Der Elektroauto-Hersteller Tesla will traditionellen Herstellern auch bei Nutzfahrzeugen das Wasser abgraben. Tesla-Chef Elon Musk stellte am Donnerstagabend (Ortszeit) in Los Angeles ein vollelektrisches Schwerlaster-Modell Tesla Semi vor, berichtet Reuters. Die Gesamtkosten pro Meile – Kaufpreis einschließlich Stromverbrauch, Versicherung und Wartung – seien bei einem Diesel-Lkw 20 Prozent höher als beim Tesla-Laster, erklärte Musk.
Wichtige Details wie den Kaufpreis und die Ladekapazität des Herausforderers von Freightliner, der führenden US-Marke von Platzhirsch Daimler, blieb Musk jedoch schuldig. Auch blieb offen, wo der für 2019 geplante Elektrotruck gebaut werden soll.
Daimler oder MAN arbeiten schon länger an Elektrolastwagen, allerdings maximal bis 26 Tonnen Gewicht. Die Serienproduktion des mittelschweren E-Lasters plant Mercedes-Benz für 2020. MAN will 2021 elektrische LKWs für den Stadtverkehr in größeren Stückzahlen bauen. 40-Tonner mit Stromantrieb wären den Herstellern zufolge dagegen noch viel teurer als Diesel-LKWs, denn es müssten sehr große Batterien eingebaut werden, die schwer sind und den Laderaum verkleinern. Zudem sind die Reichweiten derzeit vielen Kunden zu gering – steht ein LKW oft, etwa zum Aufladen, häufen sich auch die Kosten. Und Speditionen rechnen mit sehr spitzem Bleistift. „Elektromobilität ist für den innerstädtischen Verteilerverkehr vorstellbar“, sagt Branchenexperte Wolfgang Bernhart von Roland Berger. „Für Langstrecken-LKWs sehe ich das nicht.“
Der Tesla Semi könnte beim zulässigen Gesamtgewicht von rund 36 Tonnen und Durchschnittstempo auf der Autobahn 500 Meilen (800 Kilometer) am Stück schaffen, erklärte Musk. Die Batterie könne innerhalb von 30 Minuten Strom für 400 Meilen Reichweite laden, während gleichzeitig die Ladung gelöscht werde. Der Tesla-Brummi hebt sich mit einer windschnittigen Fahrerkabine vom Design her von der Konkurrenz ab. Der Fahrer sitzt in der Mitte, flankiert von großen Bildschirmen an jeder Seite. Großflächige Scheiben ermöglichen weiten Rundumblick.
Analysten fürchten unterdessen, Tesla könnte sich mit dem Projekt übernehmen, da der defizitäre Autobauer derzeit schon Schwierigkeiten mit der Massenproduktion des Alltagswagens Model 3 hat. Erst vor wenigen Wochen war das ganze Ausmaße des Chaos in der Produktion bekannt geworden.
George Galliers vom Analysehaus Evercore ISI schrieb: „Es besteht das Risiko, dass die Produkte das Management vom überaus wichtigen Model 3 ablenken.“ Karl Brauer, Herausgeber von Autotrader, kommentierte die Show mit den Worten: „Elons Effekthascherei bleibt intakt, auch wenn die Geduld der Model-3-Kunden schwindet.“ Tesla könnte auch bei den Nutzfahrzeugen ein Spitzenprodukt anbieten – vorausgesetzt, sie könnten auch produziert und verkauft werden. „Letzteres lässt Tesla Motors im Unklaren, das macht es schwer, darin mehr zu sehen als ein Was-wäre-wenn-Konzeptauto.“
Tesla erwirtschaftet seit Jahren fast ausschließlich Verluste und wird einzig von den Geldgebern über Wasser gehalten. Der Aktienkurs des Unternehmens legte auf Sicht eines Jahres von etwa 200 Dollar auf 300 Dollar zu. Bei den Anlegern kamen Musks Pläne indes gut an: Der Aktienkurs stieg vor Börsenbeginn um gut zwei Prozent.