterer sei in Aussicht gestellt worden, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Keine neue Entwicklung gab es auch im Fall des deutsch-türkischen Welt-Journalisten Deniz Yücel, der seit Monaten inhaftiert ist. Neben Yücel sitzen eine Reihe weiterer Doppelstaatler und auch Menschen nur mit deutscher Staatsangehörigkeit in Gefängnissen. Ihnen wird vorgeworfen, Terrororganisationen zu unterstützen.

Auch die Cumhuriyet-Mitarbeiter müssen sich wegen des Terror-Vorwurfs verantworten. Vor Beginn der Verhandlung versammelten mehrere Hundert Menschen vor dem Gerichtsgebäude und skandierten: „Journalismus ist kein Verbrechen.“ Der Abgeordnete der prokurdischen, oppositionellen Partei HDP, Filiz Kerestecioglu, erklärte: „Der Regierung zufolge ist jeder Oppositionelle ein Terrorist, die einzigen Nicht-Terroristen sind demnach sie selber.“

Präsident Erdogan hat seit der Niederschlagung des Militärputsches vor einem Jahr rund 200.000 Menschen aus ihren Posten entlassen oder verhaften lassen. Die Sicherheitsbehörden verdächtigen sie, den Prediger Fethullah Gülen zu unterstützen. Gülen ist aus Sicht Erdogans der eigentliche Drahtzieher hinter dem gescheiterten Putsch. Der im US-Exil lebende Gülen hat die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen.


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