Politik

Deutsche Politiker verschärfen den Ton gegenüber Erdogan

Deutsche Politiker haben den Ton gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdogan nach der Verhaftung von zwei deutschen Staatsbürgern verschärft.
02.09.2017 01:50
Lesezeit: 1 min

Nach der Festnahme zwei weiterer Deutscher in der Türkei hat Kanzlerin Angela Merkel eine erneute Verschärfung ihrer Türkei-Politik angedeutet. Die Regierung habe ihre Politik bereits neu aufgestellt, sagte Merkel am Freitag in Nürnberg. "Angesichts der Ereignisse am heutigen Tage müssen wir sie vielleicht auch weiter überdenken." SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schlug eine Verschärfung der Reisehinweise für das Land vor, für das der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Auch CSU-Chef Horst Seehofer forderte deutliche Signale. Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als "Geiselnehmer".

Hintergrund ist die Festnahme zweier Bundesbürger in Antalya. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befinden sich damit 55 deutsche Staatsangehörige in der Türkei in Haft, davon zwölf aus politischen Gründen. Darunter seien auch die beiden zuletzt Festgenommenen. Die Türkei hat seit dem gescheiterten Putsch von 2016 zehntausende Menschen unter dem Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung inhaftiert.

"Für mich kommen weiter Verhandlungen über eine Erweiterung der Zollunion unter diesen Umständen nicht infrage", sagte Merkel. Im Zusammenhang mit dem 200. Tag der Haft des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel betonte sie zudem: "Das hat mit unseren Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun."

Schulz verwies auf frühere Hinweise des Auswärtigen Amtes für deutsche Türkeireisende. "Das waren noch keine Reisewarnungen, aber Hinweise", sagte Schulz. "Und ich glaube, dass man auch darüber nachdenken muss, (...) wie weit man da gehen kann." Es müsse auch über eine Aussetzung der Zollunionsverhandlungen und über einen Stopp der Vor-Beitrittshilfen für die Türkei nachgedacht werden.

Seehofer sagte den "Nürnberger Nachrichten": "Jetzt reicht's." Die Beitrittsverhandlungen und die Finanzhilfen müssten gestoppt werden. Özdemir kritisierte in der "Bild", man könne niemandem mehr mit gutem Gewissen sagen, dass man die Türkei sicher sei. "Erdogan ist kein Präsident, sondern ein Geiselnehmer. Er tritt die Würde seines Amtes mit Füßen."

Merkel hatte bereits am Dienstag erklärt, sie sehe keine Möglichkeit, den Auftrag zur Erweiterung der Zollunion zu erteilen. Die EU-Kommission hat zwar um ein Mandat zur Erweiterung der Zollunion gebeten. Die Mitgliedsländer, die einstimmig entscheiden müssen, haben dies aber nicht getan.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...

DWN
Finanzen
Finanzen Hochsteuerland: Staat zockt Menschen ab - Von einem Euro bleiben Arbeitnehmern nur 47 Cent
10.07.2025

Bis zum 13. Juli arbeiten die Menschen in Deutschland in diesem Jahr nach Angaben des Bundes der Steuerzahler für die Staatskasse. Der...