Finanzen

Hohe Renditen, geringes Risiko: Anleihen von Krisenstaaten lohnen sich für Investoren

Investoren, die Krisenländern wie Venezuela, Griechenland oder der Ukraine Geld leihen, handeln sehr viel klüger, als bislang gedacht. Die Schuldentitel von solchen Ländern werfen nämlich äußerst hohe Renditen ab, und die Verluste durch Zahlungsverzug oder gar Nichtzahlung halten sich in Grenzen.
06.04.2019 17:56
Lesezeit: 3 min

Zu diesem Ergebnis sind die beiden Wissenschaftler Christoph Trebesch und Josefin Meyer vom Kieler „Institut für Weltwirtschaft“ (IfW) gekommen. Gemeinsam mit der Harvard-Ökonomin Carmen Reinhart haben sie für ihr Forschungspapier „Sovereign Bonds since Waterloo“ die Entwicklung von 220.000 Staatsanleihen untersucht, die von 91 Staaten (darunter Industrie-Nationen als auch Schwellen- und Entwicklungsländer) in der Zeit von 1815 bis 2016 ausgegeben und an den Börsen London und New York gehandelt wurden, wobei es zu mehr als 300 Schuldenschnitten kam.

Das Ergebnis: Mit dem Kauf von Anleihen, die krisengeplagte Länder ausgegeben hatten (darunter viele afrikanische und lateinamerikanische Staaten), erzielten die Investoren höhere Gewinne als mit dem Kauf von Anleihen stabiler Staaten wie etwa den USA oder Großbritannien (in einer Mitteilung des IfW heißt es, die „Schuldentitel der riskanten Länder erzielten eine vergleichbare Rendite wie Aktien“). Im Durchschnitt betrug das Verhältnis sieben Prozent zu drei Prozent. Interessant: Hohe Gewinne ließen sich gerade mit den Anleihen solcher Staaten erzielen, die mehrere Bankrotte erlebt hatten, beispielsweise Mexiko und Kolumbien - deren Anleihen brachten durchschnittlich zehn Prozent ein.

Zwei Gründe gibt es, warum sich die Aufnahme von Anleihen krisengeschüttelter Staaten lohnt. Der eine liegt auf der Hand und wurde oben bereits beschrieben: Die Renditen sind höher. Der andere ist der, dass Investoren nur höchst selten vollkommene Verluste hinnehmen müssen. In der Regel erleiden Staaten nämlich - anders als Unternehmen - keine Totalpleiten, stattdessen kommt es zu Schuldenschnitten. „Selbst nach dem Default eines Staates erhalten Investoren also noch Geld, und zwar im Mittelwert rund 50 Prozent, wobei es zwischen den einzelnen Pleiten zu großen Varianzen kommt“, so Dr. Michael Bolliger, Leiter des Anlageteams für Schwellenländer im Chief Investment Office der UBS Bank (Zürich), im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. „Typischerweise erholt sich ein Staat eben wieder“, führt Bolliger weiter aus. Wenn beispielsweise die übriggebliebenen 50 Prozent der ursprünglich investierten Summe mit zehn Prozent verzinst werden, könne sich die Investition trotz des Ausgangsverlusts auf lange Sicht immer noch lohnen. Involvierte Investoren benötigen allerdings ausreichend Geduld: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Jahre vergehen zwischen dem Default und der Wiederaufnahme der Zahlungen. Ein sorgfältiges Liquiditäts-Management ist daher wichtig.

Wissenschaftliche Erkenntnisse haben praktische Relevanz

Sind die Erkenntnisse der Kieler Wissenschaftler für Investment-Profis von praktischer Bedeutung?

Trebesch ist davon überzeugt, wie er den DWN auf Nachfrage mitteilte: „Unsere zentralen Ergebnisse haben eine Ein-Jahres-Perspektive, das heißt, wir gehen von einem Investitionshorizont von einem Jahr aus, unter der Annahme, dass Investoren ein breites Portfolio weltweiter Anleihen halten. Dafür finden wir eine durchschnittliche inflationsbereinigte Rendite von circa sieben Prozent pro Jahr. In den letzten 20 Jahren lag die Rendite sogar bei neun Prozent.

Diese Ergebnisse verbessern das Verständnis dieses Marktes und dürften insofern schon relevant sein für heutige Investoren. Schuldenkrisen und große Schocks wie Weltkriege oder Revolutionen sind selten. Unsere Studie erlaubt es unter anderem, die Relevanz solcher Extremrisiken besser einzuschätzen.“

Auch Bolliger hält wissenschaftliche Untersuchungen, wie sie das IfW durchgeführt hat, prinzipiell für praxisrelevant: „Es handelt sich dabei nicht um Theorie aus dem Elfenbeinturm. Tatsache ist, dass es einen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis gibt, dass beide Seiten voneinander lernen.“

Ein Sprecher der Commerzbank sagte den DWN ebenfalls, dass wissenschaftliche Erkenntnisse praktische Bedeutung haben: „Wir schauen uns solche Studien durchaus an.“ Allerdings sei die besagte Studie des IfW für eine traditionelle Geschäftsbank nicht von Relevanz: „Wir sind strenger reguliert als beispielsweise ein Hedgefonds. Für riskante Investitionen wie die in riskante Staatsanleihen müssten wir entsprechendes Eigenkapital vorhalten. Das würde dann den Spielraum für andere Geschäfte einengen, weshalb wir solche Investitionen nicht tätigen. Das ist eher etwas für Investment-Banken.“

Wie die Analyse, ob sich ein Investment in eine Staatsanleihe lohnt, in der Praxis durchgeführt wird, erläutert Dr. Mauricio Vargas, Senior Economist bei der Frankfurter Investmentgesellschaft „Union Investment“: Für besonders riskante Emittenten verlangen Investoren besonders hohe Risikoaufschläge als Kompensation. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Wie erfolgreich ein Investment ist, hängt bei Anleihen aber nicht zuletzt an der Frage eines Zahlungsausfalls. Kann ein Default-Kandidat rechtzeitig ausgesiebt werden, lassen sich deutlich höhere Renditen vereinnahmen. Um dies zu erreichen, ist ein professionelles Risikomanagement notwendig. Wir greifen daher als aktiver Manager auf ein selbst konzipiertes Modell zur Bewertung von Ausfallrisiken zurück. Der Gedanke dahinter: Für Renteninvestoren ist die Einschätzung der Default-Wahrscheinlichkeit enorm wichtig. Um genau diese Frage in die Investmentprozesse zu integrieren, haben wir bei Union Investment ein eigenes Länderrating entwickelt. Unser Ansatz differenziert nach Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit. Denn: Ob ein Land seine Schulden nicht mehr bedient, ist nicht nur eine Frage des Könnens – sondern auch des Wollens. Das gilt gerade für problematische Emittenten. Durch diese umfassende Methodik, die wir durch ein Frühwarnsystem noch ergänzen, unterscheidet sich unser hauseigenes Rating von vielen marktüblichen Analysen.“

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