Unternehmen

Voestalpine prüft Stahlerzeugung ohne Kohle und Koks

Lesezeit: 2 min
23.04.2018 17:15
Der österreichische Stahlproduzent Voestalpine will bei Stahlerzeugung künftig auf Kohle und Koks verzichten und stattdessen Wasserstoff nutzen.
Voestalpine prüft Stahlerzeugung ohne Kohle und Koks

Ab dem kommenden Frühjahr setzt der österreichische Stahlkonzern Voestalpine bei der Produktion am Standort Linz auf kohlenstofffreie Energieträger. Betrieben werden sollen die Hochöfen künftig zu einem Großteil mit Wasserstoff statt wie bislang mit Koks und Steinkohle, berichtet die Neue Zürcher Zeitung. Mit seinem Pilotprojekt will Voestalpine Vorreiter für die Industrie und Energiewirtschaft werden.

Bis zum Jahr 2050 will das Unternehmen auf diese Weise seinen Kohlendioxid-Ausstoß um rund 80 Prozent reduzieren. Geschehen soll dies durch den Einsatz einer speziellen Wasser-Aufspaltungsanlage (Proton Exchange Membran, kurz PEM-Anlage), mittels derer die notwendige Energie für die Stahlproduktion bereitgestellt werden soll. Entwickelt wurde die rund 18 Millionen Euro teure Anlage von Siemens. Gefördert wird sie zu zwei Dritteln von der EU im Rahmen des bis 2021 laufenden EU-Programms Horizon, welches Mittel für europäische Forschungseinrichtungen im Bereich Energie-Innovationen bereitstellt.

Die Energie liefert die PEM-Anlage wie folgt: Durch den Einsatz von Protonen wird Wasser in seine Bestandteile Wasser- und Sauerstoff aufgespalten. Während der Sauerstoff entweder freigesetzt oder als Industriegas in der Stahlweiterverarbeitung zum Einsatz kommt, wird der Wasserstoff direkt nach seiner Abspaltung in den Produktionskreislauf von Voestalpine eingespeist. Über ein Rohrleitungssystem gelangt es als Brennstoff in die Hochöfen, um diese auf die für die Stahlerzeugung notwendigen Betriebstemperaturen von über 1.000 Grad Celsius aufzuheizen.

Für Voestalpine und Siemens ist der Bau dieser Anlage ein Pilotprojekt. Ab dem kommenden Frühjahr soll sie nach Willen von Siemens-Vorstandsmitglied Roland Busch unter Volllast zunächst im Testverfahren bis 2021 eingesetzt werden. „Durch den Einsatz wollen wir beweisen, dass auch energieintensive Industrien klimaneutral sein können“, so Busch. Sollte sie sich als rentabel erweisen, schließt Voestalpine einen Einsatz an anderen Unternehmensstandorten nicht aus.

Bislang erwirbt das Unternehmen für seine Stahlproduktion in Europa jährlich CO2-Emissionszertifikate im Wert zwischen zehn und 20 Millionen Euro.

Voestalpine verfügt über rund 500 Konzerngesellschaften und -standorte. Weltweit beschäftigt es in über 50 Ländern rund 50.000 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr lag erzielte es Umsätze von rund 11,3 Milliarden Euro.

Betrieben wird die PEM-Anlage laut Voestalpine zu 100 Prozent mit Ökostrom, der von Verbund-Strom geliefert werden soll. Verbund betreibt in Österreich und Deutschland insgesamt 128 Wasserkraftwerke sowie Windparks in Niederösterreich, Baden-Württemberg und Rumänien.

Nach Einschätzung des Voestalpine Vorstandsvorsitzendem Wolfgang Eder muss die Stromausbeute aus erneuerbaren Energien künftig gesteigert werden, um die anvisierte Kohlenstoff-Freiheit in energieintensiven Industriebereichen dauerhaft garantieren zu können. Bis zum Jahr 2050 werde sich der globale Bedarf für Wasserstoff von derzeit 600 Millionen Kubikmeter auf rund 6 Billionen Kubikmeter verzehnfachen. Anlagen, wie jene in Linz seien die Voraussetzung, um den steigenden Bedarf nahezu CO2-neutral abdecken zu können. Rund 80 Prozent des derzeit benötigten Wasserstoffs werden im Rahmen von Abspaltungsprozessen bei der fossilen Erdgasförderung gewonnen.

