Die Übernahme des US-Agrarkonzerns Monsanto hat den Leverkusener Chemieriesen Bayer ins Fadenkreuz von Umweltschützern und Anwälten weltweit gebracht. Und auch bei den eigenen Aktionären wächst der Unmut.
Konzernchef Werner Baumann steht am Freitag eine ungemütliche Hauptversammlung ins Haus, berichtet die Nachrichtenagentur AFP:
Bayer verweist gerne auf seine über 150 Jahre alte Geschichte. Die Leverkusener mischten einst in allen Feldern mit, für die Chemie gebraucht wird: Kunststoffe, Filme, Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente für Mensch und Tier sowie Pflanzenschutzmittel. Doch in den vergangenen Jahren hat sich der Konzern stark umgebaut und viele Teile ausgegliedert, etwa 2004 die Spezialchemie unter dem Namen Lanxess oder 2015 die Kunststoff-Sparte unter dem Namen Covestro.
Vor rund drei Jahren kündigte Bayer die Übernahme von Monsanto an, einem der weltweit führenden Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Monsanto hat neben vielen gentechnisch veränderten Pflanzen auch den weltweit am häufigsten eingesetzten Unkrautvernichter Glyphosat entwickelt. Umwelt- und Verbraucherschützer machen den Wirkstoff für den Rückgang der Artenvielfalt sowie für Krebserkrankungen verantwortlich. Bayer zahlte 56 Milliarden Euro für Monsanto.
Die Leverkusener wollen weltweite Nummer eins im Geschäft mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln werden. Der Konzern will dabei vom steigenden Nahrungsbedarf der stark wachsenden Weltbevölkerung profitieren.
Um die Zustimmung der Kartellbehörden zu bekommen, musste Bayer große Teile seines eigenen Saatgutgeschäfts an den Konkurrenten BASF verkaufen sowie weitere Anteile an Tochterunternehmen veräußern. Um die Übernahme zu finanzieren, kündigte der Dax-Konzern auch den Abbau von 12.000 der nach der Übernahme nunmehr 117.000 Stellen an.
Nach Abschluss der Übernahme im vergangenen Jahr hatte Bayer einen Gesamtumsatz von 39,6 Milliarden Euro. Mehr als 40 Prozent davon verdiente der Konzern mit rezeptpflichtigen Medikamenten, mehr als 36 Prozent mit dem Agrargeschäft.
Die US-Justiz macht Bayer einen Strich durch die Rechnung. Zweimal schon gaben US-Gerichte Klägern recht, die ihre Krebserkrankung auf glyphosathaltige Produkte von Monsanto zurückführen, und verurteilten das Unternehmen zu Schadenersatz über dutzende Millionen Dollar. Bayer ging jedesmal in Berufung. Es warten allerdings noch mehr als 11.000 Prozesse allein in den USA. Verlieren die Bayer-Anwälte diese ebenfalls, droht die Monsanto-Übernahme für den Konzern zum Milliardengrab zu werden - der Imageschaden ist schon da.
Zwar halten Regulierungsbehörden weltweit Glyphosat für nicht krebserregend, doch die lautstarken Kritiker werfen Monsanto vor, kritische Untersuchungen zu unterdrücken. So sieht sich Bayer gezwungen, hunderte eigentlich dem Betriebsgeheimnis unterliegende Studien zu veröffentlichen, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.
Wie wenig Vertrauen selbst die eigenen Aktionäre in Bayer haben, zeigte ihre Reaktion auf die Gerichtsurteile. Nachdem Bayer im ersten Prozess um den Hausmeister Dewayne Johnson im August vergangenen Jahres zunächst zu 289 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt wurde, sackte die Aktie um fast ein Fünftel ab. Eine Richterin reduzierte die Summe später auf 78,5 Millionen Dollar. Nachdem Bayer auch den Prozess gegen Edwin Hardeman Ende März verlor, fiel der Konzernwert nochmal um ein Fünftel. Das Hardeman-Urteil wird als wegweisend für zahlreiche weitere US-Klagen gesehen.
Insgesamt hat sich der Wert des Bayer-Konzerns seit der Ankündigung der Monsanto-Übernahme halbiert. Der Aktienkurs liegt mit rund 61 Euro so niedrig wie seit sieben Jahren nicht mehr. Konzernchef Baumann wird sich der Aktionärsversammlung deshalb nicht nur von Umwelt-Aktivisten einiges an Kritik einstecken, sondern auch von den eigenen Eigentümern.