Finanzen

Ölkonzerne bereiten Teil-Rückzug aus dem Ölgeschäft vor

Lesezeit: 3 min
22.04.2018 17:54
Das französische Erdölunternehmen Total steigt in das das Strom- und Gasgeschäft ein.
Ölkonzerne bereiten Teil-Rückzug aus dem Ölgeschäft vor

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bis zum Jahr 2022 will der bislang nur im Ölgeschäft aktive Staatskonzern Total mit seinem Strom sechs Millionen Kunden in Frankreich und rund eine Million belgische Abnehmer erreichen, berichtet Bloomberg. Bereits im vergangenen Jahr hatte die niederländisch-britische Gesellschaft Shell einen ähnlichen Einstieg in den Strommarkt vollzogen.

Für einen Kaufpreis von rund 1,4 Milliarden Euro übernimmt der französische Staatskonzern Total ab sofort 74,3 Prozent der Geschäftsanteile des französischen Gas- und Stromanbieters Direct Energie. Der Erdölförderer gehört gemeinsam mit den US-Erdölkonzernen Exxon und Chevron, der saudischen Aramco, British Petrol und der niederländischen Shell zu einem der fünf größten Erdölkonzerne der Welt. Im vergangenen Jahr betrugen Totals gesamte Umsatzerlöse knapp 133 Milliarden Euro. In Frankreich betreibt das Unternehmen über 3.700 Tankstellen.

Im Strom- und Gasenergiebereich versorgt es über 1,5 Millionen Haushalte mit Energie. Durch den Erwerb der Direct-Geschäftsanteile wächst Totals Kundenstamm in diesem Sektor um 2,6 Millionen Haushalte in Frankreich und Belgien. Durch die Firmenübernahme hofft das Unternehmen, sich langfristig stärker in diesen Märkten innerhalb der EU positionieren zu können. Bis 2022 will Total seinen Strom- und Gasmarkt auf sechs Millionen Haushalte in Frankreich und auf eine Million Kunden in Belgien ausweiten.

In der Energiebranche ist ein solcher Unternehmenszukauf keine Seltenheit: Bereits im vergangenen Dezember gab Shell die Übernahme des britischen Strom- und Gasanbieters First Utility bekannt. Durch die Übernahme hat Shell rund 825.000 Haushalte in Großbritannien und Deutschland als Kunden hinzugewonnen.

Und auch bei Total ist die Geschäftsfelderweiterung keine Neuerung. Vor zwei Jahren hat es den belgischen Energieanbieter Lampiris SA übernommen und den französischen Batteriehersteller Saft Group gekauft. Genutzt werden die Batteriezellen für den Bau von Photovoltaikanlagen.

Im vergangenen Jahr übernahm Total Geschäftsanteile an der Flüssiggassparte des französischen Energieanbieters Engie zum einem Kaufpreis von 1,49 Billionen US-Dollar und eine 23-prozentige Aktienminderheit an der französischen Eren Renewable Energy für 2,85 Milliarden US-Dollar.

Auch bei seinem neusten Kauf will Total seine Position als Mehrheitsgesellschafter nicht langfristig halten: In den kommenden drei Monaten bietet das Unternehmen rund ein Drittel der erworbenen Geschäftsanteile zu refinanzierungszwecken zu einem Verkaufspreis von 42 Euro pro Aktie an.

Nach Ansicht vieler Energieexperten ist die Erweiterung der Geschäftsfelder im herkömmlichen Energiebereich für eine nachhaltige und langfristige Stromversorgung dringend geboten. Nach einer Studie der UNO wird die Weltbevölkerung weiter bis 2050 auf über neun Milliarden Menschen anwachsen und der Erdölverbrauch weiter ansteigen. Im Jahr 2016 lag der Gesamtverbrauch pro Tag bei 97 Barrel (ein Barrel sind 159 Liter), 20 Jahre zuvor waren es 71 Millionen Barrel. Gleichzeitig wir die Endlichkeit der weltweiten Erdölreserven von rund 300 Milliarden Barrel auf maximal 150 Jahre geschätzt.

Bereits heute wird über ein Drittel des weltweiten Strombedarfs karbon-frei, also ohne Kohlendioxid, erzeugt. Zu über 18 Prozent mit Wasserkraft, zu rund 14 Prozent mit Kernenergie und von rund drei Prozent mit anderen regenerativen Energien wie Wind- und Sonnenenergie.

Bis zum Jahr 2030 könnte sich die Bedarfsdeckung von Windenergieanlagen auf bis zu 30 Prozent erhöhen, zusätzlich könnten durch Photovoltaikanlagen bis zu einem weiteren Drittel des global benötigten Stroms produziert werden. Total strebt in den kommenden fünf Jahren an, seine energetische Ausbeute aus Gasverstromungsanlagen und erneuerbaren Energien auf über zehn Gigawatt hochzufahren. Rund 10.000 Haushalte können mit dieser Energiemenge ein Jahr mit Strom versorgt werden.

Mit dieser Zielvorgabe entspricht Total den Plänen der deutschen Regierung. Bis 2020 ist geplant, die regenerative Energieversorgung im Land soweit auszubauen, dass eine derartige Bedarfsabdeckung möglich ist. Darüber hinaus haben sich die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, ihren Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent zu senken und ihren Anteil an erneuerbaren Energiequellen zur Bedarfsdeckung bis 2030 auf 27 Prozent zu erhöhen.

Im Jahr 2015 betrug der gesamte Energieverbrauch rund 1,6 Milliarden Tonnen Rohöl. Den größten Verbrauchsanteil hatte Deutschland mit rund 19,3 Prozent vor Frankreichs (15,5 Prozent) und Großbritannien (11,7 Prozent). Insgesamt war der EU-weite Energieverbrauch fast ebenso hoch wie 15 Jahre zuvor. Im Jahr 1990 lebten jedoch rund 33,3 Millionen Menschen weniger in der EU.

Während Deutschland seine Energie zum größten Teil aus Erdöl und Kohle (35 Prozent) sowie Erdgas (24 Prozent) bezieht,  deckt Frankreich seinen Bedarf zu über 70 Prozent aus Atomenergie. Der Anteil der aus Erdöl gewonnen Energie lag im Jahr 2016 bei unter einem Prozent. Der Anteil der erneuerbaren Energien zur Bedarfsdeckung liegt in Deutschland bei 14,6 Prozent, in Frankreich bei 16 Prozent. Bis 2030 wollen die Länder ihren Energiegesamtbedarf zu 18 Prozent (Deutschland) respektive zu 23 Prozent (Frankreich) aus diesen regenerativen Energiequellen decken.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifkonflikt gelöst: Keine Lufthansa-Streiks zu Ostern
28.03.2024

Nachdem die Deutsche Bahn ihren Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL in dieser Woche gelöst hat, scheinen auch bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
27.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...

DWN
Politik
Politik Bundeswehr unterstützt Strukturwandel in der Lausitz
27.03.2024

In Bernsdorf im Landkreis Bautzen wird ein neues Logistik-Zentrum der Bundeswehr entstehen. Das entschied Verteidigungsminister Boris...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU blockiert Übernahme von ITA Airways und schützt Lufthansa vor sich selbst
27.03.2024

Brüssel hat neue Hürden für die Übernahme der italienischen Fluggesellschaft ITA Airways aufgestellt. Die dänische EU-Kommissarin...