Politik

Syrien: Armee treibt Offensive gegen Söldner voran

Lesezeit: 6 min
28.08.2018 23:04
Russen und Syrer verschärfen den Kampf gegen Söldner-Truppen in Idlib und fordern von Deutschland Unterstützung.
Syrien: Armee treibt Offensive gegen Söldner voran

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Die türkische Zeitung Habertürk berichtet, dass die syrische Armee (SAA) die Stadt Idlib in der gleichnamigen Provinz am Montag aus drei Richtungen unter Belagerung genommen hat. Nach einem Bericht der arabischen Zeitung Al Mayadeen sollen 250 White Helmets chemische Materialien in das christlich-arabische Dorf Halouz in der Nähe der Stadt Dschisr al-Schugur transportiert haben. Die White Helmets würden in Zusammenarbeit mit „ausländischen militanten Kämpfern“ planen, das chemische Material in dem Gebiet anzuwenden. Nach Informationen des Blatts soll der Einsatz der chemischen Materialien eine Woche nach Beginn der syrischen Militäroffensive auf die Stadt Idlib erfolgen. Nach dem Einsatz der Chemikalien sollen dann britische Söldner der Söldnerfirma „Oliva“ eingreifen, um die Rettung der angeblichen Opfer durchzuführen. In der Region Idlib soll die Al-Nusra-Front mittlerweile über 1.000 junge Männer verhaftet haben, denen vorgeworfen wird, sich mit der syrischen Regierung und der SAA in Verbindung gesetzt zu haben.

Al Araby berichtet, dass im Norden der Provinz Hama, die sich südlich der Provinz Idlib befindet, schwere Gefechte zwischen der SAA und den Al-Izza-Brigaden stattfinden würden. Oberst Mustafa Bakour von den Al-Izza-Brigaden sagte dem Blatt, dass sie sich in Hama nicht ergeben werden. Die Al-Izza-Brigaden kooperieren mit der Al-Nusra-Front, die mittlerweile Hayat Tahrir al-Scham (HTS) heißt. RFS Media, die als Nachrichtenagentur der Freien Syrischen Armee (FSA) fungiert, berichtet, dass die SAA am Dienstagvormittag damit begonnen hat, Jets und Helikopter von den Luftwaffenstützpunkten Al-Nayrab und Hama auf die Luftwaffenstützpunkte Khmeimim und Jirah zu verlegen. Die Verlegung der Jets und Helikopter erfolgt offenbar im Rahmen der Vorbereitung für die Offensive auf Idlib. Die Verlegung erfolgt in Gebiete, die sich nicht direkt in der Provinz Idlib befinden. Offenbar will die SAA damit verhindern, dass die Jets und Helikopter sich in Reichweite der bewaffneten Söldner befinden.

Russland bietet den Söldnern in Idlib immer noch die Option an, ihre Waffen niederzulegen, um anschließend in das zivile Leben zurückzukehren. „Das russische Versöhnungszentrum führt schwierige Gespräche mit den Führern der bewaffneten Splittergruppen in Idlib, um eine friedliche Lösung zu erreichen“, zitiert 24.ae den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

Der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow hat am Dienstag Deutschland und die USA aufgefordert, „bewaffnete Oppositionsgruppen“ in der Provinz Idlib, mit denen die beiden Länder in Kontakt stehen, zu beeinflussen. Russland versucht, eine Eskalation in Idlib zu verhindern. „Wir wollen unsere Kollegen in Berlin und Washington auffordern, mit ihren Möglichkeiten die bewaffneten Oppositionsmitglieder und terroristischen Strukturen zu beeinflussen, im letzteren Fall spreche ich von den USA, nicht von Deutschland, mit denen sie in Kontakt stehen“, zitiert die TASS Rjabkow. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert hatte zuvor eine Erklärung zum Telefongespräch zwischen Merkel und Trump veröffentlicht, in der es heißt, die deutsche und die US-amerikanische Führung fordern Russland dazu auf, die syrische Regierung zu beeinflussen, um eine Eskalation der Spannungen in Idlib zu vermeiden.

USA wollen Iran in Syrien eindämmen

Angesichts der syrisch-russischen Offensive auf die Provinz Idlib wollen die USA von Moskau einige Zugeständnisse erringen. Die US-Regierung versucht die russische Regierung dafür zu gewinnen, den iranischen Einfluss in Syrien zurückzudrängen. Washington befürchtet, dass ein Sieg in Idlib den Iranern die Möglichkeit geben wird, ein logistisches Netz bis ans Mittelmeer zu schaffen, berichtet Al-Monitor. „Die USA widersetzten sich der Rückeroberung von Aleppo, aber wir haben keine Luftwaffe geschickt, um sie zu stoppen. Die Frage ist, ob die USA Gewalt anwenden oder Maßnahmen ergreifen werden, um einen Angriff des Regimes auf Idlib zu verhindern. Ich denke, das ist unwahrscheinlich“, so Alexander Bick, der unter Präsident Barack Obama Direktor des Nationalen Sicherheitsrats für Syrien war.

