Politik

Trumps Hilferuf an die Banken: US-Regierung braucht mehr Geld

Lesezeit: 7 min
30.12.2018 21:56
Die US-Regierung kämpft gegen einen dramatischen Liquiditäts-Mangel. Der Hilferuf an die Banken lautet: „We are running out of money!“

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US-Finanzminister Steven Mnuchin sorgte vor wenigen Tagen für Aufregung: Er fragte bei den großen US-Banken an, ob sie ausreichend Liquidität hätten, bekam ein „Ja“ zu hören und verkündete die Frohbotschaft über soziale Medien. Statt die Märkte zu beruhigen, erfolgte das Gegenteil. Die bange Frage lautet: Wieso macht sich Mnuchin Sorgen wegen der Liquidität der Banken, die bislang kein Thema war? Die Antwort lautet: Die USA erleben derzeit einen dramatischen Liquiditätsverlust, den man auch mit dem markanten, englischen Satz „We are running out of money!“ charakterisieren kann. Die USA bekommen nun die Quittung für die von US-Präsident Donald Trump inszenierten, wirtschaftspolitischen Kapriolen.

Dass die Demokraten im Kongress derzeit die Aufnahme neuer Schulden blockieren und viele Beamte in unbezahlten Zwangsurlaub gehen müssen, ist da noch die geringste Sorge: Während sich die finanzielle Lage dramatisch zuspitzt, wird darüber gestritten, ob an der Grenze zur Mexiko eine Mauer um einige Milliarden gebaut werden kann. So genannte „Shut downs“ erweisen sich stets als politische Geplänkel, die die Verschuldung nicht nachhaltig bremsen.

Steuersenkung am Jahresanfang 2018

Zum Jahresbeginn 2018 setzte Trump eine spektakuläre Steuersenkung durch, obwohl die US-Bürger und –Unternehmen schon bisher weit weniger Steuern bezahlt haben als etwa ihre EU-Mitbewerber. Kritikern dieser Aktion hielt Trump entgegen, die Steuersenkung würde zur Belebung der Wirtschaft beitragen und sich über zusätzliche Steuereinnahmen selbst finanzieren.

Die Bruttokosten der Steuersenkung wurden mit 1.500 Mrd. Dollar im Jahr angesetzt. Das Fiskaljahr in den USA erstreckt sich vom 1. Oktober bis zum 30. September, sodass die Steuersenkung am 1. Jänner nur neun und nicht zwölf Monate der Periode 2017/2018 betraf. Nun liegen die Daten vor: Die US-Staatsschulden sind in diesem Fiskaljahr um sensationelle 1.271 Mrd. $ angestiegen. Somit wurde die gesamte Steuersenkung über zusätzliche Schulden finanziert. Die erhoffte Steigerung der Steuereinnahmen erwies sich als Illusion, die Einnahmen stiegen nur um 1 Prozent.

Der Finanzminister verantwortet nun 21.500 Mrd. $ Staatsschulden, also deutlich mehr als die Jahreswirtschaftsleistung der USA von 20.000 Mrd. $.

Handelsbilanzdefizit kräftig gestiegen

Trumps zweite, große wirtschaftspolitische Initiative zielte auf die Verringerung des Handelsbilanzdefizits der USA ab. Mit dem grotesken Ergebnis, dass der Abgang sich erneut vergrößert hat. Ausgangspunkt der Aktion war der Umstand, dass 2016 um 751 Mrd. $ mehr importiert als exportiert wurde. Im Jahr 2017 stieg das Minus auf 807 Mrd. $ und in den ersten zehn Monaten 2018 erreichte das Defizit bereits 729 Mrd. $, also beinahe jenen Betrag, der 2016 für alle zwölf Monate auszuweisen war. Oder noch eindrucksvoller: In der Periode, in der die USA mit Strafzöllen gegen China und Europa operierten, also von Januar bis Oktober 2018 stieg das Handelsbilanzdefizit gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres um 65,5 Mrd. $.

