Politik

Missbrauch von Staats wegen: Die falsche Regulierung des Internet

Lesezeit: 7 min
29.01.2018 00:59
In Davos haben führende Politiker gezeigt, dass die Regulierung des Internet in die falsche Richtung läuft: Sie behindert die Innovation und schafft den staatlichen Behörden Zugriffe, von denen die Nutzer nichts wissen.

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Die entscheidenden Politiker der Welt, aber vor allem aus Europa mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze, verkündeten Donnerstag und Freitag beim Weltwirtschaftsforum in Davos, die Politik müsse sich um die Digitalisierung kümmern, weil sonst die Menschen, die Gesellschaft unter die Räder der Technik geraten und Massenarbeitslosigkeit unvermeidlich wäre. Zum Beginn der neuen Woche sei laut gesagt: Das ist kein Thema für die Politik, die die Entwicklung bereits behindert und selbst nicht in der Lage ist, Unternehmen zu schaffen. Mit hohen Steuern und Abgaben werden alte Strukturen und überholte Bürokratien erhalten und den Unternehmen die Mittel entzogen, die sie brauchen um neue Perspektiven zu nutzen. Tatsächlich wussten die Sprecher in Davos auch nur zu sagen, dass hier ein großes Thema bestehe, konnten aber keine konkreten Maßnahmen formulieren. Vor einigen Wochen hatte sich der französische Präsident, Emmanuel Macron, sogar zu der krausen Idee verstiegen, man müsse die Digitalisierung regulieren und von einer EU-Behörde überwachen lassen.

Die neue Welt ist nicht so neu wie sie aussieht

An erster Stelle sei auf die Sprache verwiesen: Die Endung „-isierung“ zeigt, dass bestehende Vorgänge verändert werden. Einfach formuliert: Arbeitsabläufe, Produktionen und Verkaufsmaßnahmen werden automatisiert und beschleunigt. Zwei Gruppen schreien auf:

  • Pessimisten, die nur den Verlust von Arbeitsplätzen durch die Automatisierung sehen, und nicht die enorme Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
  • Computer-Spezialisten: Es gehe nicht darum, die alte Welt zu verändern, die analoge Welt zu digital-isieren! Erforderlich sei die Schaffung neuer, anderer Welten.

Eine technische Neuerung setzt sich nur durch, wenn sie von den Menschen angenommen wird. Diese Voraussetzung ist vor allem dann gegeben, wenn vertraute Ziele auf angenehmere Weise erreicht werden können. Diesem Grundmuster jeder Innovation kann sich auch die Digitalisierung nicht entziehen.

  • Emails sind nichts anderes als Briefe, die nur schneller geschrieben und schneller beantwortet werden. SMS, Facebook und Twitter ersetzen den Tratsch auf dem Dorfplatz ebenso wie die Überbringung von feinen Billets auf einem Silbertablett durch einen livrierten Diener.
  • Eine Gesundheits-App, die über Blutdruck, Zuckerspiegel, Sauerstoff und Fett informiert, agiert wie der Leibarzt von Königen vergangener Jahrhunderte, nur besser und für Millionen Menschen gleichzeitig.
  • Ein Roboter, der Medikamente herbeibringt, Gedichte rezitiert und den Staub saugt, fungiert als Pfleger, Hausdame, Bedienerin und Butler in einem, allerdings für zahllose Menschen, die von den Domestiken vergangener Aristokraten nicht einmal träumen können.

Alle Beispiele beziehen sich auf Tätigkeiten, die es immer gegeben hat, die nur durch die Digitalisierung für alle zugänglich werden. Es sind vertraute Ziele, die auf andere Weise als bisher erreicht werden und keine neuen. Somit stimmt in diesem Zusammenhang das Wort von der Digital-isierung. Die Liste der Beispiele lässt sich beliebig fortsetzen, ob man in eine Fabrik schaut, wo moderne Techniken die Abläufe verändern oder in einen entlegenen Bauernhof, der „Ab-Hof“ über Internet und eine effiziente Kühllogistik seine Produkte in alle Welt verkauft: Altvertrautes geschieht, nur leichter und schneller und vor allem für einen gigantischen, früher unerreichbaren Markt.