In den vergangenen Tagen berichteten regionale Nachrichtenagenturen, dass syrische Regierungstruppen und ihre Verbündeten sich in der Nähe von Idlib zu einem möglichen Angriff zusammengeballt hätten, einschließlich in den nahe gelegenen Provinzen Hama und Latakia. Die iranische Nachrichtenagentur Fars hat auch berichtet, dass Russland in Erwartung der Offensive drei große Schiffe in den Mittelmeerhafen Tartus geschickt hat. Die USA, Frankreich und Großbritannien veröffentlichten ihrerseits in der vergangenen Woche eine gemeinsame Erklärung und warnten Assad, dass sie „entschlossen seien, im Falle eines künftigen Einsatzes chemischer Waffen zu handeln“. In der Erklärung hieß es weiter, die drei Nationen seien „sehr besorgt über Berichte über eine Militäroffensive des syrischen Regimes gegen Zivilisten und die zivile Infrastruktur in Idlib und die daraus resultierenden humanitären Folgen“, ohne jedoch eine ähnliche Drohung zu äußern.

Die syrische Regierung ist entschlossen, die Kooperation mit dem Iran zu vertiefen. Am Wochenende traf sich der syrische Präsident Baschar al-Assad mit dem iranischen Verteidigungsminister Amir Hatami in Damaskus. Die syrische staatliche Nachrichtenagentur SANA führt aus: „Minister Hatami betonte, dass die Standhaftigkeit des syrischen Volkes und seiner Führung und ihr Sieg über den Terrorismus in die Geschichte Syriens und der Region als ein Beispiel eingehen werden (...) Der Minister bekräftigte die Haltung seines Landes zur Unterstützung der Einheit und Unabhängigkeit Syriens fern jeglicher Einmischung von außen und wies darauf hin, dass Teheran auch entlang dieser Prinzipien handeln werde, ungeachtet der Drohungen und des Drucks einiger Länder, die den Terrorismus unterstützen (...) Präsident Assad seinerseits betonte die Bedeutung dieses Besuchs und die Tiefe der syrisch-iranischen Beziehungen und betonte, wie wichtig es ist, den Prozess der gemeinsamen Koordinierung zu entwickeln und langfristige Kooperationspläne aufzustellen (...) Zuvor führten General Ayoub (Syriens Verteidigungsminister, Anm. d. Red.) und der iranische Minister ausführliche Gespräche über die Entwicklungen in der Region und in Syrien sowie über die Zusammenarbeit zwischen den Armeen beider Länder durch. Nach den Gesprächen unterzeichneten beide Seiten ein gemeinsames Kooperationsabkommen zwischen den Armeen beider Staaten.“

Zeitung: US-Delegation hat syrischen Geheimdienstchef getroffen

Eine hochrangige US-Delegation hat laut einem Zeitungsbericht Ende Juni den syrischen Geheimdienstchef in Damaskus getroffen, um über die Zukunft des Landes zu beraten. In der letzten Juniwoche seien Mitarbeiter mehrerer US-Geheim- und Sicherheitsdienste an Bord eines emiratischen Flugzeugs in der syrischen Hauptstadt eingetroffen, um den mächtigen Geheimdienstchef Ali Mamluk zu treffen, berichtete am Dienstag die libanesische Zeitung "Al-Achbar", die der Hisbollah-Miliz nahesteht.

Das von Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten vermittelte Treffen im Viertel Messeh habe vier Stunden gedauert, meldete die Zeitung. Auf syrischer Seite hätten auch der Generaldirektor der Geheimdienste, Dib Seitun, und der Vize-Generalstabschef Mowafak Assaad teilgenommen. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht. Sollte das Treffen tatsächlich stattgefunden haben, wäre es eine Premiere gewesen.

Laut "Al-Achbar" boten die US-Vertreter den Abzug aller US-Truppen aus Syrien unter der Bedingung an, dass im Gegenzug die iranischen Truppen aus dem Süden Syriens abgezogen werden, die USA an den Ölvorkommen im Osten Syriens beteiligt werden und sie Informationen zu ausländischen Kämpfern der "Terrorgruppen" im Land erhalten. Die Syrer hätten solche Schritte als verfrüht zurückgewiesen, aber weitere Gespräche zugesagt.

Die USA hatten ihre Beziehungen zu Syrien 2011 abgebrochen.

In den folgenden Jahren unterstützte Washington verschiedene Söldner-Verbände gegen Assad, stellte aber später die Militärhilfe ein.

