Deutschland

Discounter aus Sibirien will Lebensmittel-Handel in Ost-Deutschland aufrollen

Der russische Discounter „Torgservis“ will den Lebensmittelmarkt in Ost- und Norddeutschland aufrollen.
31.01.2019 17:17
Lesezeit: 2 min

Die russische Lebensmittel-Kette „Torgservis“ hat in Leipzig unter dem Namen „Mere“ ihre erste Filiale eröffnet. Mit 1.000 Quadratmetern verfügt diese über etwas mehr Verkaufsfläche als ein durchschnittlicher Markt von Aldi (850 Quadratmeter) und von Lidl (870 Quadratmeter). Die Lebensmittel stammen zum größten Teil aus Osteuropa, vor allem aus Polen und Tschechien. Aber auch deutsche Ware ist dabei, beispielsweise der Wurstverschnitt eines großen Herstellers aus Gütersloh. Im Angebot befinden sich auch Haushaltswaren, primär Artikel aus ostasiatischer Billig-Produktion. Ein Vollsortiment bietet „Mere“ nicht. So gab es bei der Eröffnung in Leipzig keine Butter und kein frisches Gemüse, aber auch kein Wasser und keine Nudeln. Der Grund: Torgservis bietet kein Vollsortiment. Im Angebot hat das Unternehmen stattdessen immer die Waren, die seine Einkäufer aktuell zu günstigen Preisen bei den Lebensmittel-Herstellern bekommen können.

Die Ausstattung der Leipziger Filiale ist äußerst spartanisch. Sie verfügt nur über wenige Kassen, die Ware befindet sich in großen Kartons, die auf Paletten gepackt sind. Die Preise stehen auf großen weißen Zetteln, die an den Seitenwänden der Kartons angebracht sind.

Am Eröffnungstag herrschte großer Andrang. Teilweise betrugen die Wartezeiten an der Kasse eine Stunde. Manche Kunden waren sichtlich entnervt, ließen ihre vollen Einkaufswagen stehen und verließen den Laden wieder.

Torgservis hat angekündigt, rund 100 Läden in Nord- und Ostdeutschland zu eröffnen. Experten bezweifeln allerdings, dass das Konzept aufgeht. Die Russen operieren mit durchschnittlich 15 Prozent Aufschlag auf den Einkaufspreis, andere Discounter mit 50 Prozent und mehr. Die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter Verkaufsfläche beträgt in Westdeutschland rund 11,50 Euro, in Ostdeutschland sind es 9,50 Euro. Allein diese Mieten zu erwirtschaften, könnte Torgservis schwerfallen.

Der Einzelhandels-Experte und Unternehmensberater Prof. Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Wenn überhaupt, wird sich Mere nur als Nischenkonzept durchsetzen. Eine ernsthafte Konkurrenz für Aldi und Lidl stellt die Kette nicht dar. Im Endeffekt spricht sie nur anspruchslose Käufer an. Ihr fehlt ein stabiles Standard-Sortiment, auf das die Kunden sich verlassen können – die Ausrichtung auf ein Sonderposten-Sortiment allein reicht nicht.“

Das Problem ist auch, dass die deutschen Kunden durchaus verwöhnt sind. In Deutschland gibt es mindestens ein Drittel zu viele Supermärkte und Discounter, die Einkaufsfläche pro Kopf ist fast doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Dementsprechend hart ist die Konkurrenz – dementsprechend bemüht sind die Händler, ihren Kunden ein Einkaufserlebnis zu bieten. Darüber hinaus sind die Preise für Lebensmittel hierzulande relativ niedrig. Zum einen aufgrund der, wie schon gesagt, harten Konkurrenz, zum anderen, so Roeb, weil „deutsche Lebensmittelhändler äußerst effektiv und damit kostengünstig arbeiten, was sich – aus Kundensicht – günstig auf die Preise auswirkt". Das heißt, Torgservis´ Preise sind niedriger als die der Konkurrenz, aber so viel niedriger eben auch nicht – die Qualität der Ware fällt jedoch um einiges geringer aus.

