Die EU-Kommission will ein Special Purpose Vehicle (SPV) einrichten, um die iranischen Import- und Exportzahlungen abzuwickeln, sobald Washington am 5. November gegen die Notenbank und die Ölindustrie des Iran vorgeht. Doch hochrangige EU-Diplomaten sagten den Financial Times unter der Bedingung der Anonymität, dass zahlreiche EU-Staaten diesen Vorstoß nicht mittragen wollen, weil sie Angst vor den Reaktionen der US-Regierung haben. "Keine EU-Regierung will die USA mit dem SPV verärgern", so ein EU-Diplomat.
Der Leiter der Kapitalmarktanalyseabteilung der Baader Bank, Robert Halver, sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: "Das SPV ist kaum erfolgversprechend. Europäische Unternehmen wissen, dass wenn sie mit dem Iran Handel betreiben, sich Geschäftspotenziale in den USA zerstören, weil sie dort sanktioniert werden. Grundsätzlich bietet der US-Markt auch langfristig deutlich mehr Potenzial als der Iran. Im direkten Vergleich werden sich Europas Unternehmen also immer überwiegend für Amerika entscheiden. Entschädigungszahlungen seitens der EU sind keine Alternative. Außerdem darf man nicht vergessen, dass das jeweilige Unternehmen auch Geschäftspotenziale mit Saudi-Arabien bedroht. Saudi-Arabien ist eben ein Konkurrent des Iran. Insbesondere wegen den lukrativen Mega-Investitionen, die Saudi-Arabien plant, um der Abhängigkeit von Öl zu entkommen, wird man sich im Zweifel immer für Saudi-Arabien entscheiden. EU- und Unternehmenspolitik sind zwei verschiedene paar Schuhe. Während Europa sich gegen Amerika behaupten will, entscheiden sich Unternehmen immer für die Rendite.
Auf Nachfrage der Deutschen Wirtschaftsnachrichten, ob der Bericht der Financial Times zutrifft, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission: "Am 24.9.2018 haben die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, gemeinsam mit den Außenministern von Frankreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, China und der Russischen Föderation sowie des Iran in New York über die Umsetzung des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans (JCPOA), des iranischen Atomabkommens, beraten. Bei dem Treffen kündigte Federica Mogherini die Vorarbeiten für eine so genannte ,Zweckgesellschaft' an - d.h. die EU-Mitgliedstaaten arbeiten zusammen, um eine Rechtsperson zu gründen, die legitime Finanztransaktionen mit dem Iran im Zusammenhang mit seinen Ausfuhren (einschließlich Öl) und Einfuhren zu erleichtern, die die Wirtschaftsteilnehmer, die legitime Geschäfte mit dem Iran tätigen, unterstützen und beruhigen wird. Dies würde die Fortführung der Geschäfte europäischer Unternehmen mit dem Iran im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union erleichtern. Die Teilnehmer beschlossen dann die Gründung dieser Zweckgesellschaft. Da die Arbeiten seitens der Mitgliedstaaten im Gange sind, können wir vorerst keine zusätzlichen Details dazu angeben. Es gibt ein weiteres Treffen von technischen Sachverständigen aus einigen Mitgliedstaaten, um diese Arbeit voranzutreiben und die Zweckgesellschaft auf technischer Ebene funktionsfähig zu machen."
Reuters meldet: "Viele Diplomaten und Experten bezweifeln, dass dies (SPV, Anm. d. Red.) funktionieren wird. Sie verweisen darauf, dass die USA nur ihre Sanktionen um Tauschgeschäfte erweitern müssen, um den Handel zu blockieren. Zudem bleibt das Grundproblem, dass Firmen, die mit dem Iran Handel treiben, ihr - meist größeres - Geschäft in den USA verlieren dürften. Aus diesem Grund haben sich große europäische Konzerne wie Airbus, Deutsche Telekom und Peugeot seit dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen im Mai aus dem Iran zurückgezogen (...) Die EU versucht seit Monaten auf unterschiedlichen Wegen, die einheimischen Firmen vor den Auswirkungen der US-Sanktionen zu schützen. Sie setzt dazu unter anderem auf Zahlungssysteme in Euro statt in Dollar sowie auf ein Gesetz, dass die Einhaltung der US-Sanktionen für EU-Bürger verbietet. Bislang blieb dies jedoch ohne Erfolg. Die europäischen Unternehmen befürchten weiter, dass sie ihr US-Geschäft verlieren, wenn sie mit dem Iran Handel treiben."