Politik

Streit eskaliert: EU-Kommission will Polen Stimmrechte entziehen

Lesezeit: 2 min
20.12.2017 14:31
Der Streit zwischen der EU-Kommission und Polen eskaliert. Die Kommission strebt einen Entzug der Stimmrechte Polens in der EU an.
Streit eskaliert: EU-Kommission will Polen Stimmrechte entziehen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Im Streit um die Justizreformen mit der Regierung in Polen geht die EU-Kommission bis zum Äußersten: Die Behörde beantragte am Mittwoch ein bisher nie eingesetztes Strafverfahren, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann, berichtet AFP. Darüber müssen nun die Mitgliedstaaten entscheiden. Darüber hinaus verklagt die Kommission Polen in einem schon laufenden Vertragsverletzungsverfahren zur Justizreform nun auch vor dem Europäischen Gerichtshof.

Die Regierung in Warschau habe in den vergangenen beiden Jahren insgesamt 13 Gesetze verabschiedet, die „eine ernsthafte Gefahr für die Unabhängigkeit der Justiz“ und der Gewaltenteilung darstellten, sagte EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans. „Gemeinsames Muster“ der Reformen sei, dass sie der regierenden Mehrheit die Möglichkeit gegeben hätten, „systematisch“ in das Funktionieren des Justizsystems einzugreifen.

Eine von der Kommission angestrebte Lösung des Konflikts über einen Dialog mit Polen sei gescheitert, sagte der Niederländer weiter. Nun habe die Behörde als „Hüterin der Verträge“ keine Wahl mehr gehabt, als „schweren Herzens“ das Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag einzuleiten.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat die Justizreform gegen die massive Kritik der EU-Kommission verteidigt. Die Reform sei notwendig, erklärte Morawiecki am Mittwoch via Twitter. Für Polen sei der Rechtsstaat genauso bedeutsam wie für die Europäische Union, versicherte er. Er trete für einen Dialog in Offenheit und Ehrlichkeit ein.

Die polnische Regierungspartei hat die angedrohte Verwarnung der EU-Kommission als „politisch motiviert“ zurückgewiesen. Die Entscheidung der Brüsseler Behörde entbehre jeder Grundlage, sagte eine Sprecherin der Partei PiS am Mittwoch in Warschau. „Das ist in unseren Augen eine rein politische Entscheidung“, wurde Sprecherin Beata Mazurek von der polnischen Nachrichtenagentur PAP zitiert.

Timmermans betonte, dass Brüssel weiter für einen „konstruktiven Dialog“ mit Warschau offen sei. Dazu erstellte sie eine weitere Empfehlung an Polen mit Maßnahmen, um den Konflikt beizulegen.

Ein Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag ist bisher niemals gegen einen Mitgliedstaat eingeleitet worden. Als nächstes müssen nun das Europaparlament zustimmen und die Mitgliedstaaten mit einer Mehrheit von vier Fünfteln (mindestens 22 Staaten) feststellen, dass es in Polen eine „eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung“ von europäischen Grundrechten gibt.

Vor Sanktionen wäre danach ein einstimmiger Beschluss nötig. Die ungarische Regierung hat jedoch bereits klargemacht, dass sie diesen mit ihrem Veto verhindern würde. Ungarn bleibt fest an der Seite der Warschauer Regierung. Das Vorgehen der EU-Kommission gegen Polen sei inakzeptabel und verletze die Unabhängigkeit des Landes, sagte der stellvertretende Regierungschef Zsolt Semjen am Mittwoch laut Nachrichtenagentur MIT. Daher werde Ungarn im Europäischen Rat sein Veto gegen den Beschluss einlegen und Polen verteidigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten vergangene Woche beim EU-Gipfel ihre Unterstützung für die Kommission erklärt, sollte diese die Einleitung des Strafverfahrens beschließen.

Das Artikel-7-Verfahren ist in der EU als „Atombombe“ im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten bekannt. In der Analogie soll es vor allem der Abschreckung dienen, aber eigentlich niemals eingesetzt werden.

Timmermans wies diesen Vergleich zurück. „Es ist keine nukleare Option“, sagte er. Auch Artikel 7 ziele auf eine Lösung des Konflikts. Die Mitgliedstaaten, die nun am Zug sind, könnten ihrerseits mit Warschau in einen Dialog treten, bevor sie weitere Entscheidungen träfen.

Im Fall eines Gesetzes, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet, zieht die Kommission nun vor den Europäischen Gerichtshof. Hierzu hatte die Behörde schon Ende Juli ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Bekommt Brüssel vor Gericht Recht, drohen Warschau empfindliche Geldbußen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...