Wasserstoff wird in der Industrie bereits seit den 1960er Jahren als Energielieferant genutzt. So diente er während der US-amerikanischen Apollo-Raumfahrt-Missionen aufgrund seines geringen Gewichts als Treibstoff.

Im Automobilbereich dient es auf dem japanischen Markt seit mehreren Jahren als Treibstoff. Im Jahr 2014 brachte Toyota den nach eigenen Angaben ersten massentauglichen Brennstoffzellenwagen auf den Markt, auch Nissan und Honda sehen die Entwicklung von Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb als Mobilitätsmodelle der Zukunft. Im März teilten die japanischen Autobauer mit, das bestehende Netz für Wasserstofftankstellen binnen vier Jahren auf rund 80 Tankstellen ausbauen zu wollen.

Im vergangenen Jahr teilte der niederländische Energieunternehmen Gasuni mit, im September die erste „Power-to-Gas“-Anlage in den Niederlanden in Betrieb zu nehmen. Auf diese Weise soll es künftig in den Niederlanden möglich sein, Energie, die von Photovoltaik und Windenergieanlagen erzeugt wird, dauerhaft in Wasserstoff zu speichern. Ähnlich dem PEM-Verfahren soll auch hier Wasser mittels regenerativ erzeugter Energie in Sauer- und Wasserstoff gespalten werden und der Industrie und dem öffentlichen Nahverkehr als Energielieferant dienen.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

 

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sichere Mobilgeräte für Ihr Business: Das Samsung Security Ecosystem

In vielen Unternehmen sind Smartphones und Tablets längst zum unverzichtbaren Arbeitsmittel geworden. Je nach Einsatzgebiet sind die...

DWN
Politik
Politik Merz will mit Scholz über illegale Migration sprechen
30.09.2023

Der Wahlkampf nimmt Fahrt auf. CDU-Chef Merz fordert Bundeskanzler Scholz heraus, gemeinsam eine Lösung für die illegale Migration nach...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft China Sprint: Deutsche Unternehmen unter Druck
30.09.2023

Die jüngsten Zahlen belegen, dass es notwendig ist die Handelsstrategie gegenüber der chinesischen Wirtschaftsmacht zu ändern. China hat...

DWN
Politik
Politik Politik und Krankenkassen ruinieren den Medikamentenmarkt
30.09.2023

Seit etwa fünfzehn Jahren gibt es in Europa immer wieder Probleme bei der Versorgung von Patienten mit Medikamenten. Diese Situation wird...

DWN
Politik
Politik Ukraine wollte mit Hilfe des Westens Syrien und Iran bombardieren
30.09.2023

Die Ukraine hat einem Medienbericht zufolge die westlichen Verbündeten um Hilfe bei der Durchführung von Raketenangriffen auf den Iran...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft USA: Gewinne der Unternehmen steigen auf Rekordhoch
30.09.2023

Trotz historisch hoher Zinsen können die USA eine Rezession offenbar vermeiden. Die Gewinne der Unternehmen sind auf ein neues Rekordhoch...

DWN
Politik
Politik Elon Musk kritisiert deutsche Migranten-Transporte nach Italien
30.09.2023

Tesla-Gründer Elon Musk hat kritisiert, dass deutsche Schiffe massiv illegale Migranten nach Italien transportieren, und spricht dabei von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Wirtschaft hat sich stabilisiert
30.09.2023

Chinas Produktionstätigkeit ist im September erstmals seit sechs Monaten wieder gestiegen. Kann das Land sein Wachstumsziel von 5 Prozent...

DWN
Finanzen
Finanzen Sicherer Hafen? Ob sich Goldaktien lohnen
29.09.2023

Gold kratzte im Jahr 2023 am Allzeithoch. Doch Goldminenaktien notieren deutlich unter den Höchstständen von 2011. Bietet sich hier eine...