In diesem Rahmen sind mehrere hundert US-Spezialkräfte im Osten Syriens zur Unterstützung der kurdisch-arabischen SDF-Allianz im Einsatz. Der Anti-IS-Einsatz wird mit Assads Verbündetem Russland koordiniert, doch gibt es keine offiziellen Kontakte der USA mit der syrischen Regierung. Gegen die Geheimdienstchefs Mamluk und Seitun hat die US-Regierung Sanktionen wegen ihrer Rolle bei den Menschenrechtsverstößen der Regierung verhängt.

Idlib: Geopolitik und Öltransport

Der türkische Energie-Analyst Gürkan Kumbaroğlu sagte dem Magazin Enerji Günlüğü, dass die Deeskalationszonen, die im Verlauf des Astana-Prozesses geschaffen wurden, sich an energiepolitischen Knotenpunkten befinden. Die Waffenruhe in den Zonen sollte den Energietransport ankurbeln, der zuvor aufgrund der Kämpfe blockiert gewesen sei. Idlib ist die wichtigste Provinz für den Transport von Öl. Zudem verläuft derzeit eine Gaspipeline durch die Söldner-Provinz, berichtet Middle East Oil & Gas News.

Auf der anderen Seite befinden sich Hama und Latakia auf der geplanten Route für die Erdgaspipeline vom Iran über Irak und Syrien ans Mittelmeer. Idlib und Hama sind wichtig für den Bau der geplanten Pipeline von Katar über Syrien bis in die Türkei. Es gibt zwei potenzielle Routen: Eine verläuft von Katar über Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien und dann in die Türkei. Die andere verläuft von Katar über Kuwait, Irak und dann in die Türkei. Syriens Präsident Baschar al-Assad wollte im Jahr 2011 der Irak-Irak-Syrien-Pipeline den Vorzug lassen. Allerdings reicht für die Umsetzung dieser Pipeline nicht aus, dass der Syrien-Konflikt beendet wird. Zudem muss Stabilität im Irak und im Iran herrschen. Die US-Regierung hat kürzlich die Sanktionen gegen den Iran ausgeweitet und angekündigt, dass der iranische Export von Energiegütern auf „Null“ zurückgehen soll. Sollte dieser Ansatz vollständig umgesetzt werden, wäre die Iran-Irak-Syrien-Pipeline ohnehin nicht umsetzbar.

Kumbaroğlu meint: „Ohne eine Stabilität im Irak, ist die Umsetzung der Iran-Irak-Syrien-Pipeline nicht möglich. Die Türkei liegt hier im Vorteil, zumal die Iran-Irak-Syrien-Pipeline im Vergleich zu Katar-Türkei-Pipeline eindeutig nicht konkurrenzfähig ist.“

Zwei weitere Ölmärkte befinden sich in den syrischen Städten Manbidsch und al-Bab, die sich beide unter türkischer Kontrolle befinden. Durch diese beiden Städte verläuft auch die wichtigste Pipeline, die Öl aus dem Irak – aus Mossul und al-Qaim – nach Syrien bis in die Provinz Idlib transportiert. Dieselbe Pipeline verläuft im Westen auch durch die Stadt Aleppo bis zum Öl-Markt in Idlib, so die Financial Times.

Der Großteil der syrischen Onshore-Ölquellen befindet sich östlich des Euphrats. Das Gebiet wird weitgehend von den USA und ihren verbündeten Kurden-Milizen kontrolliert. Ausschließlich das Zentrum der Stadt Deir Ezzor befindet sich unter der Kontrolle der syrischen Armee (SAA). „Alle Ölfelder sind hier. Dieser Ort ist sehr reich, weshalb sie (die syrischen Regierungstruppen, Anm. d. Red.) dieses Gebiet wollen. Sie würden nicht herkommen, wenn hier kein Öl wäre, weil sie sich nicht um die Menschen kümmern”, sagte der Kommandant der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von den Kurden-Milizen kontrolliert wird, Abu Arab, der kurdischen Nachrichtenagentur Rudaw.

Da die syrisch-russische Koalition die syrische Küste kontrolliert, wäre es nur noch über Idlib möglich, das Öl über die türkische Hafenstadt Iskenderun auf den europäischen Markt zu bringen. Eine andere Alternative wäre, das Öl durch ein neues Pipelinenetz in die Baku-Ceyhan Pipeline einzuspeisen. Die Türkei will die Provinz Idlib aber nicht unter die Kontrolle der USA, Frankreichs oder der Kurden-Milizen geben, da in der Folge die türkische Mittelmeerprovinz Antakya bedroht werden könnte. Die Regierung von Ankara ist überzeugt davon, dass ein Energiekorridor im Norden Syriens, der bis in die türkische Hafenstadt Iskenderun verlaufen würde, die territoriale Integrität der Türkei bedrohen würde. Deshalb zieht es die Türkei vor, Idlib gemeinsam mit Russland und Syrien unter Kontrolle zu bekommen.

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