Finanzen

Kapital verlässt Europa, geht in die USA und nach Großbritannien

Lesezeit: 3 min
04.06.2018 23:52
Kapital aus Europa finanziert das Defizit der USA und Großbritanniens. Damit werden Investitionen in der Euro-Zone erschwert.
Kapital verlässt Europa, geht in die USA und nach Großbritannien

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Eurozone ist der größte Kapitalexporteur der Welt. Das Kapital fließt zum Großteil in die Defizitländer USA und Großbritannien. Auch Kanada und Australien profitieren von Kapitalzuflüssen. Die Eurozone realisiert zusammen mit China und Japan 75 Prozent der globalen Netto-Ersparnisse, die dann an die Defizitländer gehen.

Kapital fließt von Europa in die USA

In der Eurozone gibt es seit 2012 einen Nettokapitalabfluss: Mittlerweile gehen drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) ins Ausland. Getrieben wird dies vor allem durch Bankeinlagen und Kredite: Allein dadurch wurden von 2012 bis 2014 fünf Prozent des BIP ins Ausland transferiert.

Das liegt an den erwarteten Renditen. Diese sind in den USA höher als in Europa. Und der Unterschied nimmt zu: Die langfristigen Zinsen in den USA entfernen sich immer weiter von den europäischen (siehe Abbildung 1). Im April 2018 erreicht der Unterschied zwischen Deutschland und den USA 2,4 Prozent. Zuletzt erreichte der Zinsunterschied 1989 diesen Wert.

Länder erholen sich unterschiedlich schnell von der Finanzkrise

Der Zinsunterschied spiegelt die wirtschaftliche Erholung der Länder nach der Finanzkrise wider. Die US-Notenbank Federal Reserve verfolgt seit 2015 eine restriktivere Geldpolitik mit steigenden Zinsen. In Europa bleiben die Leitzinsen dagegen weiterhin auf Null.

Ob die Europäische Zentralbank die Leitzinsen in nächster Zeit erhöhen kann, bleibt fraglich. Das würde die Finanzierungskosten der hochverschuldeten europäischen Länder in die Höhe treiben. Steigen die Zinsen in den USA weiter, beschleunigt sich der Kapitalabfluss.

Deutsche Anleger investieren im Ausland

Besonders deutsche Anleger investieren im Ausland. Der positive Netto-Auslandsvermögensstatus (NIIP – Net International Investment Position) zeigt, dass Deutschland international immer stärker zum Kreditgeber wird. Der Status berechnet sich aus Forderungen gegenüber dem Ausland abzüglich der Verbindlichkeiten des Landes gegenüber dem Ausland (siehe Abbildung 2).

Seit 2011 wachsen die Kredite, die Deutschland an das Ausland vergibt, besonders schnell: Von 23,2 Prozent im Jahr 2011 stiegen sie innerhalb von sechs Jahren auf fast 60 Prozent des BIP. Grund dafür sind die Zinsunterschiede und die Attraktivität des Inlands als Investitionsstandort.

Das Kapital, das ins Ausland fließt, steht nicht für Investitionen im Inland oder in der Eurozone zur Verfügung. Profiteure des Kapitalabflusses aus Europa sind die USA und Großbritannien. Die Eurozone ist kein ausreichend attraktiver Investitionsstandort für Europäer.

Kapitalabfluss finanziert Defizitländer

Grundsätzlich kann sich der Kapitalabfluss positiv auf eine Volkswirtschaft auswirken. Das ist dann der Fall, wenn das Geld in produktive Investitionen gesteckt wird – wenn es also Renditen erwirtschaftet. So fließt Kapitalertrag zurück, welcher wieder für Konsum oder für Investitionen eingesetzt werden kann.

Deutschlands Außenhandelsbilanzüberschüsse bedeuten einen Konsumverzicht der Inländer: Wir produzieren mehr als wir verbrauchen. Die Handelsbilanzüberschüsse gehen aber mit einer negativen Kapitalbilanz einher, also einem Kapitalexport. Das Geld fließt in die Defizitländer, wo es zur Finanzierung der Importe genutzt wird.

Defizitländer wie die USA und Großbritannien können so die hohen Warenimporte durch die Kapitalimporte finanzieren. Das Ungleichgewicht im globalen Handel bleibt damit langfristig bestehen. Dadurch steigt das Risiko von protektionistischen Maßnahmen – wie derzeit in den USA zu beobachten.

Kapitalabfluss kann zu Krisen führen

Die hohen Auslandsinvestitionen können zu Krisen führen. Bestes Beispiel ist die Subprime-Hypothekenkrise. Die Krise in den USA hat sich über Investitionen internationaler Banken in US-Wertpapiere über die ganze Welt ausgebreitet. Die hohen Investitionen europäischer Banken in den USA brachten das heimische Finanzsystem und schließlich die Realwirtschaft ins Wanken.

Die Ersparnisse sind so einem Risiko außerhalb der europäischen Einflusszone ausgesetzt. Verliert der Vermögensgegenstand im Ausland an Wert oder ändert sich der Wechselkurs, reduziert sich das Auslandsvermögen. Auch protektionistische Maßnahmen können zu einem Wertverlust führen.

Dieses Risiko tragen Banken, Unternehmen und private Anleger. Mit knapp 73 Prozent machten Wertpapieranlagen 2017 den größten Posten in der deutschen Kapitalbilanz aus (siehe Tabelle). Das Geld wurde an der Wallstreet oder in der Londoner City investiert. Gleichzeitig reduzierten ausländische Investoren ihre Bestände an deutschen Wertpapieren.

Mit 15 Prozent waren Direktinvestitionen der zweitgrößte Posten in der Kapitalbilanz. Darunter versteht man Beteiligungen von deutschen Unternehmen mit mehr als zehn Prozent an ausländischen Firmen. Der übrige Kapitalverkehr bezieht sich auf Finanztransaktionen zwischen in- und ausländischen Firmen, die weder Direktinvestitionen noch Wertpapieranlagen sind.

Geld fließt aus den ärmeren Ländern ab

Auch innerhalb der Eurozone gibt es deutliche Ungleichgewichte. Das Geld fließt aus den ärmeren Ländern wie Italien, Spanien, Griechenland und Portugal in die reicheren Länder wie Deutschland, Luxemburg und die Niederlande (siehe Abbildung 3).

Gemessen werden die Kapitalströme innerhalb Europas mit den Target-Salden. Diese sind ein System, mit dem innerhalb der Eurozone Zahlungen zwischen Zentralbanken abgewickelt werden. Je größer das Volumen, desto unausgeglichener ist das Zahlungsverhältnis zwischen den Ländern. Dies wirkt destabilisierend auf die Währung.

Ärmeren Ländern steht das Geld somit nicht für die dringend benötigten Investitionen zur Verfügung. Zusätzlich fließt das Überschussgeld der reicheren Länden nicht in die ärmeren Eurozonen-Länder, sondern finanziert das Defizit der USA: Der Netto-Auslandsvermögenstatus von Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden sind positiv. In den Niederlanden beträgt er fast 70 Prozent des BIP.

Kapitalströme sind wichtiger Faktor des internationalen Handels

Für Entscheidungsträger ist deshalb sowohl die Handels- als auch die Kapitalbilanz wichtig. Im Handelsstreit mit den USA steht der Außenhandelsüberschuss im Fokus. Ein hohes Auslandsvermögen birgt aber Gefahren für die Besitzer und kann das Ungleichgewicht im Welthandel langfristig finanzieren. Für Europa bedeutet das weniger Investitionen, die aber vor allem in den Krisenländern dringend benötigt werden.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...