Politik

Schüsse auf Ermittler: Gift-Angriff in Syrien kaum aufzuklären

Die Aufklärung des angeblichen Giftgasangriffe im syrischen Duma wird immer unwahrscheinlicher.
18.04.2018 23:47
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die internationale Mission zur Untersuchung des mutmaßlichen Giftgas-Einsatzes in Syrien dürfte kaum von Erfolg gekrönt sein. Ein Voraus-Team der UNO wurde am Mittwoch in der Stadt Duma beschossen, als es die Sicherheitsbedingungen für den Einsatz der Waffeninspekteure prüfen wollte, wie ein UN-Vertreter laut AFP und Reuters berichtete. Die Experten sitzen seit Samstag in Damaskus fest und warten bislang vergeblich auf ihren Einsatz.

Die Expertenmission steht unter Zeitdruck: Die Rückstände von Giftgas werden von westlichen Medien als "sehr flüchtig" bezeichnet. Die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) soll deshalb laut AFP nach einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz am 7. April auf eine rasche Untersuchung gedrängt haben, um Beweise zu sichern.

Der Einsatz der Experten vor Ort in Duma verzögerte sich Angaben der OPCW dann zunächst, weil Syrien und Russland wegen Sicherheitsbedenken keine Genehmigung zur Reise erteilen wollten. Am Montag schließlich sicherte Russland für Mittwoch einen Beginn der Inspektion zu.

Die Sicherheitsbedenken scheinen allerdings begründet gewesen zu sein, wie die Schüsse und eine Explosion belegen. In Duma sind zwar die meisten Söldner besiegt, aber schon an anderen Orten wie Aleppo oder Idlib hatte sich gezeigt, dass einzelne Widerstandsnester auch noch Tage nach der offiziellen Kapitulation noch nicht ausgehoben werden konnten.

Am Mittwoch allerdings war der Einsatzbeginn weiterhin völlig offen, wie OPCW-Chef Ahmet Üzümcü in Den Haag erklärte. Üzümzü stellte Bedingungen für den Beginn der Mission seiner Inspektoren: Die UN-Sicherheitsexperten müssten grünes Licht für den Einsatz geben, zudem müsse das Inspektorenteam "ungehinderten Zugang zu allen Orten" bekommen.

Ein Erkundungsteam von UN-Sicherheitsexperten war am Dienstag in Duma unter Beschuss geraten und nach Damaskus zurückgekehrt, wie es von UN-Seite hieß. Verletzt worden sei niemand. Das Team habe in Duma prüfen sollen, ob die Sicherheit für die OPCW-Experten gewährleistet sei.

Der britische Botschafter am OPCW-Sitz in Den Haag, Peter Wilson, sagte, das UN-Sicherheitsteam sei in Duma von einer "großen Gruppe" Demonstranten feindselig empfangen worden. Später sei das Team zum "Ziel von Beschuss aus Kleinfeuerwaffen und einer Explosion" geworden, sagte der Botschafter. Diese Informationen habe er von der OPCW.

Die USA und Frankreich hatten Russland verdächtigt, die Ermittlungen zu verzögern. Die syrische Regierung und ihr Verbündeter Russland hatten dagegen bereits unmittelbar nach dem angeblichen Angriff eine Mission der OPCW gefordert.

Die OPCW soll mit Hilfe von Interviews, Bluttests und Bodenproben vor Ort nach Belegen suchen. Der Urheber soll dabei allerdings nicht ermittelt werden.

Der Westen wirft Syrien vor, einen Giftgas-Angriff ausgeführt zu haben, ohne dafür unabhängig überprüfbare Belege vorlegen zu können.

Russland dagegen sagt, die von den deutschen Steuerzahlern, den USA und Großbritannien finanzierten "Weißhelme" hätten den Angriff inszeniert. Sie waren neben einer weiteren US-Gruppe und einer von Frankreich finanzierten Gruppe die einzigen Zeugen, die angeblich die Folgen des Angriffs erlebt haben. Die US-syrischen Ärzte und die Franzosen haben schon länger nichts mehr von sich hören lassen.

Ganz anders die Weißhelme: Sie bedrängen die OPCW-Inspekteure offenbar und haben ihnen angeblich ihre Informationen über den mutmaßlichen Angriff inzwischen an die OPCW übergeben. "Dazu gehört die genaue Lage der Gräber", erklärte der Chef der Gruppe, Raed Saleh, in einer Textbotschaft an die Nachrichtenagentur Reuters. Diese sei geheimgehalten worden, um eine etwaige Manipulation der Beweise zu verhindern. Die Leichen hätten angesichts des schweren Bombardements schnell begraben werden müssen. Auch für eine gründliche Identifizierung der Opfer sei keine Zeit gewesen. "Die Priorität bestand darin, die Toten so schnell wie möglich zu begraben", erklärte Saleh weiter.

In der OPCW geben die USA und Großbritannien den Ton an. Russland muss dagegen versuchen, eigene Allianzen aufzubauen. Sollten die Experten den Darstellungen der Weißhelme folgen und Spuren bei unbekannten Toten in geheimgehaltenen Gräbern suchen, dürfte eine Zuordnung der Täter vermutlich nicht möglich sein. Der Fall bliebe dann, wie zahlreiche andere angebliche Giftgas-Angriffe in Syrien, unaufgeklärt.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Blick aus China: Die USA haben an Bedeutung verloren, Zölle beeinträchtigen die Lieferketten nicht
18.04.2025

Die Bedeutung des US-Marktes für China habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen und mache heute nur noch 14 Prozent der...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardärsmanager fliehen aus US-Aktien: Der stille Countdown zur Rezession hat begonnen
17.04.2025

Eine neue Erhebung der Bank of America zeigt: Die Stimmung unter den großen Vermögensverwaltern kippt dramatisch. Während die Finanzwelt...

DWN
Politik
Politik Merz und EU offen für Tauruslieferung an Ukraine: Kreml warnt vor direkter Kriegsbeteiligung
17.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Panorama
Panorama Die Macht der WHO: Internationaler Pandemievertrag kommt
17.04.2025

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedstaaten auf ein Pandemieabkommen geeinigt. „Ich habe keinen...

DWN
Technologie
Technologie Mechanische Speicher als geopolitische Alternative: Lithium-Batterien geraten unter Druck
17.04.2025

Angesichts wachsender Abhängigkeit von China bei Lithium-Batterien rücken mechanische Energiespeicher in den Fokus. Eine...

DWN
Technologie
Technologie Japanisches Genie revolutioniert Energiewende – Supermagnet jetzt 20 Milliarden Euro wert
17.04.2025

Im globalen Wettrennen um Energiesouveränität und technologische Vorherrschaft hat sich ein unscheinbares Element als strategischer...

DWN
Politik
Politik Taiwan, Sanktionen und Respekt - China stellt klare Bedingungen für Handelsgespräche mit den USA
17.04.2025

China fordert mehr Respekt und klare Signale der USA, bevor Handelsgespräche beginnen – eine Einigung ist entscheidend für die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steht das Verbrenner-Verbot vorm aus? Europas Rechte bläst zum Gegenschlag gegen EU-Establishment
17.04.2025

Konservative und rechte Kräfte im EU-Parlament wollen das Aus für Verbrennungsmotoren kippen – mit wachsender Unterstützung auch aus...