US-Präsident Donald Trump macht Front gegen das mit deutscher Beteiligung betriebene Gasleitungs-Projekt Nord Stream 2 und stößt damit auf Empörung in der Wirtschaft. Beim Nato-Gipfel in Brüssel war das Energieprojekt, das auch innerhalb der EU Kritiker hat, ein großes Streitthema, wie Trump am Donnerstag sagte.
Die US-Regierung erneuerte ihre Drohung mit Sanktionen gegen daran beteiligte Firmen. Die deutsche Wirtschaft sprach daraufhin von einem Eingriff in die Energiepolitik sowie in Geschäfte deutscher und europäischer Firmen. Das russische Präsidialamt warf Trump vor, er wolle die Europäer zum Import von Energie aus den USA drängen.
Die deutsche Regierung betrachtet die geplante Ostsee-Pipeline als ein vornehmlich unternehmerisches Projekt. Sie verwies ganz allgemein auf eine diversifizierte Energie-Versorgungsstruktur im Land, auch beim Erdgas. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien werde die hohe Energie-Importabhängigkeit Deutschlands, die nach amtlichen Zahlen aktuell bei rund 70 Prozent liegt, sinken, hieß es im Wirtschaftsministerium. Trump hatte den Deutschen vorgeworfen, sie machten sich mit Nord Stream 2 noch weiter zum Gefangenen Russlands. Ein Sprecher des US-Außenamtes sagte, die Pipeline untergrabe die Energiesicherheit Europas und wäre für Russland ein Werkzeug für "politische Nötigung" der EU.
In das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 haben vor allem fünf westliche Firmen Geld investiert: Die BASF-Tochter Wintershall, die E.ON-Abspaltung Uniper, OMV aus Österreich, der britisch-niederländische Konzern Royal Dutch Shell sowie das französische Unternehmen Engie. Zu den Drohungen mit US-Sanktionen wollte sich kaum einer von ihnen konkret äußern. Uniper-Chef Klaus Schäfer merkte allgemein an: "Die aktuelle Sanktionsspirale in der Weltpolitik verfolge ich mit einem sehr unguten Gefühl."
Beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der Stimme der in Osteuropa engagierten deutschen Firmen, fielen deutliche Worte. "US-Sanktionsdrohungen gegen europäische Unternehmen, die sich an Nord Stream 2 beteiligen, sind ein Eingriff in die europäische Energiepolitik", sagte der Chef des Ausschusses Wolfgang Büchele. Er nannte jüngste Äußerungen Trumps ebenso wie die US-Sanktionen gegen Russland, die auch auf ausländische Unternehmen träfen, "einen Angriff auf die Geschäftsbeziehungen deutscher und europäischer Unternehmen mit Russland". Es könne nicht sein, dass in Washington darüber entschieden werde, mit welchen Ländern deutsche Firmen Geschäfte machen dürften.
Russland, dessen Präsident Wladimir Putin Trump Anfang kommender Wochen treffen wird, warf dem US-Präsidenten vor, eigene wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund zu stellen. Der Sprecher des Präsidialamtes Dmitri Peskow sprach von einer Kampagne, den Europäern US-Flüssiggas (LNG) zu verkaufen. Trumps Darstellung, Deutschland sei "ein Gefangener Russlands", wies er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten zurück. Die Lieferung von Gas durch Pipelines führe nicht zu einseitigen, sondern zu gegenseitigen Abhängigkeiten. "Das ist die Garantie für Stabilität und künftige Entwicklung", sagte Peskow.
Die Kosten des Pipeline-Projekts werden auf gut acht Milliarden Euro kalkuliert. Durch die Röhren sollen jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas nach Deutschland und Europa fließen. Die beteiligten Firmen haben nach früheren Angaben des Ost-Ausschuses schon über vier Milliarden Euro investiert. Widerstand gegen das Vorhaben kommt beispielsweise von der Ukraine. Sie befürchtet, Gebühren als wichtiges Transitland für russisches Gas zu verlieren. Auch Polen zählt zu den harten Kritikern des Vorhabens in der EU, weil die Pipeline durch die Ostsee verläuft und das Land damit ebenso umgangen wird.