Torgservis beziehungsweise „Swetofor“, wie die Kette in Russland heißt, wurde 2009 von dem Wolgadeutschen Iwan Iwanowitsch Schneider und seiner Frau Walentina in der sibirischen Stadt Krasnojarsk (4.000 Kilometer östlich von Moskau) gegründet. Das dafür notwendige Geld hatte das Milliardärs-Paar in den Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion mit dem Bier- und Wodka-Handel sowie anschließend mit einer Spedition und einer Apotheken-Kette verdient. Vorbild bei der Gründung von Swetofor waren die Aldi-Gründer Karl und Theodor Albrecht. Genau wie die beiden Brüder setzten die Schneiders auf ein schmales Sortiment, niedrige Preise und äußerst geringe Betriebskosten. Mittlerweile betreiben sie rund 800 Filialen in Russland, China, Rumänien und einer Reihe von Nachfolge-Staaten der Sowjet-Union. Der Umsatz liegt bei 1,3 Milliarden Euro. Aldi Nord und Aldi Süd betreiben zusammen über 8.200 Filialen und erzielen einen Umsatz von 47,5 Milliarden Euro (Zahl von 2015). Eine durchschnittliche Swetofor-Filiale macht also einen Jahresumsatz von rund 1,6 Millionen Euro. Eine durchschnittliche Aldi-Filiale kommt auf einen Jahresumsatz von 5,8 Millionen Euro.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Amerika: Hat Joe Biden jemals wirklich die USA regiert?
11.03.2025

Wurde die US-Regierung per Autopen (Unterschriftenautomat) gesteuert? Ein Bericht enthüllt, dass fast alle Biden-Dokumente maschinell...

DWN
Politik
Politik BSW klagt in Karlsruhe auf Neuauszählung der Wahl
11.03.2025

Knapp gescheitert, doch nicht bereit aufzugeben: Das Bündnis Sahra Wagenknecht zieht vor das Bundesverfassungsgericht. Die Partei zweifelt...

DWN
Politik
Politik Bargeldreform: Verschwinden bald die Ein- und Zwei-Cent-Münzen?
11.03.2025

Kaum jemand zahlt noch mit Ein- und Zwei-Cent-Münzen – stattdessen verstopfen sie Geldbeutel oder verschwinden in Sparschweinen. Die...

DWN
Technologie
Technologie Der Verbrenner-Golf bleibt mindestens bis 2035: Volkswagen Vertriebschef Martin Sander im Interview
11.03.2025

Volkswagen steht vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits soll die ID-Familie den Markt für Elektroautos erobern, andererseits...

DWN
Politik
Politik Grönland wählt heute Parlament
11.03.2025

Die Menschen auf Grönland wählen ein neues Parlament – doch der Wahlkampf wird von außen beeinflusst. Trump mischt sich ein, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Künstliche Intelligenz: KI-Trading revolutioniert den Anlegermarkt – Welche Vorteile, Risiken und Möglichkeiten es gibt
11.03.2025

KI-Trading ermöglicht es Anlegern, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz schneller und präzisere Marktanalysen zu erstellen und...

DWN
Politik
Politik Drohnenangriff auf Moskau fordert drei Todesopfer - Friedensgespräche beginnen
11.03.2025

Ein massiver Drohnenangriff auf Moskau erschüttert Russland: Zwei Tote, beschädigte Gebäude und gesperrte Flughäfen. Während der Kreml...

DWN
Immobilien
Immobilien Neues Büro finden: Was ist zu beachten und wie vermeidet man kostspielige Fehler bei der Suche?
11.03.2025

Die Firma wächst schneller als erwartet und mit ihr das Personal? Oder die Firmenräumlichkeiten werden nicht mehr benötigt? Je nachdem...