Politik

Maas droht erste Schlappe für deutsche Außenpolitik

Bundesaußenminister Maas kämpft in New York für einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Er hat allerdings schlechte Karten und könnte es sich zu schnell mit Russland verscherzt haben.
28.03.2018 17:25
Lesezeit: 3 min

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Außenminister Heiko Maas steht in New York im Rennen um einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat möglicherweise vor einer ersten empfindlichen Niederlage. Sein größtes Problem: Deutschland muss gegen Israel antreten, das die Unterstützung der USA hat. US-Präsident Donald Trump und sein für den Nahen Osten zuständiger Schwiegersohn Jared Kushner sehen sich als engagierte Anwälte der Sache Israels im Nahen Osten.

Maas hat in diesem Bereich wenig Erfahrung. Zwar besuchte er erst vor wenigen Tagen Israel, der Besuch blieb jedoch auf einer sehr protokollarischen Ebene. In der Nahost-Politik spielt Deutschland schon lange keine Rolle mehr. Maas verlegte sich in Israel daher auf allgemein-moralische Themen und warnte vor dem Antisemitismus.

Anfang Juni steht in der UN-Vollversammlung die Entscheidung an, welche beiden Länder 2019/2020 die Staatengruppe der westlichen Demokratien im höchsten UN-Gremium als nichtständige Mitglieder für zwei Jahre vertreten werden. Mit Israel gibt es ungewöhnliche und möglicherweise auch unangenehme Konkurrenz für Deutschland. In den USA machen konservative Kreise und Lobby-Gruppen Stimmung gegen die deutsche Kandidatur. So sprach die "New York Post" in einem Kommentar von einem "schamlosen Machtkampf" Deutschlands gegen Israel. Auch der designierte US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, mischte sich auf Twitter ein: Er forderte, Deutschland müsse eine alte Vereinbarung aus dem Jahr 2000 respektieren. Es sagte damals nach Darstellung der "Zionist Organisation of America" zu, 2019 nicht für den Sicherheitsrat zu kandidieren.

Die jeweils zehn nicht-ständigen Sitze im Sicherheitsrat werden nach einem regionalen Proporz vergeben. Im Jahr 2000 wurde Israel (mit, wie Reuters schreibt) Unterstützung eines deutschen Spitzendiplomaten – der Staatengruppe westlicher Demokratien Europas und Nordamerikas zugeschlagen. Nur so hat Israel überhaupt eine Chance, jemals in das höchste UN-Gremium einzuziehen.

Das Außenamt wurde von der Entwicklung sichtlich überrascht. Diplomaten verneinen, dass es jemals eine Zusage zu einem deutschen Verzicht 2019 gegeben habe. Zum anderen sei von einem Vorstoß der Regierung Israels für einen deutschen Verzicht bisher nichts bekannt. Deutschland kandidiere für alle offen erkennbar regelmäßig seit Jahrzehnten genau alle acht Jahre für einen nicht-ständigen Sitz, zitiert Reuters anonyme Diplomaten. Bereits beim letzten Ausscheiden aus dem Gremium 2012 stand also schon fest, wann die Bundesrepublik wieder antreten würde. Offiziell meldete die Bundesregierung die neue Kandidatur nach Angaben des Auswärtigen Amtes 2013 an. Ein Jahr später teilte es mit, dass mehrere Dutzend Staaten den Wiedereinzug Deutschlands 2019/2020 unterstützen würden. 2016 lief die Werbekampagne an, die unzählige Treffen mit Botschaftern, Ministern und Regierungschefs anderer Staaten in New York und weltweit nach sich zieht – wie nun den Maas-Besuch.

