Politik

Barcelona: Zehntausende demonstrieren gegen spanische Polizei

Lesezeit: 2 min
03.10.2017 16:15
In Barcelona sind am Dienstag zehntausende Demonstranten auf die Straße gegangen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Spanien  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Mit Massenprotesten gegen Polizeigewalt und einem Generalstreik haben am Dienstag zehntausende Menschen das Leben in der nordspanischen Region Katalonien weitgehend lahmgelegt, berichtet AFP. Am Ausstand beteiligten sich unter anderem Hafenarbeiter, Verkehrsbetriebe, Universitäten und Museen. Beim Fußballklub FC Barcelona fiel das Training aus, auch das Personal der Sagrada Familia, der berühmten Basilika in der Regionalhauptstadt, legte die Arbeit nieder. Schulen und etliche Geschäfte hatten geschlossen.

Der katalanische Präsident Carles Puigdemont zeigte sich überzeugt, dass der Streik sehr breit befolgt werde. Bereits am Morgen blockierten Demonstranten Straßen und wichtige Verkehrsadern. Auf der Autobahn Richtung Frankreich stellten zwei Jugendliche einen Klapptisch auf und spielten Schach. In der Nähe der Plaça de la Universitat hing ein Schild mit der Aufschrift „Wegen Revolution geschlossen“. Zu dem Aktionstag hatten dutzende Gewerkschaften und andere Organisationen aufgerufen.

Allein in Barcelona demonstrierten am Nachmittag nach Angaben der Stadtpolizei 300.000 Menschen. Sie riefen „Besatzungskräfte raus!“, „Die Straßen werden immer unsere sein“, „Adios España“ und andere Parolen. Ein Polizeihubschrauber überflog die Menge. Er wurde mit wütenden Pfiffen und Stinkefingern bedacht.

Die U-Bahn der 1,6 Millionen Einwohner-Stadt verkehrte nur äußerst selten, Passagiere mussten keinen Fahrpreis entrichten. Am Flughafen verlief der Betrieb normal, ebenso beim Autobauer Seat.

In ganz Katalonien häuften sich die Proteste gegen die spanische Polizei. Nicht selten wurden auch Journalisten spanischer Medien ausgebuht und eingeschüchtert. Die Gebäude der in Spanien regierenden Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy waren ebenfalls Ziel von Kundgebungen. Viele Teilnehmer sagten, sie seien nicht für Kataloniens Unabhängigkeit, wollten aber gegen das brutale Vorgehen der spanischen Polizei und für das Recht auf freie Meinungsäußerung demonstrieren.

Im 70 Kilometer nördlich von Barcelona gelegenen Pineda de Mar versammelten sich hunderte Demonstranten vor einem Hotel, in dem 200 spanische Polizisten untergebracht waren. Ein Hotelangestellter sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Demonstranten seien in der Nacht zum Dienstag so bedrohlich aufgetreten, dass die katalanische Polizei Mossos d'Esquadra zum Schutz ihrer spanischen Kollegen zwei Straßen in der Umgebung des Hotels abgesperrt habe. Die Hoteldirektion forderte die spanischen Polizeikräfte auf, das Hotel zu verlassen.

In Barcelona gab es laut einem AFP-Reporter in der Nacht eine Menschenansammlung vor einer Garnison der Guardia Civil, der paramilitärischen spanischen Polizei. In anderen katalanischen Städten fanden Kundgebungen vor Kommissariaten statt, wie die spanische Polizeigewerkschaft SUP mitteilte.

Der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido warf der katalanischen Regierung „Aufstachelung zur Rebellion in den Straßen“ vor. Madrid werde „alle Maßnahmen“ ergreifen, um die „Drangsalierungen“ zu stoppen.

Die spanische Polizei war am Sonntag mit massiver Gewalt gegen das vom Verfassungsgericht als rechtswidrig eingestufte Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens vorgegangen. Polizisten schlossen Wahllokale, beschlagnahmten Abstimmungsunterlagen und hinderten Menschen mit Schlagstöcken und Gummigeschossen an der Stimmabgabe. Das Fernsehen zeigte Bilder von Polizisten, die Demonstranten an den Haaren zogen, Treppen hinunterwarfen und gegen Feuerwehrleute vorgingen, die Wahllokale schützten.

90 Prozent der Wähler in Katalonien stimmten der Regionalregierung zufolge für die Loslösung der Region vom spanischen Königreich. Die Beteiligung lag bei 42 Prozent.

Der Konflikt um das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien wird auch das Europaparlament beschäftigen. Zum Auftakt der Oktober-Plenarsitzung setzten die Abgeordneten am Montagnachmittag eine Dringlichkeitsdebatte zu dem Thema auf die Tagesordnung. Sie soll am Mittwochnachmittag stattfinden.

 


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krankheitsausfälle auf Rekordniveau: Die Kosten explodieren
18.09.2024

Der Krankenstand in Deutschland ist auf Rekordniveau und kostet die Arbeitgeber viele Milliarden Euro. Die Kosten für den Arbeitsausfall...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland: ZEW-Konjunkturerwartungen fallen erneut deutlich
17.09.2024

Die wirtschaftlichen Perspektiven für Deutschland haben sich im September weiter verschlechtert. Die ZEW-Konjunkturerwartungen der...

DWN
Politik
Politik Sozialabgaben und Bemessungsgrenzen steigen kräftig: Lauterbach will Beitragszahler blechen lassen
17.09.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat es angedroht: Gutverdiener müssen sich 2025 auf deutlich höhere Kosten einstellen. Neben...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ein neuer China-Schock? Wie neue Exportwellen aus China die deutsche Industrie treffen könnten
17.09.2024

Chinas Wirtschaft scheint dieser Tage unberechenbar. Nun könnte ein neuer China-Schock die Kernindustrie Europas bedrohen. Wie groß ist...

DWN
Finanzen
Finanzen DSV ist ein Börsenwunder: Gewinn von rund 76.100 Prozent
17.09.2024

Keine andere dänische Aktie kann es mit der DSV-Aktie aufnehmen, wenn es um die Rendite geht. Eine Übernehme von DB Schenker baut diese...

DWN
Politik
Politik Merz wird Kanzlerkandidat der Union
17.09.2024

CDU-Chef Merz und CSU-Chef Söder haben sich in der Kanzlerkandidatur für Merz entschieden. Für den Mittag haben sie zu einer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Intel stoppt Megaprojekt: Zweifel an Staatshilfen wachsen
17.09.2024

Der US-Chiphersteller Intel stoppt den Bau seiner Fabrik in Magdeburg, trotz zugesagter Staatshilfen im Umfang von 9,9 Milliarden Euro....

DWN
Politik
Politik Netzentgelte: Bundesnetzagentur plant vorzeitig steigende Gaspreise – bis zu 40 Prozent Erhöhung möglich
17.09.2024

Preistreiber Energiewende: Erdgasnetze werden überflüssig und sollen schrittweise bis 2045 abgebaut werden, doch die Endnutzer müssen...