Die Bilanz der Dienstleistungen – Tourismus, Banken, Versicherungen, Consulting - ist weiterhin positiv und ist auch in den ersten zehn Monaten 2018 um 14 Mrd. $ gewachsen, kann aber bei weitem nicht für einen Ausgleich des Lochs im Handelsbereich sorgen

Die Erklärung ist sehr einfach. Das bisherige und von Trump kritisierte Handelsbilanzdefizit hat zwei Ursachen:

  • Die US-Industrie nutzt in hohem Maße die niedrigen Lohn- und sonstigen Kosten in den Entwicklungsländern. Die dort produzierten Waren werden in die USA importiert, entweder unverändert verkauft oder weiterverarbeitet. Dieser Teil des Imports ist also kein Import im üblichen Sinn, eine Behinderung der Einfuhren richtet sich gegen US-Interessen.
  • Außerdem haben die USA in vielen Bereichen keine weltweit konkurrenzfähigen Produkte wie man etwa an der geringen, internationalen Präsenz US-amerikanischer Fahrzeuge erkennen kann. Dieser Mangel ist aber nur durch ein besseres Angebot und nicht durch Schutzzölle zu korrigieren.

Die Verschlechterung der Handelsbilanz unter Trump ist in erster Linie durch 3 Faktoren ausgelöst:

  • die spektakuläre Steuersenkung: Bei unveränderter Struktur der US-Warenangebots im In- und Ausland bekamen die Privathaushalte und die Unternehmen plötzlich in den Genuss einer enorm gestiegenen Kaufkraft, die naturgemäß den schon gegebenen Importsog verstärkte.
  • keine nachvollziehbaren Geldflüsse: Aber wenn der Staat zusätzlich 1.270 Milliarden US-Dollar Schulden macht und das Geld in die Wirtschaft pumpt, ist es nicht verwunderlich, wenn der Import weiter wächst und Milliarden ins Ausland abfließen.
  • der starke Dollar-Kurs: Die ohnehin nicht problemlose Situation der US-Exportwirtschaft wird noch durch den höheren Dollarkurs belastet, der die Exporte erschwert und die Importe begünstigt. Die Dollar-Stärke ist nicht nur durch das kräftige Wachstum in den USA bedingt, sondern entscheidend durch die Zinspolitik ausgelöst: Während die Europäische Zentralbank die Nullzinspolitik fortsetzt, hebt die US-Zentralbank die Zinsen Schritt für Schritt an, wodurch der Dollar international attraktiver wird.

Währungspolitik verschärft

Im Jahre 2016 hat die Arbeitslosenrate der USA 4,87 Prozent betragen. Somit konnte die dramatische Situation nach der Finanzkrise 2009 als überwunden bezeichnet werden: 2009 explodierte die Arbeitslosigkeit von 5,8 auf 9,3 Prozent, 2010 weiter auf 9,6 Prozent und sank in der Folge sukzessive auf den erwähnten Wert von 4,87 Prozent. 2017 kam eine weitere Verbesserung auf 4,35 Prozent zustande. Es wäre also nicht notwendig gewesen, durch eine spektakuläre Steuersenkung 2018 die Wirtschaft zu beleben.

Die tatsächliche, positive Wirtschaftsentwicklung nahm aber die Währungspolitik zur Kenntnis: Nach der Finanzkrise hatte die Zentralbank Federal Reserve Board die Wirtschaft durch niedrige Zinsen und eine großzügige Geldversorgung jahrelang gestützt. Die Daten 2016 und 2017 zeigten, dass die Zeit für eine Kurskorrektur gekommen war. Um die Märkte nicht zu überfordern, wurden und werden die Zinsen nur in kleinen Schritten, aber doch angehoben und die Liquiditätsspritzen verringert. Mittlerweile (Werte vom 27.12.18) betragen die Zinsen für Staatsanleihen 2,43 Prozent für einen Monat, 2,77 Prozent für zehn Jahre und 3,05 für 30 Jahre.

