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Bundesbank-Präsident Jens Weidmann befürchtet, dass die EZB den richtigen Zeitpunkt für einen Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes verpassen könnte. Die Finanzierungsbedingungen der Staaten hingen inzwischen viel unmittelbarer vom Vorgehen der Währungshüter ab als in Zeiten einer normalen Geldpolitik, sagte Weidmann am Mittwoch auf einer Veranstaltung in Essen laut Redetext. "Ich habe daher die Sorge, dass der EZB-Rat am Ende unter politischen Druck geraten könnte, die Zinsen länger als aus geldpolitischer Sicht vertretbar niedrig zu halten", sagte Weidmann. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Notenbanken seien zum größten Gläubiger der Euro-Staaten geworden.
Die Leitzinsen im Euro-Raum liegen bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Die EZB will so unter anderem für günstige Finanzierungsbedingungen sorgen. Im Oktober hatte sie zwar beschlossen, ihre vor allen in Deutschland umstrittenen monatlichen Anleihenkäufe ab Januar auf 30 Milliarden Euro zu halbieren. Die Transaktionen wurden aber zugleich bis mindestens Ende September 2018 verlängert. Aus Sicht von Weidmann wäre angesichts günstiger Konjunkturaussichten und anziehender Preise eine etwas weniger expansive Geldpolitik vertretbar gewesen.
Der wirtschaftliche Aufschwung im Euro-Raum sei inzwischen robuster geworden, sagte der Bundesbank-Präsident. Der Aufwärtstrend halte bereits seit 17 Quartalen an und habe alle Euro-Länder erfasst. "Diese Entwicklung dürfte auch noch eine Zeit weitergehen." Die Wirtschaftslage in Deutschland bezeichnete Weidmann als außergewöhnlich gut. "Die jüngst eingegangenen Konjunkturindikatoren deuten auch nicht darauf hin, dass die schwierige Regierungsbildung hierzulande die Stimmung spürbar trübt."
Die Bundesbank warnt ganz konkret vor zunehmenden Gefahren durch die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB. Zwar wachse die deutsche Wirtschaft inzwischen bereits das achte Jahr in Folge und Haushalte wie auch Unternehmen könnten sich günstig finanzieren, erklärte die Bundesbank am Mittwoch zur Vorlage ihres Finanzstabilitätsberichts 2017. Aber die Bewertungen vieler Kapitalanlagen seien inzwischen sehr hoch. Auch nehme der Anteil niedrig verzinster Anlagen in den Bilanzen von Banken und Versicherern stetig zu. Sorge bereitet der Bundesbank zudem die sich immer schneller drehende Preisspirale bei Immobilien.
"Je länger die Boomphasen dauern, desto größer ist die Neigung, diese in die Zukunft fortzuschreiben," sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Risiken aus Neubewertungen, Zinsänderungen und Kreditausfällen könnten dann gleichzeitig eintreten und sich gegenseitig verstärken. Unerwartete Entwicklungen könnten das Finanzsystem empfindlich treffen. "Die Banken müssen sich vor allem für den Fall eines Zinsanstiegs rechtzeitig wappnen", forderte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret.
Sorgenfalten bereitet der deutschen Notenbank der vielerorts kräftige Anstieg der Immobilienpreise. Dieser beschränkt sich laut Bundesbank mittlerweile nicht mehr nur auf die Metropolen, sondern trifft auch immer mehr kleinere Städte und Gemeinden. "Der Preisanstieg nimmt auch in der Fläche zu", so Buch. Nach wie vor ächzen jedoch in erster Linie Käufer von Eigentumswohnungen in den Großstädten unter teils massiven Preiserhöhungen. Modellrechnungen der Bundesbank kämen hier auf Übertreibungen von durchschnittlich bis zu 30 Prozent.
Die deutschen Wirtschaftsweisen hatten unlängst in ihrem Gutachten für die Bundesregierung von der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Kurswende gefordert, die über Anleihenkäufe Billionen in den Markt pumpt und die Leitzinsen bei null Prozent hält. Risiken für die Finanzstabilität sprächen für eine Normalisierung.
Die EZB sieht dagegen für den gesamten Euro-Raum keine erhöhten Risiken für die Finanzstabilität. Er sei im Zuge der jüngsten Konjunkturerholung viel widerstandsfähiger gegenüber möglichen Schocks geworden. "Die Finanzstabilitätssituation im Euro-Raum hat sich positiv entwickelt," sagte EZB-Vize Vitor Constancio. "Die verbesserte wirtschaftliche Lage unterstreicht die Einaschätzung, dass es keine generelle Überbewertung auf den Finanzmärkten der Euro-Zone gibt", so die EZB. Globale Risiken könnten aber zu plötzlichen Korrekturen an den Börsen führen - mit negativen Folgen für die Finanzstabilität.
Die EZB verwies unter anderem auf die Gefahr solcher plötzlicher Korrekturen an den Anleihemärkten. Große Investoren würden dann womöglich erhebliche Verluste zu verkraften haben. Insbesondere Investmentfonds wären laut EZB betroffen. So liege bei Versicherern und Pensionsfonds der Anleiheanteil in ihren Portfolios bei fast 40 Prozent. Sorgenkinder blieben zudem die vergleichsweise niedrige Ertragskraft der Banken und der nach wie vor hohe Bestand an faulen Krediten in ihren Bilanzen.