Überraschen kann die deutsche Kandidatur auch nach Meinung von EU-Diplomaten ohnehin nicht. Denn die größte EU-Volkswirtschaft gehört zu den mit Abstand größten Geldgebern der UN und engagiert sich militärisch von Mali über Irak bis Afghanistan. Deutschland gilt als multilaterales Vorbildland, übt Mittler-Funktionen aus und genießt wegen hoher Hilfszahlungen auch in vielen Entwicklungsländern hohes Ansehen – gerade in einer Zeit, in der US-Präsident Donald Trump mehr auf nationale Alleingänge als internationale Kooperation setzt. "Deutschland ist fähig und bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen", warb Maas vor seiner Abreise.

Dass pro-israelische Kreise in den USA nun mobil machen, führen deutsche Diplomaten nicht nur auf die veränderte politische Stimmung unter Trump zurück. Entscheidend für den Zeitpunkt der Attacke sei, dass wohl vorsorglich ein Schuldiger gesucht werde, sollte Israel scheitern. Und dies sei eher wahrscheinlich. Denn für die zwei Plätze der Ländergruppe Europa/Amerika gibt es mit Deutschland, Israel und Belgien drei Kandidaten. UN-Diplomaten schätzen, dass es dem jüdischen Staat wegen der Anti-Israel-Haltung vieler arabischer Staaten in der Vollversammlung schwerfallen dürfte, eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu bekommen.

Die SPD erwartet von Maas, dass er für den deutschen Erfolg kämpfen werde. "Die Bundesregierung sollte die Kandidatur aufrecht erhalten", sagte der SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich am Mittwoch zu Reuters. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine deutliche Zahl der UN-Mitglieder hinter die Kandidatur der israelischen Regierung stellen würde, nachdem in der Vollversammlung eine große Mehrheit gegen die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt gestimmt hat." Auch der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour ist gegen einen deutschen Rückzug. "Es ist vielmehr sinnvoll sich nun abzusprechen, um die Kandidaturen gegenseitig zu unterstützen", schlägt er vor. Falls Israel scheitern sollte, würde Deutschland Israels Interessen im Sicherheitsrat mit vertreten.

Das wird Deutschland allerdings erst der Regierung in Jerusalem klar machen müssen: Vor allem die EU-Haltung zu den besetzten Gebieten und die mehr oder weniger unverhohlene Unterstützung der Israel-Boykott-Bewegung hat in den vergangenen Jahren mehr Spannungen als Gemeinsamkeiten zu Tage gefördert.

Neben Mass wirbt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bei jeder Gelegenheit etwa in Afrika regelmäßig für das deutliche Anliegen. "Da unterstützen wir uns gegenseitig", sagte sie etwa Ende Februar nach einem Treffen mit dem Präsidenten Ghanas Nana Addo Dankwa Akufo-Addo. Dieser sagte prompt seine Unterstützung auch für einen ständigen deutschen Sitz zu, den CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag ebenfalls anstreben. Es sei völlig klar, dass die Zusammensetzung des Sicherheitsrats die Zeit zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945, aber nicht mehr die heutige Realität abbilde, sagte Akufo-Adoo und verwies auf die mittlerweile 54 unabhängigen Staaten des Kontinents, die anders als die USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien über keinen ständigen Sitz verfügen.

Möglicherweise könnte Russland eine wichtige Rolle spielen: Die Russen kooperieren eng mit Israel im Syrien-Krieg und haben sich in der Arabischen Welt als Partner der Wahl etabliert. Wie Russland sich dagegen zu Deutschland verhalten wird ist, unklar: Maas hatte sich nach der angeblichen Vergiftung eines britischen Spions als einer der ersten mit scharfen Worten gemeldet – ohne allerdings die Fakten zu kennen. Maas hatte außerdem in seiner Antrittsrede behauptet, Russland grenze sich immer mehr ab und befinde sich in Gegnerschaft zum Westen.

Die israelische Regierung hat dagegen bisher ausdrücklich auf eine Schuldzuweisung Russlands verzichtet – vermutlich, weil Israel über den Mossad im Besitz wichtiger Informationen sein dürfte.

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