Die IT-Experten erklären: Die Quantität wird zur Qualität

Die Vertreter der IT-Welt hören das nicht sehr gerne. Ihnen wäre eine andere Formulierung lieber: „Digitale Innovation“ wäre besser, weil nicht die Übertragung der „analogen“ in die „digitale“ Welt im Vordergrund stehen dürfe, sondern die Schaffung von Neuem.

Und so wird auf die immer leistungsfähiger werdenden Computer verwiesen, auf die modernen Geräte wie Smartphones oder Laptops und ähnliches mehr. Allerdings müssen die Vertreter der Innovation erkennen, dass die Geräte für traditionelle Arbeiten verwendet werden.

Somit rücken zwei Begriffe in den Vordergrund, die Neues signalisieren sollen:

An erster Stelle der „echten“ Innovationen steht die „Künstliche Intelligenz“ der modernen Computer und insbesondere der Roboter. Die Maschinen haben einen großen Bestand an Informationen und verfügen über hochentwickelte Programme mit Algorithmen, die sie in die Lage versetzen, sich mit Hilfe ihrer umfangreichen Daten neu zu orientieren. Beispiel: Ein Roboter soll Butter aus der Küche holen, findet ihn nicht am gewohnten Ort und sucht Butter anderswo, weil er das Ziel Butter kennt und in seinen Daten zahllose Alternativen erfasst hat und kombinieren kann. „Wie ein Mensch“ findet er die Butter oder auch nicht.

Ebenfalls in der Kategorie Innovation wird „Big Data“ gesehen. Die Computer können unendlich viele Daten erfassen und in kürzester Zeit auswerten. Durch diese Fähigkeit wird, nach Ansicht vieler Analysten, die Quantität zur Qualität. Zwei Beispiele:

  • Beispiel Nummer eins: Nachdem die Fragen von Millionen Nutzern der Suchmaschinen, allen voran Google, erfasst werden, lässt sich leicht feststellen, welche Produkte und Dienstleistungen die Konsumenten schätzen und welche sie ablehnen. Diese Informationen gab es in der Vergangenheit für Anbieter nicht und eröffnen somit neue Wachstumschancen.
  • Beispiel Nummer zwei: Derzeit werden weltweit Millionen von Diagnosen, Behandlungen und Ergebnissen erfasst und ausgewertet, die ein einzelner Mediziner nie berücksichtigen könnte. Diese Daten würden gekoppelt mit einem Operationsautomaten den Arzt überflüssig machen, wird argumentiert. Realistischer ist, dass der Arzt, unterstützt durch diese Neuerungen, besser, aber nicht überflüssig wird.

Die bisherigen Erfahrungen mit der Automation

Aus all diesen Entwicklungen, die sämtliche voll im Gang sind, leiten viele Politiker, Soziologen und notorische Pessimisten den Schluss ab, dass nun eine Massenarbeitslosigkeit ausbrechen müsse. Diese Gefahr ergibt sich aber nicht aus den geschilderten Neuerungen, sondern, im Gegenteil, aus den ebenfalls derzeit betriebenen Bemühungen, die überlieferten Strukturen zu erhalten und die Innovation zu behindern.

Vorerst aber zu den Chancen:

Das größte Beispiel: Bis in die dreißiger Jahre waren in Mitteleuropa mehr als dreißig Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt, jetzt sind es im Gefolge einer umfassenden Automatisierung etwa 4 Prozent. Heute gibt es mehr Arbeitsplätze als je zuvor in der Geschichte.

