Finanzen

Krise um Katalonien erreicht das spanische Finanzsystem

Die Krise um die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien erreicht das spanische Finanzsystem. Die ersten Bürger beginnen damit, ihr Geld umzuschichten.
05.10.2017 17:06
Lesezeit: 3 min

Die durch die Unabhängigkeitsbestrebungen in der spanischen Region Katalonien ausgelöste Krise hat zu ersten Erschütterungen im Finanzsystem des Landes geführt. Auffälligstes Zeichen für die Zunahme der Spannungen ist der seit Montag andauernde Abverkauf am spanischen Aktienmarkt.

Der Kurs des Leitindex Ibex 35 gab allein am Mittwoch rund 3 Prozent ab und sank deutlich unter die Marke von 10.000 Punkten – so tief wie zuletzt im März des laufenden Jahres. Am Freitag stand der Kurs noch bei etwa 10.300 Punkten. Zu den größten Verlierern gehören die beiden Großbanken Caixabank und Banco de Sabadell, die über eine starke Präsenz in Katalonien verfügen. Am Montag – dem ersten Handelstag nach dem Unabhängigkeitsreferendum – büßten beide Institute insgesamt 4,84 Milliarden Euro an Marktkapitalisierung ein. Das Kursminus auf Sicht der vergangenen fünf Tage beläuft sich bei Caixabank auf 9 Prozent und bei Banco de Sabadell auf 13 Prozent, berichtet der Finanzblog Wolfstreet.

Die Bank Sabadell denkt einem Insider zufolge über einen Abzug ihrer Konzernzentrale aus der Region nach. Das Direktorium des katalanischen Kreditinstituts wollte noch am Donnerstag darüber beraten, wie von einer mit den Plänen vertrauten Personen verlautete.

Anleger trennten sich zudem auch von Aktien spanischer Banken, die weniger von den Entwicklungen in Katalonien betroffen sind. Die global systemrelevante Großbank Banco Santander verlor am Mittwoch ebenso wie das zweitgrößte spanische Geldinstitut BBVA über 3,5 Prozent an Wert.

Auch die Anleihe-Investoren werden nervös. Der Renditeunterschied spanischer, zehnjähriger Staatsanleihen zu vergleichbaren deutschen Papieren weitete sich am Mittwoch auf etwa 1,3 Prozent aus. Die Rendite für zehnjährige Staatspapiere aus Spanien stieg auf 1,79 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit März. Zu dem deutlichen Renditeanstieg kam es, obwohl die Europäische Zentralbank weiterhin spanische Anleihen im Zuge ihres umstrittenen Kaufprogramms erwirbt und damit den Renditeauftrieb bremst.

Trotz der Verunsicherung findet Spanien noch ausreichend Geldgeber am Finanzmarkt. Bei der Auktion mehrerer Staatsanleihen nahm der Staat am Donnerstag insgesamt 4,6 Milliarden Euro ein, wie Reuters berichtet Die Nachfrage übertraf das angebotene Volumen um jeweils mehr als das Doppelte. Die Kosten für den Staat entwickelten sich in unterschiedliche Richtungen. Bei der bis 2022 laufenden Anleihe mussten Investoren mit einer höheren Rendite von 0,530 Prozent gelockt werden, nachdem sie bei der vorherigen Auktion noch 0,213 Prozent betragen hatte. Bei den bis 2029 laufenden Papieren sank die Rendite dagegen auf 1,867 von 1,896 Prozent. An der an die Inflation gekoppelten und bis 2024 laufenden Anleihe verdient der Staat sogar Geld. „Das ist ein gutes Zeichen für spanische Bonds“, sagte Analyst Antoine Bouvet vom Bankhaus Mizuho zu den Ergebnissen. „Allerdings gibt es eine ungewisse Zukunft.“

Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s kündigte an, die mit „B“ ohnehin schlecht bewertete Bonität Kataloniens zu überprüfen. Die Bewertung könne weiter heruntergesetzt werden, „wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die eskalierenden Spannungen zwischen der katalanischen Regionalregierung und der Zentralregierung in Madrid die volle und zeitnahe Refinanzierung von Kataloniens kurzfristigen Schulden in Frage stellen oder die finanzielle Unterstützung der Region unterminieren“, zitiert die Financial Times aus einem Schreiben der Agentur. Auch die Ratingagentur Moody’s warnte vor wenigen Tagen angesichts der Pattsituation vor einer Herabstufung Spaniens.

