Deutschland

Innensenator entlässt Berliner Polizei-Präsidenten

Lesezeit: 2 min
26.02.2018 13:35
Der Berliner Innensenator hat den Polizeipräsidenten der Hauptstadt in den Ruhestand versetzt.
Innensenator entlässt Berliner Polizei-Präsidenten

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

14 Monate nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz muss der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt seinen Posten räumen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte am Montag, er habe Kandt in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. „Ich muss die Behörde von den Debatten der Vergangenheit befreien“, wird er von AFP zitiert.

Die Aufarbeitung des Anschlags hatte eine Reihe schwerer Pannen und Fehleinschätzungen im Umgang mit dem späteren Attentäter Anis Amri ergeben. „Keiner dieser Punkte hat allein dazu geführt, dass ich diese Entscheidung treffe", sagte Geisel mit Blick auf das Attentat und andere Probleme der Berliner Polizei.

Kandt wird ab März von Michael Krömer, Chef der Polizeidirektion 5 vertreten. Bis dahin leitet Kandts Stellvertreterin, die künftige Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers, die Behörde. Geisel sagte, er hoffe bis Mitte April einen Nachfolger berufen zu können. Er habe bereits einen Kandidaten im Hinterkopf.

Geisel sagte, der Wechsel von Koppers gebe Gelegenheit für einen Neustart mit einer neuen Doppelspitze. Der Innensenator bedankte sich bei dem 57-jährigen Kandt für eine „selbstkritische und schonungslose“ Aufarbeitung von Fehlern der Vergangenheit.

„Ich wurde heute Morgen zum Innensenator einbestellt und in den Ruhestand versetzt“, sagte Kandt selbst der Zeitung Die Welt. Geisel habe einen „innenpolitischen Neuanfang beschlossen“. „Mich hat das sehr überrascht - meine Behörde ist gut aufgestellt, wir stehen finanziell gut da“, sagte Kandt.

Der Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus zu Amris Anschlag vom Dezember 2016 hatte diverse Pannen im Landeskriminalamt ans Licht gebracht. Es wurde deutlich, dass die auch für islamistische Gefährder zuständige Staatsschutzabteilung 5 über Jahre unterbesetzt war und dortige Ermittler die Probleme ihren Vorgesetzten wiederholt, aber vergeblich gemeldet hatten.

Gegen Kandt und seine bisherige Stellvertreterin Koppers wird zudem wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Amt durch Unterlassen ermittelt. Mehrere Beamte sollen in der Folge von Schadstoffbelastungen an maroden Schießständen zum Teil schwer erkrankt sein.

Ferner gab es im vergangenen Jahr Probleme an der Berliner Polizeiakademie mit Bewerbern aus arabischen Großfamilien, bei der Gewinnung von Nachwuchs sowie peinliche Einbrüche in Polizeigebäude. Zudem machten Berliner Polizisten bundesweit Schlagzeilen, als für den G20-Gipfel nach Hamburg beorderte Einsatzhundertschaften wegen Fehlverhaltens wieder nach Hause geschickt wurden.

„Das ist ein brutaler Angriff auf die Unabhängigkeit der Polizei“, kritisierte der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Florian Graf, Kandts Abgang. Er vermutete „politische Gründe“ hinter der Entscheidung. „Klaus Kandt passte vielen in der rot-rot-grünen Koalition schon lange nicht in den Kram.“ Allerdings hatte auch die Berliner FDP wegen der Pannen im Fall Amri Kandts Rücktritt gefordert.

Auch die Berliner Sektion der Deutschen Polizeigewerkschaft kritisierte Geisel. „Die Polizei Berlin mit einem Streich komplett führungslos zu machen, ist ein sicherheitspolitischer Ritt auf der Rasierklinge“, erklärte die Gewerkschaft im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Der frühere SEK-Teamführer Kandt hatte auf verschiedenen Führungsposten in Brandenburg und Berlin Karriere gemacht, bevor er im Sommer 2008 Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin wurde. Der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) ernannte das CDU-Mitglied im Dezember 2012 zum Berliner Polizeipräsidenten.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...