Im historischen Vergleich sind diese Sätze immer noch niedrig und daher als Orientierungsmaß für die gesamte Zinslandschaft weiterhin konjunkturfreundlich, aber weit über den Minimalsätzen der vergangenen Jahre. Für Präsident Trump und seinen Finanzminister Mnuchin ist bei 21.500 Mrd. $ Staatsschulden naturgemäß auch ein Zehntelprozent mehr Kosten bedrohlich und daher leicht nachvollziehbar, warum Trump gegen die Zinserhöhungen protestiert.

Das vorgeschobene Argument, die Zinserhöhungen würden die Konjunktur abwürgen, ist angesichts der tatsächlichen Zinssätze nicht überzeugend. Die Konjunktur selbst neigt sogar, nicht zuletzt durch die Steuersenkung, zur Überhitzung: Die Wachstumsrate betrug im zweiten Quartal 4,2 und im dritten Quartal 2018 3,4 Prozent, für das gesamte Jahr wird mit 3 Prozent gerechnet.

Auch ist anzunehmen, dass die Zentralbank angesichts der Attacken des Präsidenten ihre Unabhängigkeit demonstrieren muss. Vermutlich wäre ohne politischen Druck die Zinserhöhung vom Dezember entfallen und die nächste Korrektur erst im Frühjahr 2019 erfolgt.

Die ungewöhnlichen Sorgen des derzeitigen US-Finanzministers

Üblicherweise muss sich ein US-Finanzminister keine besonderen Sorgen machen. Eine steigende Staatsschuld, Abflüsse durch das Handelsbilanzdefizit und höhere Zinsen sollten leicht über zusätzliche Anleihen abgefangen werden. Derzeit liegen die Dinge anders.

Die Zentralbank Federal Reserve Board ist nicht nur nicht bereit zusätzliche Dollar zu produzieren, sondern zieht Liquidität aus dem Markt ab. Und die internationalen Anleger, allen voran die chinesische Regierung steigen auf die Bremse.

  • Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt hier der von Trump mit rhetorischen Attacken und tatsächlich eingehobenen Strafzöllen geführte Handelskrieg. Man ist, um es einfach zu formulieren, beleidigt.
  • Einen sachlichen Faktor liefert der relativ hohe Dollarkurs, der US-Anleihen weniger attraktiv macht. Da sind die höheren Zinsen – noch – nicht überzeugend. Angesichts des Geldbedarfs der USA kann man getrost warten, bis der US-Staat in der Geldnot mehr zahlt.

Dass auch hier die Daten für Nervosität beim US-Finanzminister sorgen, ist nachvollziehbar. Ausländer haben im Oktober zwar in der üblichen Größenordnung US-Staatsanleihen im Ausmaß von 177,5 Mrd. $ gekauft, aber im Gegenwart von 165,9 Mrd. $ verkauft, sodass netto nur 11,6 Mrd. $ verblieben, wovon auf ausländische Staaten 4,7 Mrd. $ entfielen.

Auch hier spielt der Rechenstift und nicht nur der Ärger über Trump eine wichtige Rolle, wobei ein Beispiel zur Erläuterung herangezogen sein: Die 30jährigen US-Anleihen wurden vor zehn, zwölf Jahren mit einem Zinssatz von rund 6 Prozent ausgestattet. Durch die niedrigen Zinsen lag der Kurs zuletzt bei 125 Prozent und man war gut beraten Kassa zu machen, weil die steigenden Zinsen die Kurse der alten Anleihen fallen lassen und so den Kursgewinn aufzehren.

In der Geldnot ruft auch ein Finanzminister bei den Banken an

Angesichts der Bedrängung von allen Seiten wird das eingangs geschilderte Telefonat des Finanzministers verständlich. Wie jede und jeder in Geldnot, geht auch Steven Mnuchin zur Bank.

Allerdings tat er dies in Kenntnis der vor Weihnachten publizierten, aktuellen Daten aus der Bankenstatistik und da bekommt die beruhigende Auskunft der Generaldirektoren einen schalen Beigeschmack.

