Seit mehr als zehn Jahren ist in der EU die Jugend-Arbeitslosigkeit etwa doppelt so hoch wie die Gesamt-Arbeitslosigkeit. Unbeeindruckt davon, ob die Wirtschaft wächst oder schrumpft, hat sich dieses Verhältnis von 2:1 kaum geändert. Doch bisher war dieses Verhältnis nicht so akut, sagte Stefan Vetter, Ökonom bei der Deutschen Bank, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Da nun aber die allgemeine Arbeitslosigkeit in der EU so stark angestiegen sei, habe auch die Jugendarbeitslosigkeit „absolut bedrohliche Ausmaße“ angenommen.
Aktuell sind in der EU 7,5 Millionen Jugendliche arbeitslos, 30 Prozent von ihnen länger als ein Jahr. In Spanien und Griechenland liegt die Jugend-Arbeitslosigkeit bei über 50 Prozent. Auch in Frankreich sind inzwischen 25 Prozent der Jugendlichen arbeitslos (mehr hier). Deutschland fällt etwas aus dem Rahmen, da hierzulande die Jugend-Arbeitslosenquote mit 8 Prozent nur etwa 1,5-mal so hoch ist wie die Gesamtquote. Die Ursache sei das im Vergleich bessere Ausbildungssystem, das den Jugendlichen den Eintritt in den Arbeitsmarkt erleichtere, sagte Vetter.
Dass die Jugend-Arbeitslosigkeit etwas höher ist als die Gesamtarbeitslosigkeit, sei an sich noch nicht überraschend, sagt Vetter. Denn junge Menschen seien oft noch nicht in ihrer Berufsentscheidung festgelegt und nähmen eine kurze Zeit der Arbeitslosigkeit in Kauf, um einen besseren Job zu finden. Doch dieses Phänomen erkläre bei weitem nicht, dass die Jugend-Arbeitslosigkeit doppelt so hoch ist wie die Gesamtarbeitslosigkeit, so der Ökonom.
„Die Älteren haben besser abgesicherte Jobs“, sagte Vetter. Sie seien daher weniger von Job-Abbau betroffen als die Jüngeren. Dies hänge auch damit zusammen, dass Jugendliche weniger politischen Einfluss haben als die Älteren. „Die 16- und 17-jährigen dürfen noch nicht einmal wählen“, sagte Vetter. Ältere Arbeitnehmer werden durch viele Elemente des Systems geschützt: Das Sozialsystem macht es wesentlich teurer für Unternehmen, einen langjährigen Mitarbeiter zu entlassen. Wenn ein Abbau ansteht, trifft es zuerst die Jungen, weil sie oft noch keine Familie haben. Die Gewerkschaften setzen sich nur für die Arbeitnehmer ein, die schon einen Job haben. Den Jugendlichen bleibt als einzig wirksame Form der Auflehnung der öffentliche Protest. Weil viele Jugendliche aber ihrer Natur nach keine Randalierer sind, suchen sie Modelle der Zwischenfinanzierung: Diese reichen vom „Hotel Mama“ bis zu Hartz IV.
Den Teufelskreis, in den sie dabei geraten, merken die Jugendlichen of erst, wenn es zu spät ist: Wenn sich ein 35jähriger um einen Job bewirbt und in seinem Lebenslauf nur Stipendien, Auslandaufenthalte und Praktika aufzuweisen hat, sinken seine Chancen auf einen Job rapide - und zwar für immer.
Das Unbehagen über die ungleichen Chancen am Arbeitsmarkt dürfte auch einer der Gründe für die radikalen Veränderungen in der politischen Landschaft sein. In Italien etwa ist die Jugend-Arbeitslosigkeit sogar 3,3-mal so hoch wie die normale Arbeitslosigkeit. Es ist kein Zufall, dass Beppe Grillos Bewegung Movimento 5 Stelle vor allem von jungen Leuten getragen wird. Ihre Kritik am System, welches sich durch Korruption und Nepotismus selbst erhält, ist auch ein Protest gegen die eigene Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt.