Politik

Bundesbank: EU-Migration führt zu niedrigen Löhnen in Deutschland

Lesezeit: 2 min
19.01.2018 00:29
Die Bundesbank sieht einen Zusammenhang zwischen der Freizügigkeit in der EU und den niedrigen Löhnen in Deutschland.
Bundesbank: EU-Migration führt zu niedrigen Löhnen in Deutschland

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat bei einer Rede auf einer von der Bundesbank gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) abgehaltenen Tagung in Frankfurt auf den Zusammenhang zwischen den anhaltend niedrigen Löhnen in Deutschland und der Binnen-Migration in der EU aufgezeigt. Weidmann sagte: „Untersuchungen der Bundebank deuten darauf hin, dass die Zuwanderung aus anderen EU-Mitgliedsstaaten teilweise für den gedämpften Lohndruck in Deutschland verantwortlich ist.“ Die Financial Times schreibt, dass laut EU-Statistik etwa 2,7 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter aus anderen EU-Staaten in Deutschland leben.

Die FT sieht die Aussagen Weidmanns als eine „Intervention in die Innenpolitik“, die zu einem Zeitpunkt komme, da Bundeskanzlerin Angela Merkel bemüht sei, mit der SPD eine Koalition zu formen.

Weidmann sagte, dass die niedrigen Löhne auch auf andere Ursachen zurückzuführen seien – wie etwa die Reduzierung der Arbeitszeit oder mehr Zeit für Schulungen. Weidmann sagte, dass eine ähnliche Entwicklung auch in anderen Staaten wie den USA, Großbritannien, Japan und Schweden zu beobachten sei. Dies sei, wie Untersuchungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) ergäben, auch auf die Globalisierung des Arbeitsmarktes zurückzuführen. Unternehmen hätten ihre Wertschöpfungskette global angelegt, weshalb unterschiedliche Arbeitsmärkte in verschiedenen Ländern miteinander konkurrierten.

Weidmann verteidigte die Überschüsse in der deutschen Handelsbilanz: Man könne den deutschen Überschuss nicht isoliert sehen, sondern müsse die Euro-Zone als Ganzes betrachten, deren kumulierte Handelsbilanz weit weg von den deutschen Überschüssen liege.

Der merkliche Anstieg des Überschusses in der jüngsten Vergangenheit sei eine Folge der niedrigen Öl- und Rohstoffpreise und des relativ schwachen Euro gewesen. Zudem spiegele der erhöhte Überschuss auch die sehr lockere Geldpolitik in der Euro-Zone wider. Deutschland gerät wegen seiner enormen Exportüberschüsse immer wieder international in die Kritik.

Der deutsche Überschuss sei das Ergebnis von Entscheidungen der Unternehmen und Verbraucher in Deutschland und im Ausland, sagte Weidmann. "Ich kenne keine fehlgerichteten Initiativen wie protektionistische Maßnahmen zur Verhinderung von Importen oder zur Förderung von Exporten." Auch gebe es keine Manipulation des Wechselkurses, um Leistungsbilanzüberschüsse zu schaffen. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts erzielte Deutschland 2017 wegen seiner Exporterfolge den weltweit größten Überschuss in der Leistungsbilanz. Mit umgerechnet 287 Milliarden Dollar fiel er demnach mehr als doppelt so groß wie der von Exportweltmeister China. Damit lag Deutschland zum zweiten Mal in Folge vor allen anderen Ländern.

IWF-Chefin Christine Lagarde forderte Deutschland auf der Konferenz auf, bestehende Finanzspielräume für mehr Investitionen zu nutzen, um so den Überschuss zu senken. "Eine Verringerung des deutschen Überschusses würde dabei helfen, die globalen Ungleichgewichte abzubauen, die uns beim IWF klar Sorgen bereiten," sagte die Französin. Die zunehmende Gefahr des Protektionismus hänge auch mit Anhäufung von Überschüssen in der Leistungsbilanz in manchen Ländern zusammen. IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld wurde konkreter: "Es drohen auch Vergeltungsmaßnahmen mit Handelsbeschränkungen, indem protektionistische Kräfte in den importierenden Ländern angefacht werden."

Der Protektionismus könnte sich auch auf die Arbeitsmärkte erstrecken: Eines der Hauptargumente der Betreiber des EU-Austritts von Großbritannien sei die Entwicklung des britischen Arbeitsmarktes gewesen, auf dem die britischen Arbeitnehmer von Migranten aus der EU verdrängt worden seien. Für die Geldpolitik ergibt sich laut Weidmann ein Dilemma, das durch die demografische Entwicklung wachsen werde: Ab dem Jahr 2020 erwartet Weidmann eine Verschärfung, weil im Verlauf des nächsten Jahrzehnts auf einen Arbeitnehmer ein Rentner kommen werde. Weidmann: „Ohne umfassende politische Maßnahmen bedeutet dies eine erhebliche Verlangsamung des potenziellen Wachstums. Und die Auswirkungen werden sich nicht auf Deutschland beschränken. Eine deutliche Verringerung des Wachstumspotenzials in der größten Volkswirtschaft des Euroraums würde den Gesamtzustand der Wirtschaft im Euro-Währungsgebiet belasten. Dies könnte auch zu niedrigeren langfristigen Zinssätzen in der Währungsunion führen. Dies wiederum würde die geldpolitischen Entscheidungsträger nicht erleichtern.“

Weidmann hält eine weitere Integration der Eurozone in diesem Zusammenhang durchaus für zielführend und schloss auch eine gemeinsame Einlagensicherung nicht aus. Allerdings dürfe diese nicht die Altlasten der europäischen Banken wie etwa faule Kredite absichern. Die gemeinsame Einlagensicherung dürfe nicht zu „sorglosem Verhalten in der Zukunft ermuntern“. Weidmann forderte außerdem eine Neubewertung der Bestände von Staatsanleihen in den Bankbilanzen: „Meines Erachtens muss die bevorzugte Behandlung von Staatsschulden in den Bankbilanzen in Europa abgeschafft werden, um eine Vergemeinschaftung von Staatsrisiken durch die Hintertür zu vermeiden. Kredite an Regierungen sind nicht risikofrei, wie uns die Staatsschuldenkrise in unmissverständlicher Weise in Erinnerung gerufen hat.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...