Politik

Italien: Koalition wieder möglich, Bond-Markt reagiert positiv

In Italien zeichnet sich eine gewisse Beruhigung der Lage ab. Die Wahlsieger scheinen erkannt zu haben, dass ein Euro-Crash in erster Linie die italienischen Banken treffen würde.
30.05.2018 12:12
Lesezeit: 2 min

Die Lega und die Fünf Sterne-Bewegung bemühen sich nach ihrem von Staatspräsident Mattarella geblockten Versuch erneut um die Bildung einer Koalitionsregierung in Italien. Die Parteien suchten nach einem Kompromisskandidaten für das Amt des Wirtschaftsministers, sagte eine mit den Gesprächen vertraute Person aus der 5-Sterne-Bewegung der Nachrichtenagentur Reuters. Die Koalition könnte zudem um die rechte Partei Brüder Italiens erweitert werden.

Staatspräsident Sergio Mattarella hatte am Sonntag den von den Koalitionspartnern vorgeschlagenen Kandidaten für das Schlüsselamt des Wirtschaftsministers abgelehnt. Daraufhin gab der designierte Ministerpräsident der Koalition, der Juraprofessor Giuseppe Conte, den Auftrag zur Regierungsbildung zurück.

Auch die von Mattarella beauftragte Bildung einer Übergangsregierung droht zu scheitern. Der IWF-Mann Carlo Cottarelli erwägt nach Angaben aus Parteikreisen einen Verzicht auf die Regierungsbildung. Cottarelli wurde bekannt, als er der Türkei ein hartes IWF-Programm verordnete. Damit würde er den Weg zu Neuwahlen am 29. Juli ebnen. Am Mittwochmorgen führte Cottarelli nach Angaben aus Präsidialamtskreisen "informelle Gespräche" mit Mattarella.

Cottarelli sieht allerdings auch die Chance für eine Koalitionsregierung ohne Newahlen. Dies berichtete die Nachrichtenagentur Ansa am Mittwoch. In Parteikreisen der Lega hieß es laut Reuters, die Partei werde sich in Ausnahmesituationen politischen Lösungen nicht verschließen. Die Lega dringe aber auf Neuwahlen so früh wie möglich.

Die Wiederbelebung der Koalitionsgespräche löste eine Rallye italienischer Anleihen aus. Die Rendite der politisch sensiblen Zwei-Jahres-Note fiel bei steigenden Kursen um rund 40 Basispunkte auf 1,99 Prozent. Die Rendite der 10-jährigen Benchmark-Note fiel um 10 Basispunkte auf 3,0 Prozent.

Am Dienstag waren die Italo-Bonds auf breiter Front unter Druck geraten.

Hintergrund der kurzfristigen Entspannung dürfte die Erkenntnis sein, dass Italien seine Schulden nicht wie von der Lega gehofft, durch einen Schuldenschnitt loswerden kann. Folker Hellmeyer von Solvecon schreibt in einer Mitteilung an seine Kunden über den "Aspekt der Wahrscheinlichkeit eines Exit Italiens vor dem Hintergrund der gestellten Forderungen, unter anderem dem Schuldenerlass": "Zwei Drittel der Schuldtitel liegen bei den italienischen Banken, der Zentralbank und italienischen Versicherern. Damit würde sich bei einer Forderung eines Schuldenerlasses in der Höhe von 250 Milliarden Euro eine Belastung für den Finanzsektor Italiens von circa 165 Milliarden Euro ergeben. Was hätte das für Folgen für die Menschen in Italien ohne den Schutzschirm der EZB?"

Fünf Sterne-Chef Luigi di Maio hatte am Dienstag in einer Rede in Neapel noch gegen die Banken, die Ratingagenturen und gegen die Deutschen gewettert - ohne seine n Fans jedoch offenzulegen, dass sie die Rechnung eines Euro-Crashs zu bezahlen haben würden. Allerdings scheint sich der Unmut der Italiener insgesamt viel weniger gegen den Euro als vielmehr gegen Korruption, Vettern- und Misswirtschaft der Regierungen der vergangenen Jahre zu richten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...