Die Deutsche Bahn spart bei der Instandhaltung von Gleisen, Brücken oder Bahnhöfen - solange, bis der Bund zahlen muss. Diesen Vorwurf erhebt der Bundesrechnungshof und verlangt, solche und andere Schwächen in der Finanzierungsvereinbarung zwischen Bahn und Bund schnell zu beheben. Die Bahn fahre schon "jahrelang auf Verschleiß", kritisierte Rechnungshofpräsident Kay Scheller am Freitag.
Die Bahn sei für Bürger und Wirtschaft zu wichtig, als dass Deutschland noch weiter mit einem System fahre, das nicht halte, was es verspreche, sagte Scheller. Es gehe vor allem um die Bahninfrastruktur: 25.000 Eisenbahnbrücken, 5600 Bahnhöfe, 33.000 Kilometer Schienennetz, Stellwerke und Oberleitungen müssten nicht mehr einfach nur instandgehalten werden, sondern "rundweg ersetzt oder in Teilen erneuert".
Zwar flossen seit 2009 rund 30 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bahn und Bund. Im Jahr 2009 waren es rund 2,5 Milliarden Euro - für 2019 sind 4,15 Milliarden Euro eingeplant. Doch die derzeitige LuFV leistet laut Scheller nicht, was sie soll. Die "schwerwiegenden Mängel" müssten daher jetzt und nicht erst wie geplant in einigen Jahren abgestellt werden, forderte der Rechnungshofpräsident.
Getrennte Finanzierungslasten sorgen für Fehlanreize. Die Bahn muss die Instandhaltung aus eigenen Mitteln zahlen, der Bund finanziert die Ersatzinvestitionen. So ist es für das Unternehmen günstig, auf Verschleiß zu fahren. Wenn dann der Ersatz von Schienen oder Brücken überfällig ist, muss dies der Bund finanzieren.
Vertraglich vereinbarte Qualitätskennzahlen zur Infrastruktur bilden den Zustand laut Rechnungshof nur unzureichend ab - sie zeigen eine kontinuierliche Verbesserung, obwohl der Investitionsstau wächst. Mängel im Schienennetz gelten etwa erst nach 100 Tagen Dauer als Mangel - 97 Prozent des Schienennetzes kann die Bahn so als einwandfrei deklarieren. Ob diese 97 Prozent im Gegenteil schon defekt sind, lasse sich nicht erkennen.
Sanktionen sind laut Rechnungshof wirkungslos, weil die Beträge, die der Bund fordern kann, gering sind. So muss er binnen fünf Jahren 875 Brücken ganz oder teilweise erneuern. Wird dieses Ziel nicht erreicht, ist eine einmalige Strafe in Höhe von 15 Millionen Euro vorgesehen - egal, ob die Bahn gar keine Brücke saniert oder 874.
Das zuständige Bundesverkehrsministerium schließlich prüfe weder die wirtschaftliche Verwendung der Bundesmittel noch den Erfolg seiner Finanzierungsvereinbarung mit der Bahn. Wie die Tochtergesellschaften des Konzerns die Milliardenzuschüsse für den Erhalt der Infrastruktur einsetzen, wisse das Ministerium nicht.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wolle daran auch nichts ändern, kritisierte Scheller. Das sei "wenig ambitioniert und riskant". "Es besteht die Gefahr, dass sich der Zustand der Eisenbahninfrastruktur trotz steigender Bundesmittel weiter verschlechtert."
Scheller appellierte daher an den Bundestag, die Schwächen zu beheben. Die Abgeordneten könnten jetzt notwendige Korrekturen erörtern - und nicht erst, nachdem Scheuer wie geplant in der zweiten Jahreshälfte 2019 einen fertig ausgehandelten Vertragsentwurf vorlegt.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte einen "Neustart" auf der Schiene. Jeder Euro, den der Bund in die Bahn stecke, müsse bei den Fahrgästen ankommen. Es brauche eine grundlegende Reform. Der bahnpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Gastel, schlug die Überführung in eine bundeseigene Gesellschaft vor. Nur so könnten die Allgemeinwohlverpflichtungen erfüllt werden. Das Schienennetz dürfe nicht einem Konzern überlassen werden, der damit 2017 einen Gewinn von rund einer Milliarde Euro erwirtschaftete.
Die bahnpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Leidig, forderte: Alle Gelder, die vom Staat in die Bahn-Töchter Netz, Station und Service flössen, müssten dort bleiben und reinvestiert werden.