In der Medienlandschaft wurde in Abständen der Untergang verkündet. Das Radio, später das Fernsehen, dann die Videos, die Automatisierung der Zeitungs- und Buchproduktion, die den Text auf dem Computer des Autors zur Druckunterlage machte, bis hin zum Informationstsunami Internet, alle Etappen haben zwar grundlegende Veränderungen ausgelöst und tun dies auch aktuell. Aber: Die Medien- und Unterhaltungsbranche hat in dieser Zeit einen enormen Aufschwung verzeichnet.

Die Buchhaltungsprogramme haben bereits frühzeitig für die Vernichtung von Arbeitsplätzen gesorgt. Doch zeigt die weitere Entwicklung, dass die immer bessere Automation neue Möglichkeiten eröffnet, vor allem eine rasche und umfassende Auswertung der Daten ermöglicht und für ein besseres Management der Firmen sorgt. Letztlich wurden mehr neue Arbeitsplätze geschaffen, wozu allerdings leider nicht nur die Verbesserung der Unternehmensführung, sondern auch die zahllosen Regulierungen der EU und der Staaten beigetragen haben.

Die Automation in der Produktion setzt ohne Zweifel Arbeitskräfte frei. Gleichzeitig eröffnet das Internet einen globalen Markt und somit neue Chancen, die von vielen Verkäufern genutzt werden müssen.

Moderne Techniken von den 3D-Druckern bis zu Nanotechnologie ermöglichen insbesondere in zahllosen mittelständischen Firmen die Entwicklung neuer Produkte und die Erschließung neuer Märkte.

Nun hört man vielfach: Das habe alles in der Vergangenheit gestimmt, doch jetzt sei alles anders. Die Computer übernehmen die Arbeit, denken selbst und entwickeln sich ohne Hilfe von außen selbst weiter und machen den Menschen überflüssig.

Gefahren bestehen tatsächlich, aber nicht durch die Digitalisierung, sondern durch die weit verbreiteten Versuche, die alte Welt zu erhalten. Diese Tendenz spielt auch in der Politik eine wichtige Rolle. Neben anderen Beispielen sei auf den Wahlkampf der US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump verwiesen. Vor allem die Parole „Make America great again“ überzeugte besonders jene Wählergruppen, die sich als Verlierer der Modernisierung fühlen und sich nach den alten Zeiten sehnen, da ein amerikanischer Fabrikarbeiter das soziale Prestige genoss, das heute einem IT-Fachmann gezollt wird.

Behinderung und Missbrauch der Digitalisierung bekämpfen

Die Gefahr der Massenarbeitslosigkeit ergibt sich aus mehreren Faktoren:

  • Vor allem in Europa werden Steuern und Abgaben eingehoben, die in etwa die Hälfte der Wirtschaftsleistung aufzehren. Diese gigantischen Beträge werden überwiegend zur Erhaltung der bestehenden, staatlichen Einrichtungen verwendet.
  • Eine entscheide Rolle spielt das frühe Renteneintrittsalter, das enorme Belastungen der Budgets auslöst, die die aktive Bevölkerung finanzieren muss.
  • In der Bevölkerung ist die Bereitschaft zu Neuem nicht stark verankert. Man hält an traditionellen Arbeiten fest. Wenn die Arbeitslosengelder und die Renten ausreichend attraktiv sind, nutzen viele diese Möglichkeiten und bemühen sich nicht um neue Aufgaben. Dabei sind im Zeitalter der Digitalisierung nur mehr sehr wenige Arbeiten so anstrengend, dass man sie nicht vor einem Computer bis ins Alter ausüben könnte.
  • Neben der staatlichen Bremsen wirkt sich das vielfach falsche Management aus: In zahllosen Firmen wird versucht, durch Einsparungen und Personalreduktionen die alten Strukturen zu retten statt mit neuen Produkten neue Ertragschancen zu erschließen.

