Finanzen

Investoren ziehen sich aus der Türkei zurück

Lesezeit: 2 min
22.05.2018 17:19
Investoren ziehen in großem Stil Gelder aus der Türkei ab.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Investoren haben sich zu Wochenbeginn auf breiter Front aus dem türkischen Finanzmarkt zurückgezogen. In der Folge verlor die Landeswährung Lira zum Dollar und zum Euro deutlich an Wert und die Renditen der Anleihen des Landes stiegen stark.

Wie die Financial Times berichtet, ist der Wechselkurs der Lira zum Dollar seit Jahresbeginn etwa 17 Prozent gesunken. Der Negativtrend verstärkte sich in den vergangenen Wochen erheblich: So beträgt das Minus seit Mitte April etwa 12 Prozent. Derzeit müssen für einen Dollar etwa 4,64 Lira bezahlt werden. Zu Jahresbeginn lag der Kurs noch bei etwa 3,8 Lira – vor drei Jahren bei etwa 2,7 Lira.

Auch zum Euro gab die Währung deutlich nach. Am Dienstag lag der Wechselkurs bei 5,48 Lira. Zu Jahresbeginn waren es noch etwa 4,5 Lira und vor drei Jahren etwa 2,8 Lira.

Die Renditen türkischer Anleihen stiegen im Gegenzug deutlich. Am Montag überschritten die Zinsen die Marke von 15 Prozent für Staatspapiere mit 10 Jahren Laufzeit.

Das größte Risiko dürfte jedoch der Verfall der türkischen Währung darstellen, weil er die Rückzahlung von in ausländischen Währungen notierten Schulden verteuert. Wie Bloomberg berichtet, haben türkische Unternehmen insgesamt 222 Milliarden Dollar in ausländischer Währung in ihren Büchern. Der von Bloomberg zitierte Istanbuler Broker Alnus Yatirim rechnet damit, dass ein Wechselkursrückgang der Lira von 1 Prozent zu einer Erhöhung der Zinskosten von umgerechnet etwa 5 Milliarden Lira für die Unternehmen führen wird.

Der oberste Bankenregulierer der Türkei, Mehmet Ali Akben bezeichnete am Montag Gerüchte, wonach die Regierung die Einfrierung von Konten mit ausländischer Währung erwäge, als „absurd“. Er warf insbesondere den großen US-Ratingagenturen vor, vor der anstehenden Parlamentswahl „schlechte Stimmung“ verbreiten zu wollen.

„In dem Klima des erstarkenden Dollars hat sich die Stimmung an den Märkten gegen die Schwellenländer gedreht, besonders gegen jene mit Handelsdefiziten und/oder hohen Schulden in Dollar und/oder großer politischer Unsicherheit und/oder hoher Abhängigkeit vom Ölpreis. Auf die Türkei trifft jeder dieser Punkte zu“, schreibt die FT.

Bemerkenswert ist, dass die Zentralbank der Talfahrt der Lira bislang fast tatenlos zugesehen hat. Als einzige Gegenmaßnahme erhöhte sie vor einigen Tagen den Leitzins leicht. Präsident Recep Erdogan hatte in der Vergangenheit wiederholt Druck auf die Notenbank ausgeübt, die Zinsen nicht anzuheben, um die Konjunktur nicht zu beeinträchtigen.

„Es ist wahrlich erstaunlich, dass die türkische Zentralbank noch immer mit Maßnahmen gegen die Lira-Schwäche zögert, obwohl diese nicht nur ernste negative Implikationen für die Inflation haben wird, sondern auch die Wahrscheinlichkeit einer Wirtschaftskrise erhöht“, wird ein Analyst der Rabobank zitiert. Diesem zufolge werden die Haushalte schon bald ihren Konsum und ihre Investitionsausgaben zurückfahren. „In der gegenwärtigen Situation wird sich die ‚Dollarisierung‘ der türkischen Wirtschaft noch verstärken. Die wachsende Bürde der sich verteuernden Schulden in Fremdwährung sind auch ein großes Risiko für die Wirtschaft.“

Der Ökonom James Rickards warnte unlängst davor, dass die Türkei ein wichtiger Krisenherd im Falle einer größeren Krise der Schwellenländer sein könnte. Diesen macht derzeit die geldpolitische Normalisierung der US-Zentralbank Federal Reserve und der damit verbundene stärkere Dollar zu schaffen.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Steuern auf Rente: Steuervorteile und Grundfreibetrag - so hoch ist die Besteuerung 2025
15.01.2025

In Deutschland wird die Rente besteuert. Doch seit wann sind Rentner steuerpflichtig? Welcher Rentenfreibetrag gilt aktuell, welche...

DWN
Immobilien
Immobilien Zwangsversteigerungen 2024: Zahl stark gestiegen
15.01.2025

Deutlich mehr Immobilien zwangsversteigert: Die Wirtschaftskrise und steigende Zinsen hinterlassen Spuren, besonders bei Eigentümern. 2024...

DWN
Politik
Politik Wider den Hedonismus: Warum Wehrpflicht (und Zivildienst) Deutschland wieder auf Spur bringen
15.01.2025

Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), vom russischen Überfall auf die Ukraine richtig geschockt, die Zeitenwende für Deutschland ausrief,...

DWN
Technologie
Technologie Wie ehemalige IT-Nerds der russischen Suchmaschine Yandex den KI-Markt Europas aufmischen
14.01.2025

Russische IT-Nerds bauen in Amsterdam das KI-Unternehmen Nebius auf. Informatiker um den Yandex-Suchmaschinen-Gründer Arkadi Wolosch...

DWN
Finanzen
Finanzen Bafin-Kontenvergleich: Alle Girokonten in Deutschland im Überblick
14.01.2025

Die Finanzaufsicht Bafin bringt Transparenz in den Kontomarkt: Mit dem neuen Bafin Kontenvergleich können Verbraucher alle Girokonten in...

DWN
Politik
Politik Russischer Außenminister Lawrow: "USA wollen nach Nord-Stream Gaspipeline TurkStream zerstören"
14.01.2025

Russlands Außenminister Lawrow beschuldigt die USA, mit ukrainischen Drohnenangriffen die Gasleitung TurkStream lahmlegen zu wollen....

DWN
Politik
Politik CDU-Heizungsgesetz: Wie die Union das Heizungsgesetz abschaffen will - und warum das schlecht wäre
14.01.2025

Das Habecksche Heizungsgesetz, offiziell Gebäudeenergiegesetz (GEG), gilt seit Januar 2024. Die CDU plant, das GEG bei einer möglichen...

DWN
Politik
Politik Weitere Ukraine-Hilfe? Pistorius zu Besuch in Kiew spricht sich dafür aus
14.01.2025

Ukraine-Hilfe 2025: Verteidigungsminister Boris Pistorius bleibt optimistisch, was die Fortsetzung der Unterstützung für die Ukraine...