Deutschland

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen früheren VW-Chef Winterkorn

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig erhebt Anklage gegen den früheren VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn.
15.04.2019 13:36
Lesezeit: 2 min

Im Abgas-Skandal von Volkswagen ist der frühere Konzern-Chef Martin Winterkorn gemeinsam mit vier weiteren Führungskräften unter anderem wegen schweren Betrugs angeklagt worden. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hält ihnen zudem vor, das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb missachtet zu haben. «Das Landgericht Braunschweig hat die Anklage am Freitag erhalten und wird jetzt die Klage-Zulassung prüfen», sagte am Montag der zuständige Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe der Deutschen Presse-Agentur. Er sprach von einem wichtigen Zwischenschritt.

Winterkorn mitgezählt richtet sich die Klage gegen insgesamt fünf Manager, die «eine in einer einzigen strafbaren Handlung verwirklichte Mehrzahl von Straftatbeständen» begangen haben sollen. Keine Angaben machte die Staatsanwaltschaft, um wen es sich bei den anderen vier Beschuldigten handelt. Ihnen drohen bei einer Verurteilung zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Zudem sollen ihnen unrechtmäßig erlangte Bonuszahlungen wieder entzogen werden. «Es handelt sich dabei um Beträge zwischen knapp 300 000 Euro bis hin zu knapp elf Millionen Euro», teilte die Anklagebehörde mit.

Dem Ex-Manager Winterkorn wird zudem Untreue vorgeworfen, weil er die rechtswidrigen Manipulationen an den Diesel-Motoren nicht umgehend Behörden und Kunden bekanntgemacht habe, nachdem er davon erfahren habe. Mit Wissen und Billigung auch Winterkorns habe es noch im November 2014 ein Softwareupdate mit Kosten von 23 Millionen Euro gegeben - so die Anklagebehörde -, «das nutzlos war und dazu dienen sollte, den wahren Grund für die erhöhten Schadstoffwerte im Normalbetrieb der Fahrzeuge weiter zu verschleiern».

Eine Fluchtgefahr sieht Ziehe bei Winterkorn auch angesichts eines internationalen Haftbefehls der USA nicht gegeben. «Aus Sicht der Staatsanwaltschaft besteht kein Haftgrund, insbesondere keine Fluchtgefahr», sagte der Oberstaatsanwalt der Deutschen Presse-Agentur. Er wies zugleich einen Vorwurf von Winterkorns Verteidigung zurück, wonach ihr die Anklagebehörde nach der Übermittlung von sieben DVDs mit rund 300 Ordnern keine Gelegenheit zur Durchsicht bislang unbekannter Akten sowie einer Stellungnahme gewährt habe. «Wir gehen davon aus, dass wir der Verteidigung ausreichend rechtliches Gehör gewährt haben», sagte er.

Winterkorns Anwalt Felix Dörr hatte dagegen eine fehlende Gelegenheit gerügt, sich zum Inhalt der Akten und den erhobenen Vorwürfen zu äußern. «Die Verteidigung wird sich auf diese 'Gangart' der Staatsanwaltschaft einstellen», hatte Dörr in einer Erklärung betont.

Der Volkswagen-Konzern wollte die Anklageerhebung nicht kommentieren. Ein Sprecher verwies darauf, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Konzern selbst mit der Zahlung eines milliardenschweren Bußgeldes beendet seien - es sich nun also um individuelle Ermittlungen gegen Einzelpersonen handle. «Die nun bekannt gewordene Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegenüber Herrn Winterkorn und weiteren Beschuldigten stehen im Zusammenhang mit individuellen Ermittlungen gegen Einzelpersonen, zu denen sich die Volkswagen AG nicht äußert», so der Sprecher.

Zum Hintergrund des Falls: Am 18. September 2015 hatten die Umweltbehörden in den USA bekanntgegeben, dass bei Abgasmessungen von VW-Modellen nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Der VW-Konzern hatte am 20. September 2015 nach den US-Ermittlungen «Manipulationen» an seinen Dieselmotoren eingeräumt; am 23. September fegte der Skandal den damaligen Vorstandschef Martin Winterkorn aus dem Amt. Weltweit wurde in rund elf Millionen Dieselfahrzeugen eine illegale Software eingesetzt, die den Schadstoffausstoß bei Emissionstests drosselt.

Insgesamt ermittelt die Behörde in Braunschweig gegen 36 weitere Mitarbeiter. Dabei geht es um Beschuldigungen im Verfahren wegen Software-Manipulationen beim Stickstoffdioxid-Ausstoß von Diesel-Autos. Der Zeitpunkt des Abschlusses dieser Ermittlungen ist nach Angaben von Ziehe noch offen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...