Deutschland

Neuer Rekord: 60.000 Studenten ohne Abitur an deutschen Hochschulen

Die Zahl der Studenten ohne Abitur hat einen neuen Rekordstand erreicht. Derzeit nutzen hierzulande rund 60.000 Menschen diese Möglichkeit.
04.04.2019 12:24
Lesezeit: 2 min

Seit rund zehn Jahren kann man in Deutschland auch ohne Abitur studieren, wenn man Berufserfahrung nachweist. Im Jahr 2017 waren rund 60.000 Studenten ohne Abitur an Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten eingeschrieben. Damit hat sich die Zahl der Studenten ohne Abitur seit 2007 vervierfacht. Frauen und Männer sind etwa gleich stark vertreten, wobei fast die Hälfte schon älter als 30 Jahre ist.

Wie aktuelle Zahlen des CHE Centrum für Hochschulentwicklung zeigen, geht der Trend, ohne Abitur-Abschluss zu studieren, eindeutig nach oben. Aktuell liegt der Anteil der Nicht-Abiturienten an allen Studienanfängern in Deutschland bei 2,9 Prozent. Dies entspricht rund 14.600 Personen und ist ein neuer Höchststand.

Es sei richtig und wichtig gewesen, den Campus auch für jene Studieninteressierte zu öffnen, die keine formale Hochschulreife aufweisen, sagte CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele. „Immer mehr Menschen sind zum lebenslangen Lernen bereit, dafür muss es flexible Wege geben.“

Im Jahr 2007 erwarben nur knapp 1.900 Personen ohne Abitur einen Studienabschluss. Inzwischen hat sich diese Zahl mehr als vervierfacht und ist auf 8.100 angewachsen. Die konstant steigenden Zahlen von Absolventen zeige, dass die Studierfähigkeit nicht allein vom Abiturzeugnis abhängt, sagte Sigrun Nickel, Leiterin Hochschulforschung beim CHE.

Anteil der Studenten ohne Abitur in den Bundesländern

Auf der Ebene der Bundesländer zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. Beim Anteil der Studenten ohne Abitur oder Fachhochschulreife nehmen Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen die Spitzenpositionen ein. Schlusslicht ist das Saarland.

  • Hamburg 5,0 Prozent
  • Bremen 4,5 Prozent
  • Nordrhein-Westfalen 4,0 Prozent
  • Berlin 3,6 Prozent
  • Rheinland-Pfalz 3,5 Prozent
  • Hessen 3,2 Prozent
  • Bayern 2,5 Prozent
  • Mecklenburg-Vorpommern 2,5 Prozent
  • Niedersachsen 1,9 Prozent
  • Thüringen 1,8 Prozent
  • Sachsen 1,7 Prozent
  • Baden-Württemberg 1,7 Prozent
  • Brandenburg 1,7 Prozent
  • Schleswig-Holstein 1,4 Prozent
  • Sachsen 1,4 Prozent
  • Saarland 0,5 Prozent

„Besonders positiv ist die Entwicklung in Bremen“ sagt CHE-Expertin Sigrun Nickel. Hier hat sich die Zahl der Erstsemester und Studenten ohne allgemeine Hochschulreife im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.

NRW ist das einzige Flächenland, das schon seit einigen Jahren einen Spitzenplatz im Ländervergleich einnimmt. Dies liege vor allem an der FernUniversität in Hagen, die knapp 1.500 Studenten ohne Abitur hat, viel mehr als alle anderen deutschen Hochschulen, so Nickel.

Studienanfänger ohne Abitur bevorzugen weiterhin Fachhochschulen beziehungsweise Hochschulen für angewandte Wissenschaften gegenüber den Universitäten. Zwei Drittel von ihnen entschieden sich im Jahr 2017 für diesen Hochschultyp.

An privaten Hochschulen liegt die Quote der Studienanfänger ohne allgemeine Hochschulreife mit fast 11 Prozent besonders hoch. Im Vergleich dazu sind es an staatlichen Hochschulen nur zwei Prozent.

Welche Studienfächer werden bevorzugt?

Knapp 56 Prozent aller Studienanfänger ohne Abitur im Jahr 2017 wählten ein Fach aus den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Es folgen die Ingenieurwissenschaften mit 20,8 Prozent und Medizin/Gesundheitswissenschaften mit 11,5 Prozent.

Sogar ein Medizin- oder Pharmaziestudium ohne Abitur ist möglich. Hierbei bewirbt man sich statt mit der Abiturnote mit seiner Note aus der Meister- oder Fachwirtprüfung. Auf diese Weise gelangten im Jahr 2017 rund 800 der insgesamt 109.000 Medizinstudierenden an einen der begehrten Studienplätze.

Voraussetzungen für die Bewerbung um einen Studienplatz ohne allgemeine Hochschulreife und Fachhochschulreife sind eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie der Nachweis von Berufserfahrung. Interessierten stehen bundesweit über 8.000 Studienangebote offen.

Ausführliche und aktuelle Informationen zu dem Thema sowie Serviceangebote wie einen Qualifizierungs- und Beratungscheck bietet Studieren ohne Abitur. Bereits im letzten Jahr hatte der Online-Studienführer eine Handreichung zum Medizin- und Pharmaziestudium erstellt.

Noch ein Tipp: Bis zum 10. Juni 2019 können sich Interessierte ohne allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife bei der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SBB) um ein Studienstipendium bewerben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...