Technologie

Europas Stromnetz stand kurz vor dem totalen Blackout

Lesezeit: 2 min
17.01.2019 17:19
Im europäischen Stromnetz sackte die Netzfrequenz letzte Woche plötzlich ab, was fast zu einem totalen Blackout führte.
Europas Stromnetz stand kurz vor dem totalen Blackout

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Am 10. Januar sank die Netzfrequenz im europäischen Verbundsystem kurz nach 21 Uhr vorübergehend auf 49,8 Hertz. Zwar ist dies deutlich unterhalb des Sollwertes von 50 Hertz. Doch die Netzbetreiber konnten einen Zusammenbruch des Netzes noch rechtzeitig verhindern.

Ein Absinken der Netzfrequenz unter die Schwelle von 49,8 Hertz ist im europäischen Verbundsystem äußerst selten. Das letzte Mal geschah dies am 4. November 2006 und führte zum bisher größten Stromausfall in Europa mit rund 10 Millionen betroffenen Haushalten.

"Auch wenn Abweichungen von 0,2 Hertz kurzzeitig erlaubt sind, war dieser Vorgang ungewöhnlich und es muss ein Vorfall dahinter stecken, der Grund zur Besorgnis gibt", sagte Markus Jaschinsky von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg auf seinem Blog.

Beim Erreichen von 49,8 Hertz wurden erste automatische Gegenmaßnahmen eingeleitet, sagte Thomas Gobmaier von Netzfrequenzmessung. Es seien vorher festgelegte Lasten abgeworfen worden, zum Beispiel Pumpspeicher im Ladebetrieb oder Industriebetriebe mit abschaltbaren Lasten.

So berichtet der französische Netzbetreiber RTE in einer Pressemeldung, dass mehr als 1,5 Gigawatt industrielle Lasten automatisch für 20 bis 45 Minuten abgeworfen wurden, was das erste Mal seit Aufbau dieses Instruments gewesen sei. Diese Abschaltung entspricht dem Verbrauch einer Großstadt wie Wien.

Wäre die Frequenz um weitere 0,6 Hertz abgesunken, hätte man die verbliebenen Speicherpumpen abgeschaltet, so Gobmaier. "Bei 49 Hertz wären die ersten 12,5 Prozent der Verbraucher abgeworfen worden, was für diese Gruppen einen Blackout bedeuten würde." Erst bei weniger als 47,5 Hertz würde das Netz komplett abgeschaltet.

Zwar sieht es so auch, als wäre man von einem europaweiten Totalausfall noch weiter entfernt gewesen. Doch der Blackout-Forscher Herbert Saurugg sagte dem Standard, es gehe "dann relativ schnell, und zwar nicht linear, sondern exponentiell". Innerhalb weniger Sekunden drohe ein totaler Blackout.

Als mögliche Ursachen für den gefährlichen Frequenzabfall nennt Saurugg auf seinem Blog neben dem plötzlichen Ausfall eines französischen Atomkraftwerks vor allem den Handel in Stunden oder in Viertelstunden auf dem europäischen Strommarkt.

So gehen Kraftwerke manchmal etwas zu früh vom Netz, während andere Kraftwerke sich etwas zu langsam zuschalten. Die Stromversorgung sei ein "träges System, wo eine sekundengenaue Steuerung und Leistungsübergabe gar nicht möglich ist". Frequenzeinbrüche auf 49,9 Hertz seien aus diesem Grund laufend zu beobachten.

Nach Angaben des österreichischen Übertragungsnetzbetreibers APG wurde der Störfall durch einen Datenfehler an einem Netzregler im Gebiet der deutschen TenneT ausgelöst. Die Störung habe aber gezeigt, dass das europäische Schutzsystem nach dem Frequenzabfall gegriffen und die Frequenz sofort wieder in den Normalbetrieb zurückgeführt habe, sagte APG-Betriebsdirektor Klaus Kaschnitz.

Doch auch wenn die Instrumente zum automatischen Lastabwurf funktioniert haben, stellt sich laut Thomas Gobmaier die Frage, wieso der langsame Frequenzabfall auf 49,8 Hertz nicht aufgehalten werden konnte. Seiner Einschätzung nach haben viele Kraftwerke ihre vorgehaltenen Reserveleistungen in diesem Zeitraum nicht eingehalten.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...