Zahlreiche neue Arbeitsplätze können eine Massenarbeitslosigkeit verhindern

Die Politik wäre hilfreich, würde sie diese Bremsen bekämpfen. Dann könnten die Unternehmen ¬ wenn sie nicht durch rückwärts gerichtete Manager behindert werden – die Möglichkeiten nutzen und neue Arbeitsplätze schaffen, die die tatsächlich unvermeidlichen Verluste ausgleichen.

  • In einer digitalen Welt werden mehr Programmierer gebraucht, als je zuvor.
  • Reparieren werden sich in beschränktem Umfang vielleicht einige Geräte. Die Masse der Anlagen in den Firmen werden weiterhin geradezu ein Heer von Service-Leuten beschäftigen.
  • Um die digitale Welt zu nutzen, müssen die Mitarbeiter die Ziele, die Produkte, die Abläufe genauer denn je analysieren und formulieren. Programmierer können nur Programme schreiben, die präzise definiert sind.
  • Um allerdings in der Lage zu sein, gesamte, komplizierte Abläufe zu verstehen oder auch nur den eigenen Platz in der Kette der Aufgaben im Rahmen eines Prozesses zu begreifen, bedarf es einer bessere Bildung und Ausbildung vieler Arbeitskräfte. Wieder das Wechselspiel der Argumente: „Das werden die Menschen nicht schaffen und arbeitslos werden“ gegen „ Der Bildungsbereich wird zum Wachstumsmotor und die Menschen werden auf höherem Niveau mehr verdienen.“
  • Der Verlust von Arbeitsplätzen in der Produktion wird mehr als ausgeglichen durch die Notwendigkeit, die gigantischen Märkte durch eine große Zahl von Verkäufern bearbeiten zu lassen.

Somit entsteht tatsächlich eine neue Welt, die unendliche Möglichkeiten schafft und für zahlreiche, neue Arbeitsplätze sorgt. Die Gefahren sind nur gegeben, wenn die Hälfte der Wertschöpfung ausgegeben wird, damit der Staat alte Strukturen erhält und viele Menschen sich nicht den Herausforderungen stellen müssen.

An dieser Stelle ist der Hinweis auf die USA geboten. Auch in den USA gibt es Unternehmen, die das Alte erhalten wollen, und Arbeitnehmer, die sich Neuem nicht stellen. Doch generell ist die Steuerlast extrem niedriger und wird aktuell durch eine generell nicht unproblematische Steuersenkung sogar noch verringert. Auch werden die Unternehmen in den USA nicht durch überbordende Regularien behindert. In Europa wird ab Mai in Ergänzung zu den zahllosen Vorschriften in allen Bereichen die neue EU-Datenschutzgrundverordnung die Unternehmen zwingen, vorhandene Daten zu löschen, statt sie für die Digitalisierung zu nutzen. Auch sind im Verkehr mit den Kunden Behinderungen vorgesehen. Unter diesen Umständen werden die nächsten Unternehmen, die in absehbarer Zeit Microsoft, Google, Facebook, Snapchat oder Twitter ablösen, wieder in den USA entstehen und nicht in Europa.

Hilfreich könnte die Politik allerdings in einem Bereich sein: Zahlreiche Computerprogramme werden so gestaltet, dass der Zugriff von außen in einer Weise ermöglicht wird, die der Nutzer nicht sieht, aber den Produzenten der Programme Informationen liefert. Dieser Praxis Einhalt zu gebieten, wäre für die Entwicklung der Digitalisierung nützlich. Dann könnten auch Hacker nur beschränkt ihre kriminellen Aktivitäten ausüben. Nur sind Geheimdienste, Finanzämter und andere öffentliche Stellen wie die Polizei und die Justiz selbst daran interessiert, in die Computer eindringen zu können. Statt hier Schutzmaßnahmen zu ergreifen beschließt die Politik Gesetze, die für die Ämter derartige Maßnahmen legalisieren und damit auch gleich die Hacker fördern – und das weltweit.

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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