Politik

Deutsche Unternehmen in Russland geschlossen gegen US-Sanktionen

97 Prozent der in Russland tätigen deutschen Unternehmen lehnen die neuen US-Sanktionen ab. Die Unternehmen sehen Schaden weit über den Energiebereich hinaus.
13.09.2017 23:28
Lesezeit: 3 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die deutsche Wirtschaft in Russland lehnt das neue US-Sanktionsgesetz, das Anfang August beschlossen wurde, einhellig ab – das ist das Ergebnis einer Umfrage der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK), die von AHK-Präsident Rainer Seele und AHK-Vorstandsvorsitzenden Matthias Schepp in Moskau vorgestellt wurde. An der Befragung haben 193 Unternehmen mit Russland-Geschäft teilgenommen. Auf die Frage „Wie beurteilen Sie die neuen US-Sanktionen gegen Russland?“ antworteten 97 Prozent mit „eindeutig negativ“ oder „eher negativ“.

„Die deutsche Wirtschaft in Russland lehnt das unilateral beschlossene US-Sanktionsgesetz ab“, sagt Rainer Seele. Die Maßnahmen ermächtigen den US-Präsidenten, internationale Firmen zu sanktionieren, die mit staatsnahen Unternehmen in Russland zusammenarbeiten. Und sie verunsichern die deutsche Wirtschaft in Russland: „Die beschlossenen aber noch nicht angewandten Sanktionen schweben wie ein Damoklesschwert über den deutschen Unternehmen“, so der AHK-Vorstandsvorsitzende Matthias Schepp laut einer Mitteilung der unter anderem vom Bundeswirtschaftsministerium finanzierten AKH.

Diese Stimmung macht sich in der AHK-Umfrage bemerkbar: Über die Hälfte der befragten Unternehmen (52 Prozent) gaben an, von den Sanktionen potenziell betroffen zu sein. Zwei Drittel erwarten dadurch Umsatzeinbußen, 12 Prozent sogar schwere.

Für ein Drittel der Firmen ist noch unklar, ob die Sanktionen Auswirkungen auf laufende Projekte haben. Aber schon jetzt berichten die Firmen von Zurückhaltung der Investoren, Rücktritten von Projekten sowie lähmender Unsicherheit und geringer Risikobereitschaft. „Die Sanktionen sind schon jetzt schlecht für das Geschäft“, erklärte Rainer Seele, Chef des europäischen Energiekonzerns OMV, bei der Vorstellung der Umfrage.

Die US-Strafmaßnahmen richten sich zwar vor allem gegen Energieunternehmen – konkret gegen das Pipelineprojekt Nord Stream 2, das russisches Gas in die EU transportieren soll, dennoch erklärten 38 Prozent der befragten Unternehmen, indirekt über Zulieferer und Kunden getroffen zu werden. Das hieße neben den im Gesetz genannten Aktivitäten im Zusammenhang mit russischen Exportpipelines auch, dass die Sanktionen unter anderem deutsche Firmen im IT-, Beratungs-, Finanz-, Logistik- und Messebereich beeinträchtigen: „Die neuen US-Sanktionen haben eine breitere Wirkung über den Energiesektor hinaus“, betont AHK-Vorstandschef Schepp.

Die Finanzierung des Pipeline-Projekts Nord Stream 2 ist nach Darstellung des österreichischen Ölkonzerns OMV durch die US-Sanktionen gegen Russland gefährdet. "Die neuen US-Sanktionen machen die Finanzierung von großen Projekten wie von Nord Stream 2 fast unmöglich", wurde OMV-Chef Rainer Seele am Mittwoch von der russischen Nachrichtagentur Interfax zitiert. Das Finanzierungsmodell des knapp zehn Milliarden Euro teuren Projekts müsse daher wahrscheinlich überarbeitet werden. Die europäischen Partner sollten dabei jedenfalls zuerst auf ihr eigenes Kapital bauen, sagte der Manager.

OMV gehört neben der deutschen Uniper und der BASF-Tochter Wintershall zu den fünf westlichen Partnern, die sich an der Finanzierung des vom russischen Monopolisten Gazprom vorangetriebenen Projekts beteiligen. Die über 1200 Kilometer lange Pipeline soll Erdgas von Russland durch die Ostsee bis nach Deutschland pumpen.