Die Weigerung der EU-Kommission in Gestalt ihres Vize-Präsidenten Frans Timmermans, in dem Konflikt als Vermittler zu agieren, dürfte von Anlegern ebenfalls als Indiz dafür aufgefasst werden, dass eine Eskalation kurz bevorsteht. Die katalanische Regionalregierung gab inzwischen bekannt, dass sie am kommenden Montag ihre Unabhängigkeit ausrufen werde.

Wolfstreet zufolge bergen die Vorgänge in Spanien die Möglichkeit einer voll ausgewachsenen Finanzkrise. „Beide Seiten wollen nicht nachgeben. Falls sie nicht noch vom Rand der Klippe weggezogen werden können, wird jegliche ihrer Aktionen dazu führen, dass sich die staatlichen spanischen und die katalanischen Institutionen feindlich gegenüberstehen. Sobald das passiert, wird sich Spaniens politisches System und sein Finanzmarkt in völligem Neuland befinden und die Spannungen könnten sich schnell zu einer Panik auswachsen.“

Wolfstreet zufolge beginnen zahlreiche Bürger inzwischen damit, einen Teil ihrer Guthaben auf andere Banken zu verteilen oder das Geld außerhalb Spaniens anzulegen. Je nachdem, wie sich die Situation entwickelt, kann es zu Bankruns kommen, welche dann ein Problem für die gesamte Eurozone darstellen würden. Die Stabilität des spanischen Bankenmarktes wurde erst vor wenigen Wochen getestet, als Banco Santander in einer Notoperation die zahlungsunfähige Banco Popular übernehmen musste.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grünes Image unter Druck: EU plant strengere Regeln für Umweltwerbung
09.07.2025

Begriffe wie „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“ begegnen Verbraucherinnen und Verbrauchern inzwischen fast überall – von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturplan: Eine Chance für europäische Bauunternehmen?
09.07.2025

Deutschland plant das größte Infrastrukturprogramm seiner Geschichte. Doch es fehlen Bauarbeiter. Können andere europäische Firmen und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs stabil trotzt Milliardenbewegung: Anleger bleiben dennoch vorsichtig
08.07.2025

80.000 Bitcoin aus der Satoshi-Ära wurden bewegt – doch der Bitcoin-Kurs blieb stabil. Was hinter dem Rätsel steckt, warum Investoren...

DWN
Politik
Politik Steinmeier drängt auf mehr gemeinsame Rüstungsprojekte in Europa
08.07.2025

Bei seinem Besuch in Lettland hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für mehr Zusammenarbeit in der europäischen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwäche in China bremst Porsche: Absatz geht im ersten Halbjahr zurück
08.07.2025

Porsche muss im ersten Halbjahr 2025 einen spürbaren Rückgang beim Fahrzeugabsatz hinnehmen. Besonders in China läuft das Geschäft...

DWN
Politik
Politik Trump verspricht Raketen für die Ukraine – doch zu welchem Preis?
08.07.2025

Donald Trump kündigt neue Waffenlieferungen an die Ukraine an – obwohl er sich lange zurückhielt. Ein Signal der Stärke oder Teil...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nvidia-Aktie auf Höhenflug: Wie realistisch ist das 250-Dollar-Ziel?
08.07.2025

Die Nvidia-Aktie eilt von Rekord zu Rekord – doch Analysten sehen noch Luft nach oben. Wie realistisch ist das Kursziel von 250 Dollar?...

DWN
Politik
Politik NATO-Chef erwartet Doppelangriff: China greift Taiwan an, Russland die NATO
08.07.2025

Ein gleichzeitiger Angriff Chinas auf Taiwan und Russlands auf die NATO – ausgerechnet NATO-Chef Mark Rutte hält dieses...