  • Die Barmittel der Banken sind allein im November um 38,3 Prozent gesunken. Womit der Abfluss der vergangenen Monate anhielt: Im dritten Quartal entsprach das Minus 18,9 Prozent, im zweiten 26,7 Prozent und im ersten Jahresviertel 19,4 Prozent. Die Frage nach der Liquidität kam also nicht von ungefähr und wurde auch durch die Situation auf der Ausleihungsseite begründet.
  • Die Ausleihungen an Unternehmen erhöhten sich um November um sensationelle 16,7 Prozent. Monatsergebnisse sind stets mit Vorsicht zu beachten, da Sonderfaktoren zu Verzerrungen führen können. Allerdings hatte schon der Oktober eine Zuwachsrate von 9,4 Prozent gebracht. Die Steigerung belief sich im Sommer auf 6,0 und im zweiten Quartal auf 7,5 Prozent.

Somit ist klar, dass die US-Wirtschaft auf vollen Touren läuft und sich eine Überhitzung abzeichnet.

Viel diskutiert wird die Verschuldung der Privathaushalte, doch sind weder die Immobilienkredite noch die Schulden bei den Kreditkartenfirmen atypisch stark gewachsen. Da wirkt sich das im Gefolge der Steuersenkung höhere Nettoeinkommen positiv aus, wobei jedoch die ausstehenden Beträge immer noch extrem hoch sind.

Die Börse bekommt alle widersprüchlichen Bewegungen zu spüren

Die widersprüchlichen Entwicklungen haben die unterschiedlichsten Auswirkungen, die alle an den Börsen ihren Niederschlag finden.

  • Die US-Liquiditätsprobleme führen unweigerlich zu einem weiteren Zinsanstieg, der nicht von der Fed alleine, sondern entscheidend auch vom Markt erzwungen wird.
  • Der Staat muss das explodierende Defizit finanzieren, die Volkswirtschaft spürt den kontinuierlichen und steigenden Mittelabfluss durch das Handelsbilanzdefizit.
  • Höhere Zinsen bei den Anleihen schwächen das Interesse für Aktien und drücken die Aktienkurse.
  • Die geringere Liquidität bremst naturgemäß auch die Veranlagungskapazität der Börsianer: Verkäufe und weniger Käufe wirken sich auf die Kurse aus.
  • Allerdings erzielen die Unternehmen durch die gute Konjunktur und die niedrigen Steuern hohe Gewinne, die die Aktienkurse wiederum in die Höhe treiben. Der Dow Jones war daher kurze Zeit bei 26.000 Punkten, womit allerdings ein extrem hohes überdurchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis erreicht wurde. Die Korrektur auf 24.000 bis 25.000 erschien realistisch, der Jahresschlusskurs über 23.000 eröffnet somit Spielraum nach oben.

Konsequent wäre, dass der Staat die Steuersenkung korrigiert und durch höhere Steuern den Abgang im Budget reduziert. Bei höheren Steuern sinkt durch die geringere Kaufkraft auch das Handelsbilanzdefizit. Dieser Schritt ist aber angesichts des Programms von Donald Trump nicht zu erwarten.

Fazit: Die höheren Zinsen werden jedenfalls die Konjunktur bremsen. Gelingt es allerdings, das derzeitige Niveau bei den Anleihen von knapp 3 Prozent zu halten, dann sollten sich auch die Kreditkosten bei etwa 5 Prozent für erstklassige Kunden einpendeln. Mit dieser Struktur der Geldkosten würden die USA zwar eine abgeschwächte, aber weiterhin kräftige Wirtschaftsentwicklung verzeichnen. Wenn allerdings die Mittelknappheit des Staates dazu führt, dass die Zinsen rasch in die Höhe schnellen, dann bricht die Konjunktur ein, steigt die Arbeitslosigkeit und die Börsenkurse fallen.

US-Finanzminister Steven Mnuchin wird also noch viel mehr telefonieren müssen, um das schlingernde Staatsschiff USA auf Kurs halten zu können. Dazu bedarf es einer klugen Kommunikation – die überraschende Ankündigung, die Banken sind liquide, gehört nicht dazu – und eines großen Geschicks bei der Beschaffung der erforderlichen Mittel. Mnuchin wird seine Erfahrungen aus der Zeit als Investmentbanker gut brauchen können. Oder vielleicht, wie viele seiner Kollegen, die Regierung Trump verlassen.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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