Deutschland

Frankfurter Rundschau: Türkischer Interessent ist Dumping-Verleger

Lesezeit: 2 min
20.02.2013 17:30
Der türkische Jung-Verleger Burak Akbay will die FR kaufen und mit weniger Mitarbeiter weiterführen. In der Türkei ist er dafür bekannt, dass er Dumping-Löhne zahlt. Er tröstet die Journalisten jedoch mit dem Hinweis, dass sie dafür journalistische Freiheit bekommen.
Frankfurter Rundschau: Türkischer Interessent ist Dumping-Verleger

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In Deutschland hat man den Namen Burak Akbay erst vor einigen Wochen im Zusammenhang mit dem Verkauf der insolventen Frankfurter Rundschau zum ersten Mal in einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen: Akbay hat dem Insolvenzverwalter ein Kaufangebot für die FR vorgelegt. Er will 80 Mitarbeiter übernehmen. Das erste Angebot des türkischen Verlegers hatte Insolvenzverwalter Frank Schmitt als „nicht tragbar“ zurückgewiesen.

Burak Akbay ist auch in der türkischen Medienlandschaft keine herausragende Figur. Sein Verlag gibt neben der Tageszeitung Sözcü auch die Sportzeitung Fotogol und die Satire-Zeitung Gırgır heraus. Zeitungen im Ausland betreibt er nicht. Jedoch soll die Sözcü im Verlauf des Jahres 2013 auch auf dem deutschen Markt erhältlich sein. Ein gewagtes Unterfangen, weil alle türkischen Zeitungen in Deutschland nur schwer Fuß fassen. Eben erst hat die Milliyet ihre Deutschland-Ausgabe dichtgemacht.

Nach Informationen der Deutsch Türkischen Nachrichten verfolgt Akbay ein radikales Dumping-Konzept. Er zahlt wesentlich weniger als andere Medien, Gewerkschaften kennt er nur vom Hörensagen.

Er selbst gefällt sich in der Rolle des Underdogs. In einem Interview mit der türkischen Journalistin Zeynep Kurtbay sagte er im Jahr 2010, dass die Vergütungen der Mitarbeiter bei seiner derzeitigen Zeitung Sözcü nicht zu vergleichen seien mit anderen Zeitungen wie zum Beispiel Habertürk. Diese fallen bei ihm geringer aus. Seine Angestellten und er seien wie eine Familie. Da seien niedrige Gehälter kein Problem. Das stimmt: Sein Unternehmen ist im Wesentlichen ein Familien-Betrieb. Wie in vielen anderen kleinen türkischen Unternehmen gelten bei Akbay patriarchische Gesetze. Er legt die Gehälter fest, und diese können schon auch mal variieren, je nach Wirtschaftslage oder Sympathie-Faktor. Das Patriarchat zieht sich auch durch das Management: Akbay folgt als Verleger seinem Vater Ertuğrul Akbay nach, einer skurrilen Gestalt, der vielen Türken in Erinnerung ist, weil er sich in der Öffentlichkeit andauernd mit seinem gesunden Lebensstil brüstete.

Von Ausbeutung will Akbay nichts hören. Er beschäftige 40 Angestellte. Das müsste doch für sich selbst sprechen.

Doch selbst türkische Mini-Stars wie der ehemalige Kolumnist der Hürriyet, Emin Çölaşan, werden schlecht bezahlt. Çölaşan bekomme bei ihm nur ein Drittel des Gehalts. Der Journalist dementierte nicht. Akbay hat für die Verhältnisse einen ideologischen Überbau: „Was wir unseren Mitarbeitern in erster Linie bieten, ist journalistische Freiheit und nicht Geld.“ Das müssten alle akzeptieren, er habe eben nicht mehr finanzielle Mittel. Immerhin: Die Freiheit haben die Redakteure, zumindest so lange die AKP am Ruder ist: Akbay bekämpft sie als strammer Kemalist nach Kräften.

Akbay hat auch eine triftige Begründung: „Wenn wir viel Geld hätten und Fernsehsender besitzen würden, dann könnten wir uns auch besser vermarkten und würden eine Auflagensteigerung von bis zu 500.000 Exemplare erreichen.“, meint Akbay. Die Sözcü könne sich in dieser Hinsicht nicht mit den großen Zeitungen messen.

Akbay wollte den Deutsch-Türkischen Nachrichten keine Stellungnahme abgeben. Mehrere Emails und Telefonanrufe blieben unbeantwortet. Zuletzt teilte seine Assistentin mit, der Verleger säße im Flugzeug und könne nicht sprechen.

Das Angebot für die FR sehen viele nur als PR-Gag. Nicht nur wegen seines zweifelhaften Hintergrunds hat Akbay kaum Chancen auf die Übernahme: Die FR hat dank des katastrophalen Missmanagements der Verlags auch den ganzen Kölner DuMont-Verlag in Bedrängnis gebracht. DuMont und sein Zeitungsvorstand Franz Sommerfeld sowie die sozialdemokratische Medien-Holding ddvg weigern sich selbst in der Schlussphase des unrühmlichen Kapitels, vereinbarte Übergangszahlungen zu leisten, wie die Gewerkschaft beklagt.

Es gilt als ausgemacht, dass die FR von der FAZ geschluckt wird. Ein solcher Deal ist für alle Beteiligten die bequemste Lösung, wenn man vielleicht von den Mitarbeitern absieht. Ähnlich lief es auch bei der FTD, die vom Handelsblatt geschluckt wurde.

Für den Insolvenzverwalter ist der schillernde Türke daher ein willkommener Joker im Poker: Er kann der FAZ einen etwas höheren Preis abringen, wenn er einen Wettbewerber präsentieren kann. Wenn der von weit weg kommt und daher nicht eingeschätzt werden kann, umso besser. Denn der Insolvenzverwalter braucht jeden Cent, um den Schaden bei der heruntergewirtschafteten FR zu begrenzen. Der deutsche Zeitungs-Markt hat nämlich mit einem nicht unerheblichen Dumping anderer Art zu tun: Die Leistungen etlicher Verlagsmanager bleiben deutlich unter den Standards, die man für diese Positionen erwartet.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...