Finanzen

Sorgen um Umschuldungs-Klauseln in Europas Staatsanleihen sind übertrieben

In nahezu allen europäischen Staatsanleihen mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr finden sich inzwischen Umschuldungs-Klauseln, welche im Falle eines Zahlungsausfalls aktiviert werden.
16.03.2019 14:37
Lesezeit: 2 min

Online tauchen immer wieder warnende Kommentare auf, die Risiken im Hinblick auf die CAC-Klausel (Collective Action Clause) heraufbeschwören. Bei der CAC-Klausel, die seit Anfang des Jahres 2013 für alle Staatsanleihen der Europäischen Gemeinschaft gilt, soll es im Krisenfall auf eine Enteignung der Anleger hinauslaufen.

Dabei versteigen sich manche Beobachter gar in Behauptungen, Privatanleger sollten wegen der dadurch bestehenden Gefahr des Totalverlusts gänzlich auf Investitionen in Staatsanleihen, also auch auf private Lebens- oder Rentenversicherungen, Riester-Renten, Anleihe-, Mischfonds und vieles andere mehr, verzichten beziehungsweise aus diesen aussteigen. Solche verunsichernden Statements zeugen entweder von mangelnder Kenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge oder tragen schlicht desinformativen Charakter.

Die Collective Action Clause, was als Klausel kollektiven Handelns übersetzt werden kann, entstammt einem Beschluss der Euro­staaten aus dem Jahr 2012. Die Regelung gilt für die Anleihen aller Euroländer, die seit Jahres­beginn 2013 neu aufgelegt wurden und länger als ein Jahr laufen. Zum ersten Mal emittierte die Bundes­regierung Anfang 2013 eine Anleihe mit Umschuldungs­klausel heraus. Heutzutage gilt sie für nahezu alle EU-Staatsanleihen.

Die CAC-Klausel wurde erstmals nach dem argentinischen Staatsbankrott im Dezember 2001 angewandt. Mit dieser Regelung sollte und soll das Krisenmanagement in eine wirtschaftliche Schieflage geratener Staaten verbessert werden. Denn in Ausnahmefällen kann sich damit eine Mehr­heit der Gläubiger mit dem Heraus­geber der Anleihe auf eine Umschuldung verständigen. Dementsprechend muss sich die Minderheit dem Entschluss fügen.

Je nach Art der Abstimmung ist für einen derartigen Entscheid eine 75-prozentige Zustimmung oder eine Zwei-Drittel-Mehr­heit erforderlich. Beispielsweise können die Gläubiger eine Verlängerung der Anleihe­lauf­zeit beschließen, sie können den Nenn­wert der Anleihe beschneiden oder sich auf einen nied­rigeren Zins­satz einigen.

Dem ersten Anschein nach gewährt die CAC-Klausel ausschließlich den Herausgebern der Anleihen Vorteile. Wenn diese ihren Verpflichtungen nicht mehr in vollem Umfang nachkommen können, sind sie im Gegensatz zu früheren Zeiten in der Lage, ihre Schwierigkeiten vergleichs­weise schnell zu bereinigen. Sie müssen nicht mehr auf alle Einzel­interessen Rück­sicht nehmen. Beispielsweise hatten in einigen entsprechenden Fällen Hedgefonds das Umtausch­angebote nicht angenommen und das gesamte Umstrukturierungsverfahren unangemessen in die Länge gezogen und damit praktisch blockiert.

Schnellere Umschuldungsverfahren können jedoch auch für Privatanleger vorteilhaft sein. Denn auch institutionelle Investoren wie Versicherungen, Banken oder Pensions­kassen verfolgen meist ebenso wie private Investoren das Interes­se, ihr eingesetztes Kapital bei einer Umschuldung nicht dahinschmelzen zu sehen. Schließlich ist es ebenfalls wenig hilfreich, wenn ein Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, dass das Geld durch lang verschleppte Verhand­lungen gleichfalls so gut wie außer Reichweite gerät.

Privatanleger, die in Staatsanleihen investieren, setzen sich wegen der CAC-Klausel wohl kaum einem veränderten Chance/Risiko-Verhältnis aus. Denn in gleicher Weise wie die Regelung Umschuldungsverfahren für die Herausgeber vereinfacht, dürfen Investoren für die Anleihen wohl auch leicht höhere Zinsen für sich beanspruchen. Bundeswertpapiere, die als sichere Anleihen gelten, werden durch die Regelung also nicht riskanter. Investoren von Anleihen aus Staaten mit niedriger Bonität müssen seit eh und je dazu bereit sein, ein größeres Risiko in Kauf zu nehmen. Und das war das vor der Einführung der CAC-Klausel auch schon so.

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