Politik

Erdogan attackiert Sigmar Gabriel: „Wer sind Sie? Beachten Sie Ihre Grenzen!“

Die Spannungen zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung haben sich weiter verschärft.
20.08.2017 00:58
Lesezeit: 2 min

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Bundesaußenminister Gabriel in einer scharfen persönlichen Attacke vor weiterer Kritik an der Türkei gewarnt. "Er kennt keine Grenzen", kritisierte Erdogan in einer Rede vor Anhängern in der Provinz Denizli mit Blick auf Gabriel. Erdogan richtete sich direkt an den deutschen Minister: "Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidenten der Türkei reden? Beachten Sie Ihre Grenzen!"

Desweiteren kritisierte der türkische Präsident, dass Gabriel versuche, "uns eine Lektion zu erteilen". Wiederum an den Bundesaußenminister gerichtet fügte Erdogan hinzu: "Wie lange sind Sie eigentlich in der Politik? Wie alt sind Sie?"

Mit seiner Kritik reagierte Erdogan offenbar darauf, dass sich Gabriel - wie andere deutsche Politiker auch - jede Einmischung des türkischen Präsidenten in den deutschen Wahlkampf verbeten hatte. Zuvor hatte Erdogan türkischstämmige Wähler in Deutschland aufgefordert, bei der Bundestagswahl nicht CDU, SPD oder Grüne zu wählen.

In seiner Rede am Samstag wiederholte Erdogan den Aufruf. Die türkischstämmigen Wähler müssten den Parteien "bei der Wahl in Deutschland eine Lektion erteilen", forderte Erdogan. "Sie führen eine Kampagne gegen die Türkei. Stimmt für diejenigen, die der Türkei nicht feindlich gesonnen sind!"

Vor weiteren Reaktionen Deutschlands müsse sich die Türkei nicht fürchten, sagte Erdogan: "Es ist nicht wichtig für uns, ob Deutschland die Türen offen hält oder nicht. Wir haben genug Türen."

Die Spannungen in den deutsch-türkischen Beziehungen haben sich am Samstag abermals verschärft. Die türkische Justiz ließ über einen internationalen Haftbefehl den deutschen Schriftsteller Dogan Akhanli an seinem Urlaubsort in Spanien festnehmen. Das Auswärtige Amt schaltete sich in den Fall ein, um Akhanlis Auslieferung an die Türkei zu verhindern.

Akhanli stammt aus der Osttürkei, ist aber deutscher Staatsbürger. Er steht der türkischen Regierung kritisch gegenüber. Sein Anwalt Ilias Uyar sagte gegenüber mehreren Medien, die Festnahme sei am Morgen in Akhanlis Feriendomizil in der südspanischen Provinz Granada erfolgt. Wegen eines Strafverfahrens gegen Akhanli in der Türkei habe bei der internationalen Polizeibehörde Interpol ein "Dringlichkeitsvermerk" gegen den Schriftsteller vorgelegen. Der Anwalt hält die Anschuldigungen für politisch motiviert.

Über eine mögliche Auslieferung des deutschen Staatsbürgers Akhanli muss nun die spanische Justiz entscheiden. Die deutsche Botschaft in Madrid bat die spanische Regierung, auf eine Auslieferung zu verzichten, wie am Abend aus Berlin verlautete. Diese Bitte sei in Gabriels Auftrag vorgebracht worden.

Zudem habe Deutschland darum gebeten, an einem möglichen Auslieferungsverfahren für den deutschen Staatsbürger Akhanli beteiligt zu werden, hieß es im Auswärtigen Amt. Die spanische Regierung sei desweiteren gebeten worden, die "schnellstmögliche konsularische Betreuung" Akhanlis zu ermöglichen.

Die Schriftstellervereinigung PEN protestierte gegen die Festnahme ihres Mitglieds Akhanli und forderte die umgehende Freilassung. Die spanischen Behörden dürften sich "nicht zum Handlanger Erdogans" machen, mahnte der deutsche PEN.

Auch SPD-Chef Martin Schulz forderte die Freilassung des Schriftstellers. "Das Verhalten von Präsident Erdogan trägt inzwischen paranoide Züge", sagte der Kanzlerkandidat zu "Bild am Sonntag".

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte nach dem Zugriff der spanischen Behörden eine Neubewertung der polizeilichen Zusammenarbeit mit der Türkei. Die türkische Justiz arbeite offensichtlich "nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien", sagte Özdemir dem "Tagesspiegel am Sonntag".

Akhanli war nach dem türkischen Militärputsch von 1980 jahrelang inhaftiert. Er floh 1991 nach Deutschland und nahm 2001 die deutsche Staatsbürgerschaft an.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...