Finanzen

Börsengänge sorgen für Ernüchterung bei Investoren

Lesezeit: 3 min
13.05.2018 21:47
Die Zahl der erfolglosen Börsengänge von Unternehmen steigt.
Börsengänge sorgen für Ernüchterung bei Investoren

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Euphorie ist verflogen: Der Wissenschaftsverlag Springer Nature hat seinen milliardenschweren Börsengang in letzter Minute abgesagt. Und nur wenige Börsenneulinge, die es auf das Parkett geschafft haben, bereiteten den Anlegern bislang Freude. „Die durchwachsene Entwicklung der Aktienmärkte, die Zunahme der Kursschwankungen und das maue Abschneiden der Börsenneulinge haben zu einem äußerst selektiven IPO-Markt geführt“, sagt Christoph Stanger von der Investmentbank Goldman Sachs.

Springer Nature war keineswegs ein Einzelfall. In der Schweiz scheiterten die milliardenschweren Initial Public Offerings (IPO) des Flugzeugabfertigers Swissport und der Bordverpflegungsfirma Gategroup, in Amsterdam begrub der Mineralkonzern Varo Energy seine Börsenpläne.

„Der Markt ist übersättigt“, konstatiert ein mit dem Springer-Nature-Börsengang vertrauter Investmentbanker. So viele Unternehmen wie kaum zuvor streben an die Börse, die Anleger haben genug Auswahl, bei wem sie zugreifen. „Die Investoren verlangen höhere Abschläge, um zu zeichnen, doch die Verkäufer sind dazu nicht bereit.“ So war es beispielsweise bei Springer Nature. Nach Reuters-Daten wurden in Europa in diesem Jahr mindestens 14 Börsengänge abgesagt.

Mehr als 50 Unternehmen schafften es aufs Parkett, doch viele machten keine großen Sprünge. Die Kurse der seit Jahresbeginn in Europa an die Börse gegangenen Unternehmen stiegen Investmentbankern zufolge im Schnitt um zwei Prozent - bei vielen notieren die Aktien sogar deutlich unter dem Ausgabepreis. Im Vorjahreszeitraum hätten sich Anleger dagegen im Schnitt noch über Gewinne von 20 Prozent freuen können. Neben den aus Sicht von Anlegern ehrgeizigen Preisvorstellungen ist dafür auch die allgemeine Entwicklung an den Aktienmärkten verantwortlich. Der Eurostoxx 600, der die Kursentwicklung der 600 größten europäischen Unternehmen widerspiegelt, ist seit Jahresbeginn nur um 0,6 Prozent gestiegen.

„Der Markt ist aber weiterhin offen für hochwertige Unternehmen, wie der erfolgreiche Börsengang von Siemens Healthineers zeigt“, sagt Stanger. Mit einem Emissionsvolumen von 4,2 Milliarden Euro war die Medizintechniktochter der bislang größte Börsengang in Europa in diesem Jahr. Die Aktien notieren aktuell mit gut 33 Euro rund 18 Prozent über dem Ausgabepreis von 28 Euro.

Dagegen waren die anderen sechs Neulinge im streng regulierten Prime Standard der Frankfurter Börse für die Investoren meist eine Enttäuschung. Die Deutsche Bank erlöste mit dem Börsengang ihrer Tochter DWS nur 1,3 Milliarden Euro und damit deutlich weniger als erhofft. Die DWS-Aktie hat sich zwar wieder etwas berappelt, notiert mit 32,29 Euro aber immer noch unter dem Ausgabepreis von 32,50 Euro. Auch die Papiere der Immobilienfirmen Godewind und Instone sowie der Arzneifirma Dermapharm kosten weniger als beim Börsendebüt.

Unter den Unternehmen, die schon länger notiert sind, schaffte neben Healthineers nur die Softwarefirma Serviceware Kursgewinne. Die Aktien des Cloud-Telefonieanbieters Nfon legten beim Börsendebüt am Freitag um elf Prozent zu auf 13,39 Euro. Die Papiere waren nahe dem unteren Ende der gesenkten Preisspanne untergebracht worden.

Die Senkung der Preisspanne um rund ein Viertel sei zwar schmerzhaft gewesen, aber ohne die Zugeständnisse an die Investoren wäre der Nfon-Börsengang wohl gescheitert, sagt ein Investmentbanker. „Investoren unterziehen Börsengänge einer strengen Prüfung, sie treten gegen die Reifen und schauen unter die Haube“, sagt Craig Coben von der Bank of America. „Anleger wollen sichergehen, dass die Bewertungen attraktiv genug sind, um eine nachhaltige Entwicklung nach der Platzierung sicherzustellen.“

Bei allen Moll-Tönen: Dank der Milliardenemissionen von DWS und Healthineers war 2018 bislang eines der stärksten Jahre für Börsengänge in Deutschland, mit dem Fahrzeugzulieferer Knorr-Bremse steht ein weiterer milliardenschwerer Kandidat in den Startlöchern. Listing-Experte Martin Steinbach von der Unternehmensberatung EY erwartet weiterhin 13 bis 18 Börsengänge in Deutschland in diesem Jahr. Mehr waren es zuletzt nur 2007: Vor der aufziehenden Finanzkrise hatten 44 Firmen aus Deutschland den Sprung geschafft, ehe der Markt wegen der Finanzkrise für Jahre zusammenbrach.

„Der Anlagedruck der Investoren ist infolge der niedrigen Zinsen nach wie vor hoch, die Konjunktur läut gut“, sagt Steinbach. Zumindest für Deutschland könne man nicht von einem Überangebot sprechen - ganz im Gegenteil. „Deutschland hat Nachholbedarf“, sagt Steinbach. Europas größte Volkswirtschaft vertrage 40 Börsengänge im Jahr. Die durchwachsene Bilanz der Börsenneulinge dürfe man nicht überbewerten. „Erst nach rund einem Jahr kann man bewerten, ob ein Unternehmen die beim Börsengang gegebenen Versprechungen erfüllt hat.“

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...