EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat eine Äußerung zu möglichen Finanzmarktturbulenzen nach der Parlamentswahl in Italien zurückgezogen. „Ich denke, ich bin vollkommen missverstanden worden“, sagte Juncker am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. Die EU-Kommission gehe davon aus, dass es nach der Wahl eine handlungsfähige italienische Regierung geben werde. „Was ich gestern gesagt habe, war irreführend. (...) Ich bin nicht besorgt.“
Juncker hatte am Donnerstag bei einer Diskussionsveranstaltung gesagt, er fürchte „eine starke Reaktion auf den Finanzmärkten“ in der zweiten März-Woche nach der Italien-Wahl und dem SPD-Mitglieder-Votum über den Koalitionsvertrag. Dabei mache er sich „mehr Sorgen über das Ergebnis der italienischen Wahlen“. Die Kommission bereite sich deshalb auf das „Worst case“-Szenario vor, dass es keine handlungsfähige italienische Regierung geben werde.
Tatsächlich hat sich Juncker in den vergangenen Jahren immer wieder zu Wahlen in Mitgliedsstaaten geäußert. Vor allem während der Griechenland-Krise hatten er und andere EU-Spitzen vor Chaos in Griechenland gewarnt. Mittlerweile hat sich die EU allerdings mit der linken Syriza-Bewegung auf eine gute Zusammenarbeit geeinigt.
Beim Gipfel setzten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein ungewöhnliches Zeichen der Unterstützung mit Italien. Sie machten ihre Auftakterklärung gemeinsam mit dem sozialdemokratischen italienischen Regierungschef Paolo Gentiloni. Alle drei äußerten sich allerdings nur zu einem vorangegangenen Treffen mit afrikanischen Ländern des Sahel-Gebiets.
In Italien stehen am 4. März Parlamentswahlen an, deren Ausgang vollkommen unklar ist. Die Lega Nord beispielsweise peilt bei einem Sieg eine Änderung der Europäischen Verträge an. Einer der Favoriten bei der Wahl ist zudem der ehemalige Premierminister Silvio Berlusconi.
Die Ungewissheit über den Ausgang der Parlamentswahl in Italien machte den Anleihen des Landes zu schaffen. Die Kurse der zehnjährigen Titel fielen, im Gegenzug kletterte die Rendite in der abgelaufenen Woche um zehn Basispunkte und steuerte damit auf den größten Wochenanstieg in diesem Jahr zu. Am Freitag lag die Rendite zeitweise bei 2,103 Prozent. Experten rechnen bei der Wahl am 4. März mit einem deutlichen Erfolg für die Euro-skeptischen Parteien des Landes und langwierigen Koalitionsgesprächen. Sollte es nach dem Urnengang keine klaren Mehrheitsverhältnisse geben, dürfte ein langwieriger politischer Kuhhandel beginnen, prognostizierte Claudio Ferrarese, Fondsmanager bei Fidelity.