Die positive Entwicklung der russischen Wirtschaft, die im 2. Quartal 2017 um 2,5 Prozent gewachsen ist (1. Quartal: +0,5 Prozent), wird durch die Sanktionen getrübt. Auch können sie sich negativ auf den deutsch-russischen Außenhandel auswirken, der im 1. Halbjahr um 29 Prozent gewachsen ist. Die deutschen Exporte nach Russland nahmen dabei um 26,3 Prozent zu, die Importe von Russland nach Deutschland um 31,2 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Dennoch hat das neue US-Gesetz die langfristige Planung der deutschen Unternehmen in Russland kaum beeinflusst. 72 Prozent der Befragten wollen ihre Aktivitäten und Investitionsvolumen in den russischen Markt beibehalten, 15 Prozent planen sogar, das Geschäft auszuweiten. „Die deutsche Wirtschaft steht trotz der US-Sanktionen klar zum russischen Markt“, sagte Rainer Seele.

Im Text des Sanktionsgesetzes ist aufgeführt, dass die USA den Energieexport priorisieren sollen, um Arbeitsplätze auf dem heimischen Markt zu schaffen. Den Firmen zufolge ist das auch die wichtigste Zielsetzung des Gesetzes: 70 Prozent der Befragten halten die Sanktionen für überwiegend wirtschaftlich motiviert.

Dieses wirtschaftliche Interesse hat vorher auch die deutsche und die europäische Politik scharf verurteilt. Ihrer Kritik schließt sich die deutsche Unternehmerschaft in Russland an: Fast drei Viertel der befragten Unternehmen – 73 Prozent – fordern die deutsche Bundesregierung und die EU auf, mit Gegenmaßnahmen zu reagieren, falls europäische Firmen tatsächlich von US-Sanktionen getroffen werden.

„Wir appellieren im Namen der deutschen Wirtschaft in Russland an die Bundesregierung und an die EU-Kommission, Gegenmaßnahmen gegen die US-Sanktionen einzuleiten. Um Sicherheit zu schaffen, brauchen wir konstruktive Schritte – sowohl für die deutsche als auch für die gesamte europäische Wirtschaft, für gemeinsame Wirtschaftsräume der Zukunft, für die gesicherte Energieversorgung der Europäischen Union“, fordert AHK-Präsident Rainer Seele. Aber auch die russische Politik sei gehalten, nicht weiter an der Sanktionsschraube zu drehen, betont der AHK-Präsident.

„Es bleibt zu hoffen, dass Präsident Trump die ihm gegebenen Spielräume und die vorgesehenen Konsultationen mit der EU entsprechend nutzt, damit es nicht zu weiteren Sanktionen kommt – und zu möglichen Gegensanktionen der EU, die als letztes Mittel nötig würden“, kommentiert Matthias Schepp.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik Rechtsruck in Polen – schlechte Aussichten für Berlin?
02.06.2025

Polen hat einen neuen Präsidenten – und der Wahlausgang sorgt europaweit für Nervosität. Welche Folgen hat der Rechtsruck für Tusk,...

DWN
Politik
Politik Trump zieht Investoren ab – Europa droht der Ausverkauf
02.06.2025

Donald Trump lockt mit Milliarden und Zöllen Investoren zurück in die USA – Europa verliert an Boden. Bricht der alte Kontinent im...

DWN
Politik
Politik Plan von Klingbeil: Steuerentlastungen für Unternehmen – das sind die Details
02.06.2025

Die schwarz-rote Koalition will zeigen, dass sie Probleme angeht – auch die schwächelnde Wirtschaft. Finanzminister Lars Klingbeil will...

DWN
Technologie
Technologie Robotikbranche 2025 in schwieriger Phase – Umsatzrückgang droht
02.06.2025

Die deutsche Robotikbranche kämpft 2025 mit rückläufigen Umsätzen und schwankenden Rahmenbedingungen. Welche Teilbereiche sind...

DWN
Finanzen
Finanzen Biontech-Aktie hebt ab: Milliardenkooperation mit US-Pharmaunternehmen
02.06.2025

Die Biontech-Aktie erhält neuen Aufwind: Eine milliardenschwere Allianz mit Bristol-Myers Squibb weckt Hoffnung bei Anlegern und...

DWN
Finanzen
Finanzen Hensoldt-Aktie auf Rekordjagd: Was Anleger jetzt wissen sollten
02.06.2025

Die Hensoldt-Aktie überrascht mit einem historischen Kursfeuerwerk – doch ist der Höhenflug gerechtfertigt? Anleger sollten genauer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KfW-Analyse: Mittelstand zieht sich aus dem Ausland zurück
02.06.2025

Eine aktuelle KfW-Analyse zeigt: Immer mehr Mittelständler ziehen sich aus dem Auslandsgeschäft zurück. Was steckt hinter dem Rückzug...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Personalstrategie: Warum Top-Kandidaten oft scheitern – und was das über unser System verrät
02.06.2025

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Bei der Personalauswahl geht es immer weniger um Kompetenz – und immer mehr um Bauchgefühl,...