Finanzen

Pulver verschossen: Draghi kann Italien nicht mehr helfen

Die Reduzierung des Ankaufprogramms der EZB könnte Italien ausgerechnet in einem kritische Wahljahr treffen.
12.11.2017 22:31
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Marcus Ashworth kommt in einer Bloomberg-Analyse zu dem Schluss, dass EZB-Chef Mario Draghi seinen Landsleuten ausgerechnet im Wahljahr nicht mehr wird helfen können. Der Umfang an italienischen Staatsanleihen, den die Europäische Zentralbank am Markt erwerben kann, wird im nächsten Jahr um rund die Hälfte zurückgehen. Der Grund dafür ist die jüngste Entscheidung der Zentralbank, den Umfang der Anleihekäufe von monatlich 60 Milliarden Euro auf 30 Milliarden Euro zu halbieren.

Praktisch bedeutet dies, dass der Handlungsspielraum der EZB bei der Manipulierung der Kurse und Renditen von Staatsanleihen der Euro-Länder deutlich eingeschränkt wird. Der Hauptgrund des Kauf-Programms besteht nämlich darin, die Finanzierungszinsen der überschuldeten Eurostaaten an den globalen Kapitalmärkten zu senken. Indem die EZB als potentieller Helfer und Käufer der Schuldscheine mit praktisch unbegrenzter Liquidität in Erscheinung tritt, werden die Renditeforderungen der Geldgeber an den Anleihemärkten – die sich am Ausfallrisiko des Landes orientieren – gedrückt und die Regierungen der betroffenen Staaten können sich günstiger verschulden. Ashworth kommt in seiner Analyse der jüngsten EZB-Zahlen zu dem Schluss, dass Italien und Frankreich am meisten vom Ankaufprogramm der EZB profitiert hätten.

Fällt diese Unterstützung durch die EZB weg, könnte der Ausbruch einer neuen Schuldenkrise in Europa das Ergebnis sein. Bereits mehrfach hatten Spekulationen über das Ende des Programms in der jüngsten Vergangenheit zu Verwerfungen an den Anleihemärkten geführt.

Dies zeigt, wie abhängig die Anleihekurse von Staaten wie Italien, Spanien und Portugal – aber in etwas geringerem Maße auch von Frankreich – von den permanenten Interventionen der EZB am Markt geworden sind.

Im Falle Italiens ist diese Situation auch deshalb brisant, weil durch die Absenkung des Kaufvolumens noch vor der im März stattfindenden Parlamentswahl die Kurse der Papiere sinken und die Renditen im Gegenzug merklich steigen könnten, berichtet Bloomberg. Unter den Händlern könnte sich dann Unruhe und im schlimmsten Fall Panik breitmachen.

EZB-Präsident Mario Draghi hatte versucht, die Wirkung der Halbierung der Anleihekäufe dadurch abzufedern, dass Erträge aus bereits erworbenen Anleihen in den Markt reinvestiert werden sollen. Im Falle Italiens trägt diese Strategie jedoch kaum Früchte, weil nur Erträge aus Anleihen eines Landes zum Kauf neuer Anleihen genau dieses Landes verwendet werden dürfen.

„Ein am Montag von der EZB veröffentlichter Bericht zeigte, dass sich die Erträge dieser auslaufenden Anleihen Italiens auf nur etwa 8,5 Milliarden Euro belaufen werden – weniger als die durchschnittliche Erwartung von Analysten von etwa 12 Milliarden Euro. Dies bedeutet letztendlich, dass sich die Geschwindigkeit der Käufe im Rahmen des QE-Programms um rund ein Drittel verringern wird. Verglichen mit dem Rest des Jahres 2018 werden die Erträge im ersten Quartal deutlich geringer ausfallen. Die Monate mit großen Erträgen sind der April und der Oktober“, schreibt Bloomberg.

Eine nachlassende geldpolitische Stabilisierung und dadurch entstehende Schwankungen auf dem Anleihemarkt in den Monaten vor der Parlamentswahl im März könnte den ohnehin erstarkenden Euro- und EU-skeptischen Kräften im Land neuen Auftrieb geben.

Vor diesem Hintergrund ist das kürzlich erfolgte Scheitern der Demokratischen Partei und die damit verbundenen Wahlsiege eines konservativen Berlusconi-Kandidaten und eines Kandidaten der Euro-Skeptischen 5 Sterne-Partei auf Sizilien bemerkenswert. Inzwischen gibt es in Italien mehrere Parteien, die offen einen Ausstieg aus dem Euro-System fordern. Ashworth schreibt, dass die letzte Hoffnung der Anleger irgendein sehr überraschender Coup von Draghi sei. Die aktuelle Perspektive führe jedoch dazu, dass im Fall des Falles kein Investor sagen könne, er sei nicht gewarnt worden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...

DWN
Politik
Politik USA frieren Waffenlieferungen an die Ukraine ein – Prioritäten verschieben sich
02.07.2025

Die USA stoppen zentrale Waffenlieferungen an die Ukraine. Hinter der Entscheidung steckt ein geopolitischer Kurswechsel, der Europa...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Kommt jetzt die Entlastung für alle?
02.07.2025

Die Stromsteuer spaltet das schwarz-rote Bündnis – und mit ihr die Frage, ob Bürger und Betriebe wirklich entlastet werden. Während...

DWN
Panorama
Panorama Hitzewelle in Deutschland: Temperaturen bis 40 Grad und drohende Unwetter
02.07.2025

Deutschland ächzt unter extremer Hitze, örtlich steigen die Temperaturen auf bis zu 40 Grad. Experten warnen vor Unwettern, Waldbränden...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell stabil: Deutsche Goldinvestments erholen sich – wie Anleger jetzt reagieren sollten
02.07.2025

In den vergangenen Wochen war die Goldpreis-Entwicklung von Volatilität geprägt. Das ist auch zur Wochenmitte kaum anders: Obwohl sich...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...