Die von der chinesischen Regierung eingeführte Quote für Elektro- und Hybridautos bringt deutsche Autobauer in Schwierigkeiten. Ab dem Jahr 2019 müssen alle Fahrzeughersteller, die mehr als 30.000 Autos in der Volksrepublik verkaufen, mindestens 10 Prozent ihrer Fahrzeuge als Elektro- oder Hybridauto anbieten. Wer das nicht kann, muss sich im Rahmen eines Programmes Punkte kaufen, welche faktisch Geldstrafen gleichen. Im Jahr 2020 soll die Quote dann bereits auf 12 Prozent angehoben werden, heißt es in einer Mitteilung des chinesischen Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie.
Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sagte zu den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Dass Autobauer bei neuen Anforderungen nicht gleich ‚Hurra‘ rufen ist ja nichts Neues. Aber BMW und Daimler sind seit einigen Jahren eher mit ‚gedämpftem‘ Schwung mit ihren Joint-Ventures Denza und Zhinoro bei Elektroautos in China unterwegs. Das sah bisher eher wie ein Alibi statt eines ernsthaften Programms aus. Man hat das Thema einfach wenig ernst genommen und läuft jetzt der Zeit hinterher. VW macht große Sprünge und Investitionen nach vorne. Also, hätte man vor einigen Jahren die Dinge ernst genommen, müsste man jetzt nicht jammern.“
Eine Sprecherin des Europäischen Automobilherstellerverbandes bezeichnete die Einhaltung der Quote als „herausfordernd“, berichtet der EUObserver. Zum Automobilherstellerverband gehören auch die deutschen Produzenten Volkswagen, Daimler, BMW und die VW-Tochter Audi. Sie alle sind von der Quote betroffen, weil sie im vergangenen Jahr zwischen 500.000 (BMW) und 4 Millionen (VW) Autos in China verkauft hatten.
Dudenhöffer zufolge wird die Einhaltung der Quote für die deutschen Hersteller nicht einfach sein. „Man wird es sicher versuchen. Das Problem bei ‚Late Starter‘ ist, dass man der Zeit hinterherrennt. Aber nach 2020 bin ich sicher, dass die Quoten erfüllt werden. China wird dann der weltweit wichtigste Produktionsstandort für Elektroautos sein. Da werden viele Ländern wie Deutschland oder Japan bei den Produktionsstandorten auf der Verliererseite sein. Die Autobauer werden es schaffen. Die Frage: Wie gut schaffen es die klassischen Produktionsländer wie Deutschland? Je länger bei uns die Bundesregierung über die langfristige Zukunft des Verbrennungsmotors schwadroniert, um schwerer werden wir es haben, den Autoproduktionsstandort Deutschland auf dem heutigen Niveau zu halten.
Nach außen hin gibt sich Volkswagen gelassen. Ein Sprecher sagte zu den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Die Volkswagen-Gruppe begrüßt die starken Bemühungen der chinesischen Regierung, einen Markt für Elektroautos in China zu etablieren. Das passt exakt zu unserer neulich vorgestellten ‚Roadmap E‘ – der umfassendsten Elektrifizierungsinitiative in der globalen Automobilindustrie. In China haben wir bereits mit der Fertigung von Elektroautos begonnen. In den kommenden 2 bis 3 Jahren werden wir etwa 15 lokal gebaute Modelle auf den Markt bringen. Wir sind darauf vorbereitet, unseren Kunden bis 2020 rund 400.000 und bis 2025 rund 1,5 Millionen Elektroautos zu verkaufen.“
Da China aber der wichtigste Wachstumsmarkt für die deutsche Automobilindustrie ist, wird die Quote wahrscheinlich zu einer kostenintensiven strategischen Kehrtwende bei jenen Herstellern führen müssen, welche in der Vergangenheit statt auf Elektromotoren eher auf die Weiterentwicklung des Diesel gesetzt hatten.
Dem Europäischen Automobilherstellerverband zufolge stehen die Aussichten für die Autobauer, die Quote noch abzumildern, schlecht. „In China ist es ein und dieselbe Institution, die den Markt sowohl reguliert als auch die wettbewerblichen Anreize setzt. Auf der einen Seite setzt die Regierung die Regeln fest, an die sich die Autobauer halten müssen. Auf der anderen Seite ist sie auch verantwortlich dafür, die Rahmenbedingungen und Anreize für die Elektromobilität zu setzen. Sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche werden so von einer Behörde kontrolliert“, heißt es in der Stellungnahme des Verbandes.
In der Europäischen Union hingegen werden die Rahmenbedingungen und Anreize von den 28 Mitgliedsstaaten gesetzt und die EU-Kommission möchte derzeit keine EU-weite Quote einführen. „Wir unterscheiden nicht zwischen verschiedenen Antriebstechnologien“, sagte Kommissionsprecherin Mina Andreeva im August. Auch der Europäische Automobilherstellerverband ist gegen eine verbindliche Quote.
Dudenhöffer sieht in der Quote Chinas eine gute Maßnahme, um der Elektromobilität auch in Europa zum Durchbruch zu verhelfen. „Absolut ja. Die Quote gibt Berechenbarkeit. Was will ein Investor mehr als ein klares Bild für die Zukunft. Mit der Quote kann doch jeder den Marktbedarf und seine Investitionen vernünftig kalkulieren. So wie es in Deutschland läuft ist es ein Lotteriespiel, bei dem dann Politiker vor irgendwelchen Wahlen irgendwelche, wenig verlässliche, vollmundeigen Ankündigungen machen. Das ist das Schlimmste, was einem Investor passieren kann. Wenn man den Umstieg der Mobilität will, dann muss man auch Termine und Daten dahinter setzen. Sonst bleiben nur Investitionsruinen übrig. Also, die Chinesen werden das Rennen um die Elektromobilität gewinnen, weil sie es professionell – sprich mit planbaren Parametern – also der Quote – unterfüttern.“
Einem aktuellen Bericht des Verbandes zufolge entfielen im ersten Halbjahr 2017 etwa 1,2 Prozent aller Autoverkäufe in der EU auf elektrisch aufladbare Fahrzeuge – was auch Hybridautos miteinschließt.